OLG Frankfurt vom 13.03.2017 (4 WF 43/17)

Stichworte: Stufenantrag, Wertfestsetzung, Zurückverweisung
Normenkette: FamGKG 38
Orientierungssatz:
  • Ermittelt das Familiengericht die Voraussetzungen der Wertfestsetzung nicht, ist das Beschwerdegericht berechtigt, unter Aufhebung der angefochtenen Wertfestsetzung und Zurückverweisung dem Familiengericht das weitere Vorgehen zu übertragen.
  • Eine Teilwertfestsetzung ist zulässig und anfechtbar, sobald das Gericht über die der Festsetzung unterliegenden, abtrennbaren Verfahrensteile eine Endentscheidung trifft bzw. sich das Verfahren insoweit auf andere Weise erledigt.
  • Zur Wertfestsetzung im Falle eines „steckengebliebenen“ Stufenantrages
  • 452 F 1294/15
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 13. März 2017 beschlossen:

    Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19.01.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 11.01.2017 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 08.03.2017 aufgehoben.

    Das Familiengericht hat unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut über die Abhilfe der Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 05.12.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 14.11.2016 zu befinden.

    Gründe:

    I.

    Am 26.06.2015 beantragte der Antragsteller, der am 29.12.2007 die Ehe mit der Antragsgegnerin geschlossen hatte, beim Familiengericht, die Scheidung dieser Ehe auszusprechen. Dabei wies er darauf hin, dass die Beteiligten am 17.12.1997 einen Ehevertrag geschlossen hatten, nachdem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und die gesetzlichen Regelungen zum nachehelichen Unterhalt sowie zum Versorgungsausgleich modifizierten. Ferner bezifferte er vorläufig den Verfahrenswert auf € 12.600,00, bestehend aus € 10.500 für den Scheidungsantrag (3 x € 3.500,00 mtl. Nettoeinkommen des Antragstellers bei Einkunftslosigkeit der Antragsgegnerin) und € 2.100,00 für den Versorgungsausgleich.

    In der auf den 17.03.2016 anberaumten mündlichen Verhandlung stellte die Antragsgegnerin Anträge vom 25.11.2015 und 09.12.2015 in den von ihr eingeleiteten Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt. Dabei handelte es sich einerseits um Feststellunganträge, dass der Ehevertrag zu dem jeweiligen Teilbereich unwirksam sei, sowie andererseits um Stufenanträge, mit denen sie vom Antragsteller zunächst Auskunft zu seinem Vermögen zu verschiedenen Stichtagen sowie zu seinem Einkommen, ferner – unbeziffert – Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt begehrte.

    Der Antragsteller beantragte widerantragstellend insofern, die Wirksamkeit des Ehevertrages (zwischen-)festzustellen.

    In einer weiteren Verhandlung führten die Beteiligten Vergleichsverhandlungen, die zunächst scheiterten. In der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2016 schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass

    a) der Antragsteller der Antragsgegnerin befristet nachehelichen Unterhalt zahlt,

    b) der Antragsteller die Antragsgegnerin von Unterhaltsansprüchen der drei gemeinsamen Kinder freistellt,

    c) die Antragsgegnerin an der Inanspruchnahme des begrenzten Realsteuersplittings mitwirkt und der Antragsteller ihr daraus erwachsende Nachteile ersetzt,

    d) der Ehevertrag vom 17.12.1997 als wirksam angesehen wird sowie

    e) im Übrigen wechselseitig auf weitere Ansprüche verzichtet wird.

    Sodann sprach das Familiengericht mit an diesem Tag verkündetem Beschluss die Scheidung der Ehe der Beteiligten aus, unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich.

    Am 14.11.2016 setzte das Familiengericht den Wert des Scheidungsverfahrens auf € 12.600,00 und den Wert der Folgesache Unterhalt auf € 26.280,00 fest. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 05.12.2016, mit der er begehrte,

    a) beim Wert des Scheidungsverfahrens auch das Vermögen der Beteiligten, das bereits zuvor von der Antragsgegnerin hinsichtlich des Antragstellers auf ca. € 1.380.000,00 beziffert worden war, zu berücksichtigen,

    b) von diesem Antragsteller 50% für die Folgesache Güterrecht zugrunde zu legen sowie

    c) einen Vergleichswert festzusetzen.

    Nach Anhörung des Antragsgegnervertreters setzte das Familiengericht mit Beschluss vom 11.01.2017 den Verfahrenswert auf € 797.880,00 fest, für den Scheidungsantrag ausgehend von € 69.000,00 für das Vermögen des Antragstellers (5% von € 1.380.000,00) sowie € 12.600,00 in Bezug auf sein Einkommen, € 26.280,00 für die Folgesache Unterhalt und € 690.000,00 für die Folgesache Güterrecht (50% des Antragstellervermögens). Den Vergleichswert setzte es auf € 716.280,00 (obiger Gesamtwert abzüglich Anteil für den Scheidungsantrag) fest.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers selbst vom 19.01.2017, mit der er Einzelwerte für die Folgesachen Unterhalt und Güterrecht von je € 5.000,00 und einen Vergleichswert von € 10.000,00 erstrebt. Am 08.03.2017 half das Familiengericht dieser Beschwerde nicht ab.

    II.

    Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (lit. a.) und in der Sache begründet; insofern führt sie zur Aufhebung des Beschlusses des Familiengericht vom 11.01.2017 (lit. b.).

    a.

    Die Verfahrenswertbeschwerde des Antragstellers, mit der er eine Ermäßigung des am 11.01.2017 festgesetzten Wertes erstrebt, ist zulässig, § 59 FamGKG. Denn das Familiengericht hat im Ausgangspunkt zutreffend nach dem (Teil-) Abschluss des Verfahrens infolge des Vergleichsschlusses der Beteiligten vom 27.09.2016 und dem anschließenden Ausspruch der Ehescheidung am gleichen Tage eine (Teil-)Wertfestsetzung von Amts wegen getroffen, § 55 II FamGKG. Denn obgleich das Verbundverfahren infolge der Abtrennung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich aus der Einheitsentscheidung des § 142 I FamFG noch nicht umfassend erstinstanzlich erledigt ist, ist gleichwohl anerkannt, dass das Familiengericht berechtigt ist, Teilwerte für die erledigten Teile des Verfahrens festzusetzen (vergl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2015 – 4 WF 175/15 –, juris). So ist es hier am 14.11.2016 geschehen und auf die Beschwerde des Bevollmächtigten des Antragstellers hin am 11.01.2017 geändert worden.

    Die Beschwerde des Antragstellers ist auch zulässig, soweit sie sich gegen die Höhe der Wertfestsetzung des Familiengerichts für die am 27.09.2016 erfolgte Einigung der Beteiligten richtet. Hier kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das Familiengericht am 11.01.2017 eine ergänzende Wertfestsetzung von Amts wegen vornahm, nämlich weil die Einigung einen „Mehrwert“ auswies, der die Gerichtsgebühr der Nr. 1500 KV FamGKG auslöste, oder aber nur auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 05.12.2016 hin handelte und den Wert dessen anwaltlicher Tätigkeit bei Zustandekommen der Einigung im Sinne der §§ 33, 32 RVG bestimmte. In ersterem Fall ergäbe sich die Statthaftigkeit des Rechtsmittels aus § 59 FamGKG, im zweiteren Fall aus § 33 III RVG.

    b.

    Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt infolge deutlicher Verfahrensfehler des Familiengerichts zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung analog § 572 III ZPO an das Familiengericht zur Neuentscheidung über die (Erst-)Beschwerde des Bevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss vom 14.10.2016 (zu dieser Möglichkeit OLG Naumburg BeckRS 2013, 14421; hinsichtlich des identischen § 66 GKG auch: OVG Bremen NVwZ-RR 2016, 440; OLG Rostock BeckRS 2012, 02320).

    Denn die Wertfestsetzung für die Folgesachen Unterhalt und Güterrecht sowie für die Einigung leidet unter erheblichen (Verfahrens-)Mängeln:

    In beiden Verfahren hatte die Antragsgegnerin spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2016 unbedingte Stufenanträge zur Entscheidung des Familiengerichts gestellt, ohne sich dabei – entgegen ihrer Verpflichtung aus § 53 FamGKG – über den Wert derselben zu erklären. Letzteres gilt auch für beide Beteiligten, soweit sie in den Folgesachen (Zwischen-)Feststellungs-(wider-) anträge zur (Un-)Wirksamkeit des Ehevertrages stellten, wobei diese nach § 39 I 3 FamGKG keinen eigenen Wert haben dürften, da mit dem Gegenstand des nach § 38 FamGKG zu bemessenden Wertes der Stufenanträge Identität bestand.

    Hinsichtlich des Wertes eines Stufenantrages ist – wie der Antragsteller zutreffend aufzeigt – regelmäßig auf die Vorstellungen eines Antragstellers vom Umfang der zunächst unbeziffert bleibenden Betragsstufe abzustellen. Diesbezüglich gilt (Senatsbeschluss vom 17.06.2013, 4 WF 24/13 im Anschluss an BGH FamRZ 1993, 1189) Folgendes: Im Falle einer „steckengebliebenen“ Stufenklage – wie hier infolge des Vergleichsschlusses - ist einerseits von dem Vorstellungsbild des Stufenklägers über den Umfang der unbezifferten Leistungsstufe auszugehen, dieses ist aber andererseits zu verobjektivieren. Eine maßgebliche Datenbasis hat das Familiengericht, nachdem die Beteiligten ihrer Erklärungslast nach § 53 FamGKG insoweit jeweils bei Antragseinreichung nicht nachkamen, verfahrensfehlerhaft nicht erhoben. Dies gilt sowohl hinsichtlich des ohne jede Begründung benannten Wertes der Folgesache Unterhalt von € 26.280,00, was - gemessen an § 51 I FamGKG – eine vorgestellte monatliche Unterhaltsforderung der Antragstellerin von € 2.190,00 bedeutete, als auch in Bezug auf das Güterrecht, in dem auf 50% des Vermögens des Antragstellers abgestellt wird. Eine Vorstellung der Antragsgegnerin wird hieraus nicht deutlich, ebenso wenig gibt es nachvollziehbare Kriterien, die für eine Objektivierbarkeit etwaiger Angaben der Antragsgegnerin dienen könnten. Denn wie der Antragsteller zutreffend hinweist, ist für eine Bemessung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs der Antragsgegnerin das aktuelle Gesamtvermögen des Antragstellers jedenfalls dann nicht als Bezugsgröße für einen linear ableitbaren Anteil maßgeblich, wenn er zugleich unwidersprochen ausführt, bereits bei Eheschließung über erhebliches Anfangsvermögen – entgegen der Vermutung des § 1377 III BGB – verfügt zu haben. Zudem stellt der Antragsteller in Abrede, dieses Vermögen belastungsfrei vorzuhalten, so dass auch ggf. aufzuklärende Verbindlichkeiten seinerseits zu berücksichtigen wären.

    Diese Mängel schlagen auch auf den Wert der Einigung durch, da auch dieser sich maßgeblich nach dem Wert der durch die Einigung erledigten Verfahrensgegenstände richtet.

    Die Zurückverweisung gibt dem Familiengericht zudem die Möglichkeit, die nicht von der Wertbeschwerde des Antragstellers ausdrücklich erfassten Wertteile einer Überprüfung und ggf. Korrektur zuzuführen.

    Dies betrifft einerseits den Wert der Einigung insoweit, als deren Umfang größer gewesen sein könnte, als vom Familiengericht angenommen. Denn die Einigung erstreckt sich mit der Vereinbarung der Nutzung des begrenzten Realsteuersplittings durch die Beteiligten und den diesbezüglichen Nachteilsausgleich sowie der Freistellungsvereinbarung bzgl. von Unterhaltsansprüchen der gemeinsamen Kinder durch den Antragsteller jedenfalls auf Gegenstände, die nicht Teil des Scheidungsverbundverfahrens waren; insofern dürfte ein Mehrwert im Sinne der Nr. 1500 KV FamGKG vorliegen. Ferner bezog sie sich mit der Einigung auf die Wirksamkeit des Ehevertrages auf die dortige Modifikation des Versorgungsausgleichs, so dass auch diesbezüglich ein Wertteil naheliegt.

    Aber auch die Festsetzung des Wertes für die Ehescheidung begegnet Bedenken: Wenn der Antragsteller nur über Einkommen von mtl. € 3.500,00 netto verfügen will, wären hiervon 3 x € 250,00 Freibetrag für den Unterhalt zu Gunsten der gemeinsamen Kinder (oder etwaig gezahlte Unterhaltsrenten) abzuziehen, da diese – wie die Einigung zeigt – offenbar noch unterhaltsberechtigt sind (vergl. Reitzmann, Streitwerte für ab 01.07.2004 anhängige Rechtstreite (§ 71 GKG Übergangsvorschrift ) – Stand Januar 2006, www.hefam.de), was nach Kenntnis des Senat auch noch heutiger Handhabung des § 43 FamGKG entspricht. Keineswegs ergäbe sich aber ein Wertanteil von € 12.600,00, sondern bestenfalls von € 10.500,00; der weitere in der Antragsschrift genannte Betrag von € 2.100,00 soll auf den Versorgungsausgleich entfallen. Zudem wäre der 5%ige Vermögensanteil nach Abzug eines Freibetrages von € 30.000,00 zu errechnen (vergl. Reitzmann a.a.O.), wobei auf das Reinvermögen abzustellen ist. Allerdings erscheinen die benannten € 3.500,00 auch deutlich untersetzt, da mit einem solchen Einkommen neben dem Unterhalt für eine fünfköpfige Familie kaum Vermögensbildung möglich gewesen sein dürfte.

    Ausgehend hiervon haben die Beteiligten sich nunmehr zunächst über die maßgeblichen Tatsachen zu erklären, wobei dem Senat unverständlich ist, dass sowohl seitens der Beteiligten, ihrer Vertreter wie auch dem Familiengericht bei der Verfahrensgestaltung § 53 FamGKG keine Beachtung geschenkt wurde. Eine solche würde die jetzt mutmaßlich aufkommende Diskussionen, denen sich jetzt zunächst das Familiengericht zu stellen hat, vermeiden. Alsdann hat eine hieran orientierte Festsetzung durch das Familiengericht unter Einbeziehung der Beschwerde vom 05.12.2016 und deren (Nicht-)Abhilfe zu erfolgen.

    Dr. Fritzsche