OLG Frankfurt vom 10.06.2010 (5 UF 103/10)

Stichworte: Ehescheidung,ausländische, Anerkennung, inzidente; Anerkennung ausländische Ehescheidung; Heimatstaatenentscheidung, Doppelstaatlichkeit.;
Normenkette: FamFG 107 Abs. 1 S. 2; FamFG 107 Abs. 1 S. 2;
Orientierungssatz:
  • Zur inzidenten Anerkenung einer Heimatstaatenentscheidung
  • Bestehen Zweifel daran, ob die Eheleute zum Zeitpunkt des Erlasses des ausländischen Scheidungsurteils nur die Staatsangehörigkeit des Urteilsstaates gehabt haben, so ist in jedem Fall das Verfahren vor der Landesjustizverwaltung durchzuführen
  • Nicht in jedem Fall der Doppelstaatlichkeit liegt keine Heimatstaatenentscheidung i. S. des § 107 Abs. 1 S. 2 FamF vor. Dies kann nur gelten, wenn eine der mehreren Staatsangehörigkeiten die deutsche ist (BGHZ 112, 127).
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Versorgungsausgleichssache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 18.02.2010 am 10.06.2010 beschlossen:

    Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

    Wert der Beschwerde: 1.000,- E (§ 50 FamGKG).

    Gründe:

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Scheidungsantrag und den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB zurückgewiesen. Gegen die Ablehnung des Versorgungsausgleichs richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist, weil durch die Aussetzung des Verfahrens in erster Instanz gem. Art. 7 § 1 FamRÄndG neues Recht anzuwenden ist (Art. 111 Abs. 3 FGG-Reformgesetz), zulässig und rechtzeitig beim Amtsgericht am Dienstag nach Ostern, dem 06.04.2010 eingelegt worden, nachdem der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Entscheidung vom 03.03.2010 zugestellt worden ist.

    Auch auf das Beschwerdeverfahren und das materielle Verfahrensrecht findet somit neues Recht Anwendung.

    Die Beschwerde ist unbegründet.

    Zu Recht hat das Amtsgericht durch Beschluss den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Das rechtskräftige kosovarische Scheidungsurteil des Kreisgerichts Prishtina/Kosovo vom 18.07.2008 (Rechtskraft zum 03.09.2008) kann nach § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht ohne weiteres anerkannt werden, weil nicht sicher festgestellt werden kann, dass es sich um eine sogenannte Heimatstaatenentscheidung handelt, bei der die Anerkennung inzident ohne Durchführung eines förmlichen Verfahrens der Justizverwaltung erfolgen kann. Demnach ist der Scheidungsantrag und damit auch der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs unzulässig.

    Die Ermittlungen des Amtsgerichts aufgrund der Verfügungen 01.12.2008, 08.01.2009 und vom 15.01.2010 haben nicht ergeben, dass die Parteien zur Zeit der Entscheidung des Kreisgerichts gemeinsam die kosovarische Staatsangehörigkeit besessen haben. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20.11.2009 vorgetragen, beide Eheleute hätten die serbische Staatsangehörigkeit. Dies führte nicht zu einer inzidenten Anerkennung nach § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG, weil das Kreisgericht Prishtina/Kosovo kein Gericht des Staates Serbien ist. Demnach wäre also nach dem Vortrag der Antragstellerin das Scheidungsurteil vom Anerkennungsmonopol der Justizverwaltung nicht ausgenommen. Mit Schriftsatz vom 17.12.2009 hat die Antragstellerin vorgetragen, der Antragsgegner besitze eine Doppelstaatsangehörigkeit. Auch dies führt nicht weiter, denn es bleibt offen, ob der Antragsgegner kosovarischer Staatsbürger ist, was bei gleichzeitiger kosovarischer Staatsbürgerschaft der Antragstellerin zu einer inzidenten Anerkennung der Ehescheidung als Voraussetzung der Durchführung des Versorgungsausgleichs führen würde. Nach dem Vortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 09.12.2009 ist der Antragsgegner jugoslawischer Staatsangehöriger. Dies führt auch nicht weiter, weil der jugoslawische Staat untergegangen ist und nicht feststeht, welche Staatsangehörigkeit eines Teilstaats der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Entscheidung des Kreisgerichts gehabt hat. Das Amtsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2010 nach Sichtung der von den Beteiligten vorgelegten Ausweisdokumente, von denen sich Ablichtungen in den Akten befinden, ohne Widerspruch hervorzurufen, festgestellt, dass sich eine eindeutige Ermittlung der Staatsangehörigkeit zum 18.07.2008 nicht erreichen ließe. Darauf geht die Beschwerde nicht ein. Ohne weitere Nachweise wird einfach behauptet, die Parteien hätten "dieselbe Staatsangehörigkeit". Sie teilten beide "die jeweils gültige staatsrechtliche Form des Kosovo". Dies widerspricht ihren eigenen Angaben und auch denen des Antragsgegners.

    Nicht ausschlaggebend ist die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, nach der in jedem Fall der Doppelstaatlichkeit keine Heimatstaatenentscheidung i. S. des § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG mit der Folge inzidenter Anerkennung anzunehmen sei. Dies kann nur gelten, wenn eine der mehreren Staatsangehörigkeiten die deutsche ist (BGHZ 112, 127). Dass eine der Parteien auch die deutsche Staatsangehörigkeit hätte, kann hier nicht angenommen werden.

    Bestehen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der inzidenten Wirkung einer Heimatstaatenentscheidung (Zustellung des Scheidungsantrags, Rechtskraft der Entscheidung etc.), die im laufenden Verfahren nicht aufgeklärt werden können, bleibt es den Parteien unbenommen, freiwillig ein behördliches Feststellungsverfahren anzustrengen, und damit die Unsicherheiten im Hinblick auf die Wirkung des ausländischen Scheidungsurteils auszuschließen (BGHZ, a.a.O.; Schulte-Bunert, Weinreich/Baetge, FamFG, § 107, Rz. 8; a.A. Zöller/Geimer FamFG, § 107, Rz., 38 unter Hinweis auf § 108 Abs. 2 FamFG). Bestehen die Zweifel aber gerade darin, ob die Eheleute zum Zeitpunkt des Erlasses des ausländischen Scheidungsurteils nur die Staatsangehörigkeit des Urteilsstaates gehabt haben, so ist in jedem Fall das Verfahren vor der Landesjustizverwaltung durchzuführen (Zöller/Geimer FamFG, a.a.O.). So liegt der Fall hier.

    Gemäß § 68 Abs. 3 FamFG kann ohne weitere mündliche Anhörung der Parteien entschieden werden, weil die Anhörung schon im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist, und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

    Ostermöller Dr. Dürbeck Held