OLG Frankfurt vom 29.08.2003 (4 WF 72/03)

Stichworte: Vollstreckbarkeitserklärung, Abänderungsklage Zentrale Behörde zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, Vollstreckbarkeitserklärung, Abänderungsklage, Vertretungsrecht.
Normenkette: ZPO 323 AUG 8 Abs. 1, 10 Abs. 2
Orientierungssatz: 1) Eine Abänderungsklage ist im Rahmen eines Verfahrens auf Vollstreckbarkeisterklärung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung grundsätzlich zulässig. 2) Die Zentrale Behörde zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten ist auch hinsichtlich der Abänderungsklage für den Berechtigten vertretungsberechtigt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat das Oberlandesgericht - 4. Senat für Familiensachen - durch die Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht -Wetzlar vom 6.6.2003 am 29.8.2003 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht -Wetzlar vom 6.6.2003 aufgehoben. Das Prozeßkostenhilfeverfahren wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, dem die erforderliche Entscheidung übertragen wird.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Klägerin ist das am 7.12.1989 geborene eheliche Kind des Beklagten. Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Entscheidung des Distict Court of Cass County, Texas/USA vom 12.7.1991 -No. 91-D-095 -mit sofortiger Wirkung geschieden. Durch das genannte Urteil wurde der Beklagte zur Zahlung von Kindesunterhalt für die Klägerin in Höhe von monatlich 280,- US-$ vom 1.7.1991 verurteilt, zahlbar jeweils bis zum 3. eines jeden Monats. Die Klägerin begehrt mit der Klage die Vollstreckbarerklärung dieses Urteils, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an sie Kindesunterhalt in Höhe von 280,- US-$ monatlich vom 1.1.2003 an bis zu einer näher dargelegten Beendigung der Zahlungspflicht zu zahlen, weiterhin einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Juli 1991 bis einschließlich Dezember 2002 in Höhe von insgesamt 31.640,- US-$, die Hälfte der entstehenden Kosten und Gebühren für den Besuch des College sowie die Hälfte aller Kosten für Behandlungen und Medikamente, die von der Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Ferner hat er angekündigt zu beantragen, den mit der Entscheidung des Bezirksgerichts des Bezirkes Cass, Texas, vom 12.7.1991 -Nr. 91-D 095 -festgesetzten Unterhalt dahingehend abzuändern, daß er keinen Unterhalt zu zahlen habe, und ihm für dieses Verfahren Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin XYZ. zu bewilligen. Er macht geltend, er habe am 8.7.1991 erneut geheiratet; am 6.6.1992 und am 23.12.1996 seien die beiden ehelichen Kinder K. und L. geboren worden. Nach der Scheidung von seiner zweiten Ehefrau im September 2001 sei er wiederum verheiratet; seine jetzige Ehefrau beziehe regelmäßige Einkünfte aus einer Halbtagsbeschäftigung. Im September 1993 sei er aus der Armee ausgeschieden und habe seitdem zeitweise Gelegenheitsarbeiten ausgeführt. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags zu seinen Einkommensverhältnissen wird auf die Schriftsätze vom 21.2. und 22.4.2003 nebst Anlagen (Blatt 53 ff., 71 ff. der Akte) Bezug genommen. Eine Erklärung des Beklagten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lag seinem Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe nicht bei. Hierauf wurde er durch gerichtliche Verfügung vom 7.8.2003 hingewiesen. Der Beklagte hat sich im Schriftsatz vom 22.4.2003 auf den Prozeßkostenhilfeantrag mit Änderungsantrag in dem vor dem Amtsgericht -Familiengericht -Wetzlar anhängigen Verfahren Az. 6 F 913/02 SO berufen, das dem Senat nicht vorliegt.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 6.6.2003, dem Beklagten zugestellt am 12.6.2003, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, daß die in dem angekündigten Antrag liegende Abänderungsklage im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels nicht zulässig sei. Die nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes gewollte erleichterte Durchsetzung von rechtskräftigen Unterhaltsentscheidungen würde unterlaufen, wenn die Verfahren durch Abänderungswiderklagen erschwert werden könnten. Gegen diesen Beschluß hat der Beklagte mit am 26.6.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz von diesem Tage sofortige Beschwerde eingelegt. Er hält die von ihm erhobene Abänderungsklage für zulässig. Das Amtsgericht hat der Beschwerde gemäß Beschluß vom 2.7.2003 nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO). Sie hat auch in der Sache grundsätzlich Erfolg.

Die Rechtsverfolgung des Beklagten hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die von ihm mit Schriftsatz vom 22.4.2003 erhobene Abänderungsklage ist auch im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung der ausländischen Unterhaltsentscheidung zulässig. Zwar ist der titulierte materielle Anspruch nicht Gegenstand des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung und unterliegt damit grundsätzlich keiner sachlichen Nachprüfung (vgl. BGH, FamRZ 1990, 504, 506 m.w.N.). Demzufolge kann ein Abänderungsverlangen grundsätzlich nicht im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens geltend gemacht werden (vgl. BGH, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 323, Rdnr. 12, jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt lediglich für rechtshemmende oder rechtsvernichtende Einwendungen gegen den titulierten Unterhaltsanspruch im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO, die der Beklagte jedoch nicht erhebt (vgl. BGH, a.a.O. zu einem Sachverhalt, auf den der deutsch-österreichische Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6.6.1959 (BGBl 1960 II 1246) anwendbar ist; BGH, NJW 1987, 1146, 1147; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 600, 601; OLG Hamm, FamRZ 1991, 718; OLG Düsseldorf, FamRZ 1989, 97, 98; vgl. auch Zöller/Geimer, a.a.O., § 722, Rdnr. 57a;). § 10 Abs. 2 des hier anwendbaren AUG läßt aber die Abänderung des in der ausländischen Entscheidung festgesetzten Unterhaltsbetrages hinsichtlich der Höhe und der Dauer der zu leistenden Zahlungen und damit eine Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwände im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung ausdrücklich zu. Insoweit wird zunächst keine Unterscheidung zwischen rechtskräftigen und nicht rechtskräftigen ausländischen Entscheidungen getroffen. Für rechtskräftige Entscheidungen wird lediglich angeordnet, daß deren Abänderung "nur nach Maßgabe des § 323 ZPO zulässig" sei. Diese Bestimmung schafft mithin zusätzliche Voraussetzungen für eine Abänderung, schließt aber eine Entscheidung im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung gerade nicht aus. Hierfür besteht auch keine durchgreifende Veranlassung. Der Umstand, daß eine gesonderte Abänderungsklage zu erheben ist, führt allein nicht zu einer erheblichen Verzögerung. Überdies kann zur Vermeidung von Verzögerungen entsprechend § 304 ZPO vorab eine Entscheidung über den Exequaturantrag ohne Änderung oder eine Abtrennung der Abänderungsklage nach § 145 ZPO erfolgen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 722, Rdnr. 62).

Zu beachten ist § 323 Abs. 2 ZPO. Hiernach ist die Klage nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der die Einwendungen spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Einwendungen des Beklagten betreffen aber im wesentlichen den Zeitraum nach dem 12.7.1991.

Die Zentrale Behörde ist auch hinsichtlich der Abänderungsklage für die Klägerin vertretungsbefugt. Nach § 8 Abs. 1 AUG "unternimmt sie alle geeigneten Schritte, um für den Berechtigten die Leistung von Unterhalt durchzusetzen". Nach Abs. 2 gilt sie "als bevollmächtigt, im Namen des Berechtigten ... gerichtlich tätig zu werden". Die Erhebung einer Unterhaltsklage und das Betreiben der Vollstreckung eines Unterhaltstitels sind insoweit lediglich als Beispiele genannt. Wenn wie dargelegt eine Abänderungsklage im Rahmen des Exequaturverfahrens durch § 10 Abs. 2 AUG ausdrücklich zugelassen ist, so ist auch die Regelung der gesetzlichen Vertretungsmacht der Zentralen Behörde dahingehend auszulegen, daß sie eine Vertretung im Rahmen der Abänderungsklage mitumfaßt. Für eine Differenzierung gegenüber dem Fall, daß materiell-rechtliche Einwände nach § 10 Abs. 2 S. 1 AUG bereits unmittelbar im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen sind, besteht keine Veranlassung.

Mangels Vorliegens einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten, die aber dem Amtsgericht -Familiengericht -Wetzlar vorzuliegen scheinen, war eine abschließende Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gegenwärtig nicht möglich. Daher erschien es als sinnvoll, die erforderliche Anordnung dem Amtsgericht zu übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dr. Börner