OLG Frankfurt vom 15.08.2017 (4 WF 73/17)

Stichworte: Verfahrenswert, Ehesache, Vermögensfreibetrag, Unterhaltsverpflichtung
Normenkette: FamGKG 43
Orientierungssatz:
  • Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für eine Scheidungssache sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten dergestalt zu berücksichtigen, dass bezogenes Kindergeld außer Betracht bleibt, je unterhaltsberechtigtem Kind ein Pauschalabzug von € 300,00 vom Monatsnettoeinkommen der Ehegatten vorzunehmen ist und den Ehegatten ein Vermögensfreibetrag von 2 x € 25.000,00, zusammen € 50.000,00, zu Gute kommt.
  • 61 F 377/16
    AG Gelnhausen

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    Antragsteller,

    Verfahrensbevollmächtigte:

    Beschwerdeführerin

    gegen

    Antragsgegnerin,

    hat das Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main am 15.08.2017 beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird – unter Zurückweisung ihres Rechtsmittels im Übrigen – der Verfahrenswertbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelnhausen vom 31.10.2016 abgeändert.

    Der Verfahrenswert für das Scheidungsverfahren wird auf € 31.100,00 festgesetzt.

    Die Verfahrenswertfestsetzung für die Folgesache Versorgungsausgleich wird deklaratorisch dahingehend korrigiert, dass es sich um eine vorläufige Festsetzung handelt.

    Gründe:

    I.

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren Ehegatten. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, denen sie Unterhalt gewähr(t)en.

    Am 10.03.2016 beantragte der Antragsteller, vertreten durch die Beschwerdeführerin, die Scheidung der Ehe. Sein damaliges Einkommen lag bei mtl. € 6.000,00. Das Einkommen der Antragsgegnerin lag zu diesem Zeitpunkt bei mtl. € 2.300,00. Sie verfügten zusammen über Vermögen von € 210.000,00.

    Am 22.03.2016 leitete das Familiengericht von Amts wegen die Folgesache Versorgungsausgleich ein, die es in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2016 teilweise aus dem Verbund abtrennte und aussetzte.

    Im Übrigen verkündete es aufgrund dieser mündlichen Verhandlung an diesem Tag einen Beschluss, der die Scheidung der Ehe aussprach, und setzte den Wert des Scheidungsverfahrens auf € 27.860,00 und den Wert der Folgesache Versorgungsausgleich auf € 11.916,00 fest.

    Hiergegen richtet(e) sich die aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 01.03.2017, mit der sie Werte von € 33.900,00 (Scheidung) und € 14.940,00 (Versorgungsausgleich) erstrebte; am 05.05.2017 beschränkte sie das Rechtsmittel auf die Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren.

    Am 22.03.2017 half das Familiengericht der Beschwerde nicht ab und legte die Verfahrensakte dem Senat vor. Dessen Einzelrichter übertrug das Verfahren mit Beschluss vom 30.06.2017 auf den Senat.

    II.

    Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig, diese ist insb. in eigenen Rechten von der Wertfestsetzung betroffen, vergl. § 32 II 1 RVG. Auch steht der Zulässigkeit der Beschwerde vom 01.03.2017 nicht die Ausschlussfrist der §§ 59 I 3, 55 III 2 FamGKG (sechs Monate nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, die am 31.10.2016 erging) entgegen. Ferner ist auch der Schwellenwert des § 59 I 1 FamGKG (200 Euro) im Hinblick auf die erstrebte Anhebung des Verfahrenswertes überschritten. Denn bei Anfall einer 2,5-fachen Verfahrens- und Terminsgebühr ergibt zwischen einem Wert für das Scheidungsverfahren von bis zu € 30.000,00 und einem Wert von bis zu € 35.000,00 ein Gebührenbetrag von (2,5 x (€ 938,00 - € 863,00=) € 187,50 netto, zzgl. 19% Umsatzsteuer € 223,13 brutto).

    Allerdings ist die Beschwerde nur in Bezug auf die Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren zulässig, weil nur insoweit eine solche im Sinne der §§ 59 I 1, 55 II FamGKG vorliegt. Denn eine der Beschwerde nach § 59 FamGKG unterliegende Wertfestsetzung setzt voraus, dass „…eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt…“. Hierzu entspricht es aber der Senatsrechtsprechung, dass im Falle der Abtrennung einer Folgesache aus dem Scheidungsverbund eine Teilwertfestsetzung für die zunächst entschiedene Ehesache (und ggf. im Verbund hierzu gebliebener, mitentschiedener Folgesachen) möglich ist (vergl. Senatsbeschlüsse vom 13.03.2017, 4 WF 43/17, und grundlegend vom 20. Oktober 2015, 4 WF 175/15, juris). Konsequenterweise hat die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel daher auch auf den Wert des am 31.10.2016 in der Hauptsache endgültig entschiedenen Verfahrensgegenstand der Ehescheidung beschränkt und das Rechtsmittel gegen die – tatsächlich vorläufige – Wertfestsetzung des Familiengerichts für die abgetrennte und noch nicht umfänglich entschiedene Folgesache Versorgungsausgleich zurückgenommen. Der Senat erachtet hier aber eine Klarstellung des Wertfestsetzungsbeschlusses vom 31.10.2016 für geboten, dass diese in der Folgesache Versorgungsausgleich nur vorläufig geschah.

    Soweit die Beschwerde der Beschwerdeführerin noch reicht, ist sie teilweise begründet und führt zu einer abändernden Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren von € 27.860,00 auf € 31.100,00. Dabei lässt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten, § 43 FamGKG:

    Gemäß § 43 Abs. 1 FamGKG ist der Verfahrenswert der Scheidungssache u. a. unter Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Eheleute zu bestimmen, wobei hinsichtlich letzterer nach § 43 Abs. 2 FamGKG auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten abzustellen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 2 WF 93/17 –, Rn. 9, juris). Dabei kommt es nach dem Gesetz im Rahmen der Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse nicht darauf an, ob das Vermögen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gewesen ist. Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von (Immobilien-)Vermögen bei der Festsetzung des Werts der Ehesache ist zudem sehr uneinheitlich, was Folge des seitens des Gesetzgebers dafür eingeräumten großen Ermessensspielraums ist (vgl. dazu auch Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Auf. 2014, Rn. 5 zu § 43 FamGKG; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl. 2017, Rn. 10 zu § 43 FamGKG). Auch hinsichtlich der Bestimmung des mtl. erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten gibt es, insb. im Hinblick auf den etwaigen Abzug von Unterhaltsleistungen an Kinder, unterschiedliche Ansichten (vergl. OLG Köln NJW 2017, 276-277: “… Das Familiengericht ist bei seiner Festsetzung des Verfahrenswertes einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten Auffassung gefolgt, wonach bei der Festsetzung des Verfahrenswertes auf die konkrete Leistungsfähigkeit der Beteiligten abzustellen und deshalb vom nach §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 S. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG maßgeblichen Nettoeinkommen ein Abschlag für Unterhaltsverpflichtungen vorzunehmen ist; (vgl. zuletzt OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2015 - 15 WF 176/15 -, FamRZ 2016, 1295 m. w. N.). Dabei wird der für Unterhaltsverpflichtungen vorzunehmende Abschlag z. T. mit 200,00 EUR/Kind (KG, Beschluss vom 29.06.2009 - 16 WF 96/09 -, FamRZ 2009, 1854), oder 250,00 EUR/Kind (so z. B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.09.2013 - 5 WF 66/13 -, FamRZ 2014, 1226; OLG Köln, Beschluss vom 02.06.2008 - 12 WF 51/08 -, FamRZ 2008, 2051), oder 300,00 EUR/Kind (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.04.2008 - 6 WF 196/07 -, FamRZ 2008, 2052; OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2010 - 13 WF 20/10 -, FamRZ 2011, 755) pauschaliert, während nach anderer Ansicht ein Unterhaltsbetrag, wie er sich als Barunterhalt aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt, abgezogen wird (OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2004 - 7 WF 80/04 -, FamRZ 2004, 227)…“).

    Der Senat, der bisher die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Kinder bei der Bemessung des Nettoeinkommens nach § 43 II FamGKG offengelassen hatte und vorhandenes Vermögen der Ehegatten nach Abzug eines Gesamtfreibetrages von € 30.000,00 mit 5% in die Wertbestimmung hat einfließen lassen, wendet nunmehr § 43 FamGKG dahingehend an, dass

    - je unterhaltenem Kind ein einmaliger Pauschbetrag von mtl. € 300,00 in Abzug zu bringen ist, ohne dass ggf. bezogenes Kindergeld das Einkommen der Ehegatten erhöhte, und

    - vorhandenes Vermögen nach Abzug eines gemeinsamen Freibetrages von € 50.000,00 mit 5% in den Wert des Scheidungsverfahrens einfließt.

    Der Senat lässt sich von folgenden Überlegungen leiten:

    Einerseits wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehegatten im Sinne des § 43 I 1 FamGKG nachhaltig davon geprägt, ob diese (gemeinsame) Kinder unterhalten. Im täglichen Alltag stellt es für die Frage, ob Sondersituationen finanziell leistbar sind, nämlich einen deutlichen Unterschied dar, ob unterhaltsberechtigte Kinder, deren Existenz zu sichern ist, vorhanden sind oder nicht. Für den Senat kommt daher ein Ausblenden dieser familiären Situation der Ehegatten nicht in Betracht.

    Andererseits muss die Wertfestsetzung in den Massenfällen der Scheidungsverfahren einfach handhabbar sein und darf nicht in Ansätzen mit unterhaltsrechtlichen Erwägungen belastet werden. Der Senat hält es daher für angezeigt, Unterhaltslasten gegenüber Kindern mit einem Pauschalbetrag je Kind zu berücksichtigen und nicht auf etwaige Zahlbeträge abzustellen, deren Berechtigung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen der §§ 1601ff. BGB Diskussionsstoff und Anlass für Auseinandersetzungen liefern könnte.

    Allerdings erachtet der Senat den Ansatz eines Pauschbetrages von mtl. € 300,00 im Hinblick auf die Mindestunterhaltssätze nach § 1612a BGB bzw. die Mindestbedarfe nach der Düsseldorfer Tabelle für angemessen. Diese liegen – nach Abzug des (hälftigen) Kindergeldes – als reiner Zahlbetrag zwischen € 246,00 und € 364,00; beim auswärts untergebrachten Kind bei (€ 735,00 - € 192,00=) € 543,00. Als Durchschnittsbetrag erscheinen € 300,00 mtl. diese Konstellationen befriedigend abzudecken.

    Dabei erhöht der etwaige Bezug von Kindergeld die Einkommensverhältnisse der Ehegatten regelmäßig nicht, weil das Kindergeld – wie die (Teil-)Anrechnung nach § 1612b BGB belegt – gerade zur Deckung des (Mindest-)Bedarfs der Kinder einzusetzen ist und ausbleibender Kindergeldbezug höhere Unterhaltslasten nach sich zieht.

    Hinsichtlich des Einflusses von Vermögen auf die Wertfestsetzung erachtet der Senat – im Anschluss an OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 2 WF 93/17 –, Rn. 9, juris – eine Erhöhung des seit Jahrzehnten nicht angepassten (Gesamt-) Freibetrages von € 30.000,00 auf € 50.000,00 für angezeigt und angemessen. Dies berücksichtigt einerseits die allgemeine Teuerung, andererseits aber auch die deutlich gestiegenen Immobilienpreise im ausgedehnten Rhein-Main-Gebiet. Insofern erachtet der Senat aber die vom OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 2 WF 93/17 –, Rn. 9, juris, genannte Situation der Immobilienpreise in Nordhessen, die diesen zur Anhebung des Gesamtfreibetrages auf € 40.000,00 bewogen, für den mittel- und südhessischen Bereich mit dem Ballungszentrum Rhein-Main nicht für einschlägig, so dass eine – auch vom Gesetzgeber in Nr. 1311 KV FamGKG angedeutete – Freibetragsregelung von € 25.000,00 je Ehegatten, also insgesamt € 50.000,00, billig erscheint.

    Daher ist der Wert für das Scheidungsverfahren auf € 31.100,00 festzusetzen, ausgehend von folgenden – zur Zeit der Einreichung des Antrages, § 34 FamGKG, maßgeblichen – Einzelbeträgen:

    - 3 x (€ 6.000,00 mtl. Nettoeinkommen des Antragstellers + € 2.300,00 mtl. Nettoeinkommen der Ehefrau – 2 x € 300,00 wegen Unterhalt für zwei gemeinsame Kinder), entspricht € 23.100,00;

    - 5% von (€ 210.000,00 Reinvermögen der Ehegatten - € 50.000,00 Freibetrag), entspricht € 8.000,00;

    - zusammen € 31.100,00.

    Diehl Dr. Kischkel Dr. Fritzsche