OLG Frankfurt vom 25.03.2010 (4 WF 38/10)

Stichworte: Beiordnung, Bürogemeinschaft; Bürogemeinschaft, Beiordnung;
Normenkette: BORO 3 Abs. 2, BRAO 43a Abs. 4, ZPO 121; BORO 3 Abs. 2, BRAO 43a Abs. 4, ZPO 121;
Orientierungssatz:
  • Die Beiordnung des von einem Beteiligten gewählten Rechtsanwaltes nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 121 ZPO ist auch bei einer einvernehmlichen Ehescheidung ausgeschlossen, wenn dieser mit dem Verfahrensbevollmächtigten des anderen Ehegatten in Bürogemeinschaft verbunden ist.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht Dr. Dürbeck als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 08.03.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht- Alsfeld vom 19.01.2010 am 25.03.2010 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

    Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die abgelehnte Beiordnung von Rechtsanwalt X. im Rahmen der dem Antragsgegner bewilligten Verfahrenskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren.

    Der Antragstellerin wurde für das Ehescheidungsverfahren vom Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin X. als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Rechtsanwältin X. ist die Ehefrau des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners. Sie nutzt einen Büroraum in den Kanzleiräumlichkeiten von Rechtsanwalt Arndt und nimmt dessen Büroangestellte zumindest zeitweise in Anspruch. Weiterhin nutzen beide Rechtsanwälte gemeinsam die vorhandene Telefonanlage und das Postfach des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners. Ansonsten arbeiten sie nach der Darstellung des Beschwerdeführers wirtschaftlich selbständig und verwenden keine gemeinsamen Briefbögen.

    Mit Schreiben vom 20.10.2009 beantragte der Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt X. als Verfahrensbevollmächtigten.

    Das Amtsgericht bewilligte dem Antragsgegner mit Beschluss vom 19.01.2010 Verfahrenskostenhilfe und lehnte im Übrigen den gestellten Beiordnungsantrag ab, weil beide Verfahrensbevollmächtigte in Bürogemeinschaft verbunden seien und als Rechtsanwälte nach §§ 43a BRAO, 3 Abs. 2 BORA keine widerstreitenden Interessen vertreten dürften.

    Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 08.03.2010 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Beschwerde gegen die abgelehnte Beiordnung ein. Er ist der Auffassung, er betreibe keine Bürogemeinschaft mit seiner Ehefrau.

    II.

    Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Auch ist der betroffene Verfahrensbeteiligte berechtigt, gegen die Ablehnung seines Beiordnungsantrages (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 121 ZPO) gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO Beschwerde einzulegen (OLG Karsruhe NJW-RR 1991, 462).

    In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

    Zwar hat auch bei einer einverständlichen Scheidung der Antragsgegner einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (Zöller-Phili, 28. Aufl., § 114 ZPO Rdn. 42). Weiterhin hat ein Verfahrensbeteiligter auch einen gesetzlichen Rechtsanspruch, dass das Gericht den von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalt beiordnet (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 121 Abs. 1 ZPO).

    Eine Beiordnung des gewählten Rechtsanwaltes kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn dieser nicht tätig werden darf (OLG Bremen NJW-Spezial 2008, 478; Baumbach/Lauterbach, 66. Aufl., § 121 ZPO Rdn. 4).

    Ein solches Tätigkeitsverbot ergibt sich für den vom Beschwerdeführer gewählten Rechtsanwalt hier aus §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 2 BORA.

    Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass der Rechtsanwalt auch im Rahmen einer einverständlichen Scheidung nicht für beide Ehegatten tätig werden darf, da allein schon die unterschiedlichen Interessen der Eheleute bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einem Interessenskonflikt führen (BayObLG NJW 1981, 832; Hartung/Römermann, 4. Aufl., § 3 BORA Rdn. 58; Offermann-Burckart, AnwBl 2008, 449). Dieses Tätigkeitsverbot gilt gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BORA auch für alle Rechtsanwälte, die mit dem betroffenen Rechtsanwalt in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbunden sind. Die Einbeziehung auch von bloßen Bürogemeinschaften beruht auf der Erwägung, dass jeder beteiligte Rechtsanwalt sich jederzeit Kenntnis vom Akteninhalt der übrigen Gemeinschaftsmitglieder verschaffen kann und soll damit gleichzeitig den Mandaten auch vor einer Verletzung der Pflicht zur Verschwiegenheit (§§ 43a Abs. 2 BRAO, 2 BORA) schützen (Eylmann in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 3 BORA Rdn. 12f; Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 3 BORA Rdn. 104). Sie dient damit auch dem Schutz der Rechtspflege und der Geradlinigkeit der Rechtsvertretung, weil schon der Anschein einer Interessenskollision vermieden werden soll, wenn Rechtsanwälte einer Bürogemeinschaft vor Gericht gegeneinander auftreten (OLG Hamburg FamRZ 2009, 631). Vor diesem Hintergrund ist sie auch verfassungskonform (OLG Bremen, a. a. O., Hartung, NJW 2006, 2721; a. A.: Kilian, AnwBl 2008, 707).

    Am Vorliegen einer Bürogemeinschaft zwischen den hier beteiligten Rechtsanwälten besteht kein Zweifel. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zeichnet sich die Bürogemeinschaft gerade dadurch aus, dass deren Mitglieder eigenständig beruflich tätig sind, selbständig gegenüber Mandanten abrechnen und nicht für einander haften (Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufll., Vor § 59a BRAO Rdn. 63). Im Gegensatz zur Sozietät soll bei einer Bürogemeinschaft gerade auf ein gemeinsames Auftreten der Rechtsanwälte verzichtet werden, um den Anschein einer Vergesellschaftung zu vermeiden (OLG Köln NJW-RR 2004, 279). Die Bürogemeinschaft unter Rechtsanwälten dient vielmehr lediglich dem Zweck der gemeinsamen Nutzung von Büroräumen und sonstiger Arbeitsmittel, wie Telekommunikationsanlagen, und gegebenenfalls auch der gemeinsamen Inanspruchnahme von Personal (Hartung/Römermann, a. a. O., Vor § 59 BRAO Rdn. 154 ff). Sie ist daher letztlich eine bloße Betriebsgemeinschaft.

    Da beide Verfahrensbevollmächtigte, wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, die selben Kanzleiräume, die selbe Telefonanlage und Telefonnummer und das selbe Postfach nutzen sowie sich zumindest zeitweise der selben Büroangestellten bedienen, besteht zwischen ihnen eine Bürogemeinschaft.

    Die grundsätzliche Anwendung des Tätigkeitsverbotes des § 43a Abs. 4 BRAO auf Bürogemeinschaften kann zwar nach § 3 Abs. 2 S. 2 BORA dann entfallen, wenn sich die betroffenen Mandanten nach umfassender Aufklärung mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklären. Hierzu lässt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nichts entnehmen, insbesondere trägt er nichts dazu vor, ob auch die Antragstellerin mit der Vertretung durch den vom Antragsgegner gewählten Verfahrensbevollmächtigten einverstanden ist. Dies konnte jedoch letztlich dahin gestellt bleiben, weil auch bei unterstelltem Einverständnis beider beteiligter Ehegatten Belange der Rechtspflege i. S. d. § 3 Abs. 2 S. 2 BORA der Beiordnung des gewählten Rechtsanwaltes entgegen stehen. Allein der Anschein persönlicher Verbundenheit der Anwälte und die oben erwähnten Gefahren der Kenntniserlangung von den Mandantenvorgängen des jeweils anderen Gemeinschaftsmitgliedes erfordern zum Schutz der Rechtspflege, auch vor dem Hintergrund des hohen Ranges der Berufsfreiheit der Rechtsanwälte (Art. 12 GG) und der Wahlfreiheit des betroffenen Verfahrensbevollmächtigten, ein Vertretungshindernis, das die Beiordnung des Mitgliedes einer Bürogemeinschaft für den Antragsgegner nicht zulässt (OLG Bremen, a. a. O., OLG Hamburg, a. a. O.).

    Damit konnte auch die Frage offen bleiben, ob der Einverständnisvorbehalt des § 3 Abs. 2 S. 2 BORA wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO gesetzeswidrig ist (so etwa Hartung NJW 2006, 2721; a. A.: Deckenbrock, AnwBl 2009, 170, 172).

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

    Dr. Dürbeck