OLG Frankfurt vom 31.03.2017 (4 WF 66/17)

Stichworte: Stufenantrag, Verfahrenskostenhilfe, Betragsverfahren
Normenkette: ZPO 114, 124, 254; FamGKG 34, 38, 51
Orientierungssatz:
  • Konkretisiert das Familiengericht den Umfang der zunächst einschränkungslos für ein Stufenverfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe insoweit, als es summarisch die Erfolgsaussicht des Begehrs auf der Betragsstufe entsprechend der erteilten Auskünfte beUrteilt, darf dies nicht zu einer (verdeckten) Teilaufhebung der ehemaligen Bewilligung im Sinne des § 124 ZPO führen.
  • Zur Bestimmung des Wertes eines Unterhaltsverfahrens im Falle eines Stufenantrages.
  • 72 F 497/15
    AG Groß-Gerau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 31.03.2017 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 09.03.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Groß-Gerau vom 01.02.2017 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.03.2017 aufgehoben.

    Gründe:

    I.

    Die Antragstellerin begehrte die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in einem Hauptsachestufenverfahren, in dem sie von dem Antragsgegner, ihrem getrennt von ihr lebenden Ehemann, zunächst Auskunft und Belegvorlage über sein Einkommen und sodann beginnend ab 01.01.2015 – zunächst unbeziffert – Zahlung von Trennungsunterhalt sowie – als Verfahrensstandschafterin zweier gemeinsamer minderjähriger Kinder – Kindesunterhalt begehrte. Dieser Antrag ging am 11.05.2015 beim Familiengericht ein.

    Nach einschränkungsloser Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe am 10.06.2015 erfolgte nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 10.06.2015 Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner am 03.08.2015.

    Infolge mündlicher Verhandlung zur Auskunftsstufe am 01.12.2015 verkündete das Familiengericht am 22.12.2015 einen Teilbeschluss, in dem es dem Antragsgegner Auskunft und Belegvorlage gebot.

    Mit Schriftsatz vom 10.08.2016 bezifferte die Antragstellerin ihren Antrag auf der Zahlungsstufe. Am 10.01.2017 ergänzte sie ihre Anträge, wobei die Zahlbeträge und Zeiträume zum Antrag vom 10.08.2016 identisch blieben und nur teilweise eine Zahlung an Dritte begehrt wurde.

    Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Familiengericht fest, dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung vom 10.06.2015 sich (nur) auf Zahlungsbegehren in – gegenüber den Anträgen vom 10.08.2016 bzw. 10.01.2017 – eingeschränkter Höhe bezogen auf den Zeitraum ab September 2016 (Kindesunterhalt) bzw. Januar 2017 (Trennungsunterhalt) erstreckt. Im Übrigen wies es den Verfahrensfahrenskostenhilfeantrag zurück.

    Am 13.02.2017 teilte die bisherige Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, das Mandat niedergelegt zu haben, so dass der Beschluss am 25.02.2017 direkt an die Antragstellerin zugestellt wurde. Hiergegen richtet sich ihre am 09.03.2017 beim Familiengericht eingegangene „Beschwerde“, der das Familiengericht am 16.03.2017 nicht abhalf.

    II.

    Die zulässige, §§ 113 I 2 FamFG, 567 ff., 127 ZPO, sofortige Beschwerde (die Fehlbezeichnung als Beschwerde ist unschädlich) der Antragstellerin hat im Umfang ihrer Einlegung vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in Gestalt des ergangenen Nichtabhilfebeschlusses. Das Familiengericht hat nach eigenem Ermessen zu beurteilen, ob es eine erneute Feststellung zum Umfang der am 10.06.2015 bewilligten Verfahrenskostenhilfe treffen will.

    Im Einzelnen:

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig, weil die Antragstellerin durch den angefochtenen Beschluss teilweise ihre nach der Bewilligung vom 10.06.2015 entstandenen Rechte auf Kostenfreistellung verliert, §§ 113 I 2 FamFG, 122 ZPO.

    Insofern ist auch jedenfalls die Beschwerdefrist eingehalten, zumal die „Zustellung“ des Beschlusses vom 01.02.2017 unter Missachtung der §§ 113 I 2 FamFG, 172 ZPO an sie selbst erfolgte. Denn die Antragstellerin wurde im vorliegenden Familienstreitverfahren, für das Anwaltszwang gilt, § 114 I FamFG, von einer Rechtsanwältin vertreten, so dass an diese Zustellungen, auch im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe, vergl. z.B. Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 4 Ta 61/16 (2) –, juris ), zu bewirken sind. Dass sie vor Versand des Beschlusses die Mandatsniederlegung angezeigt hatte, ist wegen der fortbestehenden Beiordnung unbeachtlich (LG Saarbrücken, Beschluss vom 02. Januar 2012 – 5 T 30/12 –, juris).

    Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil der Beschluss vom 01.02.2017 der Antragstellerin teilweise die mit der Bewilligung vom 10.06.2015 erworbenen Rechte nimmt, ohne dass letztlich die Voraussetzungen der §§ 113 I 2 FamFG, 124 ZPO erkennbar sind.

    Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Familiengericht sich für berechtigt angesehen, die am 10.06.2015 für den gesamten Stufenantrag der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe nach Bezifferung ihres Leistungsbegehrens einer Feststellung – von Amts wegen – dahingehend zuzuführen, inwieweit die damalige Bewilligung in Bezug auf die jetzt bezifferten Anträge reicht. Denn es ist anerkannt, dass dem Antragsteller eines Stufenantrages umfassend Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, diese sich wegen des Betragsverfahrens aber nur auf diejenigen Forderungen/Anträge bezieht, die sich aus den in der ersten Stufe erhalten Auskünften ergeben. Insofern kann auch das bewilligende Gericht nach Bezifferung eine Feststellung vornehmen, inwieweit sich aus den Auskünften Leistungsansprüche des Antragstellers ableiten lassen, also die Bewilligung reicht, auch wenn es in die Bewilligungsentscheidung ehedem keinen diesbezüglichen Vorbehalt aufnahm (zum Ganzen: Zöller-Geimer, § 114 ZPO, Rz. 37f.).

    Vorliegend hat das Familiengericht aber eine inhaltlich unzutreffende Klarstellung im obigen Sinne am 01.02.2017 getroffen, wodurch die Antragstellerin auch beschwert ist, weil – gemessen am Gesamtwert des Verfahrens – dies letztlich dazu führt, dass ihr nur aus einem Teilwert die Vorteile der §§ 113 I 2 FamFG, 122 ZPO zu Teil werden. Insofern stellt sich die Entscheidung als verdeckte Teilaufhebung dar.

    Denn das Familiengericht hat die Wertvorschrift des § 51 FamGKG verkannt. Danach bestimmt sich der Wert des Verfahrens, dessen Kosten von den Regelungen der §§ 113 I 2 FamFG, 122 ZPO erfasst werden sollen, einerseits nach der Höhe der Unterhaltsforderungen für die ersten 12 Monate nach Antragseinreichung, § 51 I 1 FamGKG, sowie andererseits nach den bei Einreichung des Antrags rückständigen Forderungen, § 51 II 1 FamGKG, wobei der Einreichung eines Hauptsacheantrages die Einreichung eines diesbezüglichen Verfahrenskostenhilfeantrages gleichsteht, wenn der Hauptsacheantrag alsbald nach Bewilligung eingereicht wird, § 51 II 2 FamGKG. Bei einem Stufenantrag, bei dem sich der Wert nur nach dem höchsten Wert der einzelnen Stufen richtet, § 38 FamGKG (was letztlich – wie auch hier – der Wert der zunächst unbeziffert gebliebenen Betragsstufe ist), bestimmt sich der Zäsurzeitpunkt des § 51 FamGKG nach dem Eingang des Stufenantrages bzw. des diesbezüglichen Verfahrenskostenhilfeantrages bei Gericht, § 34 S. 1 FamGKG (statt vieler: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 5 WF 64/13 –, juris), was hier am 11.05.2015 erfolgte. Wertbestimmend sind daher die Monate Januar bis Mai 2015 (Rückstand) sowie Juni 2015 bis Mai 2016 (laufender Unterhalt). Allein deswegen kann eine aus der Auskunft für den Zeitraum ab September 2016 bzw. Januar 2017 abgeleitete Erfolgsaussicht – und daran anschließend der Umfang der Bewilligung gemäß Beschluss vom 10.06.2015 – nicht maßgeblich sein.

    Gleich ob man die Anträge vom 10.01.2017 als Änderung der Anträge vom 10.08.2016 auslegt oder nicht, sondern insoweit eine Antragserweiterung annimmt, ist somit danach zu fragen, welche Unterhaltsansprüche sich aus der Auskunft im Zeitraum Januar 2015 bis Mai 2016 ergeben; hierzu hat sich das Familiengericht überhaupt nicht geäußert. Es bleibt ihm freigestellt – und der Senat will dem nicht vorgreifen -, ob es hierzu eine neuerliche Klarstellung der Bewilligung vom 10.06.2015 vornimmt.

    Sollte es sich hierzu entschließen, so weist der Senat auf Folgendes hin: Mit der fehlenden Bedürftigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 115 ZPO wird sich eine solche Klarstellung nicht begründen lassen, da diese der näheren Spezifizierung der zunächst offen gelassen Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrages im Sinne des § 114 ZPO dient. Im Übrigen bezieht sich die Kostenvorschusspflicht des Hilfeträgers nur auf zum Einreichungsstichtag am 11.05.2015 rückständige Unterhaltsbeträge (BGH FamRZ 2008, 1159-1162, Rz. 18), nicht dagegen auf den laufenden Unterhalt ab diesem Zeitpunkt. Zudem hätte das Familiengericht diesen Umstand bereits bei der Bewilligung am 10.06.2015 aufgreifen und eine solche nur für die nach Antragseinreichung zukünftig fällig werdenden Beträge aussprechen können/dürfen. Dies hat es nicht getan und ist somit später nur nach Maßgabe von § 124 ZPO zu einer Abänderung zu Lasten der Antragstellerin berechtigt.

    Da das Familiengericht von Amts wegen tätig wurde, entfällt ein Ausspruch zur Antragszurückweisung im Übrigen. Solche sind nach Aktenlage auch nicht erkennbar.

    Dr. Fritzsche