OLG Frankfurt vom 20.05.2022 (4 WF 47/22)

Stichworte: Auskunftsanspruch; Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich; Verfahrenskostenhilfe, Erfolgsaussicht; Beiordnung, auswärtiger Anwalt
Normenkette: VersAusglG 4 Abs. 1; FamFG 76; FamFG 78; ZPO 121 Abs.3, 4
Orientierungssatz:
  • Voraussetzung für den Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 VersAusglG ist lediglich ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Auskunft, das bereits dann zu bejahen ist, wenn die Auskunft zur Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich benötigt wird, hier wenn in einer Vorentscheidung der schuldrechtliche Ausgleich vorbehalten wurde, sich daraus aber nicht ergibt, auf welche Anrechte sich der Vorbehalt bezieht.
  • Hätte der Beteiligte Anspruch auf die Beiordnung eines Verkehrsanwalts, darf die Beiordnung des auswärtigen Anwalts einerseits nicht auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts eingeschränkt werden und erfordert andererseits die Begrenzung der abrechenbaren Mehrkosten (§ 121 Abs. 3, 4 ZPO; Anschluss an OLG Frankfurt FamRZ 2022, 540).
  • 900 F 1015/21
    AG Bad Homburg v.d.H.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache …

    hier: Verfahrenskostenhilfe

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14.03.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg v. d. H. vom 14.02.2022 am 20. Mai 2022 beschlossen:

    Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt … in … mit der Maßgabe, dass Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seine Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort der Antragstellerin erstattungsfähig sind.

    Gründe:

    Die gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung in einem Versorgungsausgleichsverfahren gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und hat auch in der Sache Erfolg.

    Verfahrenskostenhilfe war der Antragstellerin zu bewilligen, weil sie nach ihren zum Entscheidungszeitpunkt der Berechnung zugrunde zu legenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, die anfallenden Verfahrenskosten auch nur anteilig zu tragen, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO und weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung – Antrag auf Auskunftserteilung zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich – hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und auch nicht mutwillig ist.

    Der Auskunftsanspruch, dessen sich die Antragstellerin berühmt, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 VersAusglG (a) und ist jedenfalls weder aufgrund der von den Beteiligten getroffenen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung vom … ausgeschlossen (b), noch infolge des ScheidungsUrteils des Amtsgerichts – Familiengericht – U. vom ...1998 zu Az. … (c).

    (a) Nach § 4 Abs. 1 VersAusglG sind die Ehepartner verpflichtet, einander wechselseitig die für den Versorgungsausgleich benötigten Auskünfte zu erteilen. Diese Pflicht hängt nicht von der Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens oder einer isolierten Versorgungausgleichssache im Sinne des § 217 FamFG ab (jurisPK-BGB/ Breuers, 9. Aufl., § 4 VersAusglG (Stand: 15.10.2019), Rn. 3 f). Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist lediglich ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Auskunft, das bereits dann zu bejahen ist, wenn die Auskunft zur Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich benötigt wird. In der Regel ergibt sich dieses Interesse schon daraus, dass zu vermuten ist, dass auszugleichende Anrechte des anderen Ehegatten im Sinne des § 2 VersAusglG bestehen. Davon ist vorliegend aber auszugehen, weil die Antragstellerin den Antragsgegner auf die Zahlung einer zweckgebundenen Abfindung gem. § 23 VersAusglG in Anspruch nimmt. Der Anspruch auf Abfindung wiederum setzt voraus, dass das Anrecht, das durch die Zahlung der Abfindung ausgeglichen werden soll, bislang noch nicht ausgeglichen worden ist. Mit dem Scheidungsurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – U. vom ….1998 zu Az. … ist der Antragstellerin der schuldrechtliche Ausgleich dort nicht näher bezeichneter Anrechte des Antragsgegners vorbehalten worden, so dass jedenfalls im Rahmen der im Verfahrenskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch weiterhin noch nicht ausgeglichene Versorgungsanrechte des Antragsgegners bestehen.

    (b) Dieser Annahme stehen auch nicht die Bestimmungen der von den früheren Eheleuten am … 1996 getroffenen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung (UR-Nr. …/1996 des Notars ...) entgegen. Unter § 11 der Vereinbarung heißt es im ersten und zweiten Absatz ausdrücklich „Sollte sich im Versorgungsausgleich eine Ausgleichspflicht des Ehemannes ergeben, wird der Versorgungsausgleich durchgeführt. Sofern und soweit Frau … nach Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens ausgleichspflichtig wäre, verzichtet Herr … auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs“ und im 5. und 6. Absatz wörtlich „Die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Lasten von Frau … erscheint deshalb unbillig und nicht sachgerecht. Insoweit wird die familiengerichtliche Genehmigung des vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs beantragt.“ Daraus ergibt sich eine einseitige Ausgleichspflicht allein des Ehemanns, Ausgleichsforderungen der Ehefrau (Antragstellerin) werden mit dieser Regelung entgegen der vorgerichtlich vom Antragsgegner vertretenen Rechtsauffassung gerade nicht ausgeschlossen. Dies folgt auch nicht aus der im 4. Absatz enthaltenen Feststellung, der Ehemann sei durch die dort im Einzelnen aufgeführten „Kapitalversicherungen“ hinreichend abgesichert. Denn ein Verzicht der Antragstellerin auf den Ausgleich dieser Anrechte ist in der Vereinbarung nicht geregelt; ob insoweit ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht, ist der späteren Prüfung nach Erteilung der begehrten Auskünfte vorzubehalten.

    (c) Auch aus der familiengerichtlichen Entscheidung vom … 1998 zu Az. … ergibt sich nichts Anderes. Im Tenor des Urteils wird unter Ziffer 2. lediglich angeordnet, dass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibt. Aus dem Tenor selbst jedenfalls ergibt sich damit nicht, welche konkreten Versorgungsanrechte der damaligen Parteien von diesem Vorbehalt umfasst sein sollten und welche nicht. Auch der Tatbestand lässt insoweit keine weiteren Rückschlüsse zu, denn dieser verweist lediglich auf „das Vorbringen der Parteien, auf die Vereinbarung über die Folgesachen (§ 630 ZPO) sowie auf die Vernehmung der Parteien“. Selbst wenn die seinerzeit erkennende Richterin die Rechtsauffassung vertreten haben sollte, dass allenfalls ein einziges Anrecht des Antragsgegners dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterfallen könnte, findet diese Ansicht jedenfalls keinen Niederschlag in der Entscheidung und ist deshalb weder der Rechtskraft fähig, noch maßgeblich für die Bestimmung des Ob und des Wie eines möglichen schuldrechtlichen Ausgleichs und damit auch eines Auskunftsanspruchs der Antragstellerin aus § 4 Abs. 1 VersAusglG.

    Eine Einschränkung des Anspruchs hinsichtlich des nicht näher bezeichneten Anrechts des Antragsgegners „bei der betrieblichen Kapitallebensversicherung mit einem Rentenanteil für den Fall der Berufsunfähigkeit“ war nicht geboten. Denn der Antragsgegner hat der Antragstellerin dazu vorgerichtlich unter dem … lediglich mitgeteilt, dass der Versicherungsfall bis 1998 nicht eingetreten sei. Diese Auskunft ist aber für die Beantwortung der Frage nicht hinreichend, ob und ggf. in welchem Umfang eine Ausgleichspflicht bestehen könnte.

    Andere Gründe:, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass der Antragstellerin kein Auskunftsanspruch aus § 4 Abs. 1 VersAusglG zustehen könnte, sind jedenfalls derzeit nicht ersichtlich. Zwar mag die Prüfung ergeben, dass die Antragstellerin letztlich doch keinen Abfindungsanspruch gegen den Antragsgegner hat, diese Frage ist aber nicht im Verfahrenskostenhilfeprüfungs-, sondern im Hauptsacheverfahren zu beantworten.

    Hinsichtlich der Anwaltsbeiordnung gilt, dass ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt gemäß § 121 Abs. 3 ZPO grundsätzlich nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Verfahrensgericht niedergelassenen Rechtsanwalts ist nach st. Rspr. des BGH (FamRZ 2004, 1362 ff.) aber immer auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen und der Beteiligte Anspruch auf die Beiordnung eines Verkehrsanwalts hätte. Ist dies der Fall, darf die Beiordnung des auswärtigen Anwalts einerseits nicht auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts eingeschränkt werden und erfordert § 121 Abs. 3 ZPO andererseits die Begrenzung der abrechenbaren Mehrkosten (vgl. zum Ganzen OLG Frankfurt FamRZ 2022, 540).

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten waren aufgrund des Erfolgs des Beschwerdeverfahrens nicht zu erheben (§§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG in Verbindung mit Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses), außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

    Dr. Kischkel