OLG Frankfurt vom 27.03.2014 (4 WF 33/14)

Stichworte: ein das Verfahren betreffendes Gesuch; Rechtsmittel, sofortige Beschwerde;
Normenkette: FamFG 113 Abs. 1 Satz 2, ZPO 567 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Orientierungssatz: Die Zurückweisung eines das Verfahren betreffenden Gesuches, welche keiner mündliche Verhandlung bedarf, unterliegt in Ehe- und Familienstreitsachen nicht der Anfechtung mittels der (sofortigen) Beschwerde (Festhaltung an der Senatsrechtsprechung gemäß Beschluss vom 12.12.2012, 4 WF 183/12). Dies gilt auch im Fall der Nichtbewilligung einer öffentlichen Zustellung seitens des Familiengerichts.

454 F 3228/13
AG Frankfurt/Main

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf vom 29.01.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 29.12.2013 - Nichtabhilfebeschluss vom 31.01.2014 - am 27.03.2014 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.

Beschwerdewert: EUR 1.500,00

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die Antragstellerin betreibt in vorliegendem Verfahren die Scheidung ihrer am 18.10.2002 mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe. Eine Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner unter den der Antragstellerin bekannten Adressen scheiterte.

Die Antragstellerin begehrte sodann am 08.11.2013 die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner.

Das Familiengericht lehnte diese Bewilligung mittels Beschluss vom 29.12.2013 ab. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 29.01.2014, mit der sie erstrebt, die öffentliche Zustellung der Antragsschrift zu bewilligen.

Am 12.03.2014 war seitens des Senates auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen worden; zugleich erfolgte in (entsprechender) Anwendung von § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO seitens des berufenen Einzelrichters die Übertragung der Entscheidung auf den Senat.

Die Antragstellerin nahm hierzu am 22.03.2014 Stellung.

2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin war zu verwerfen, da selbige nicht statthaft ist, §§ 113 I 2 FamFG, 572 II 2 ZPO bzw. § 68 II 2 FamFG.

Die Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels als Beschwerde im Sinne der §§ 58 ff. FamFG ergibt sich - in Übereinstimmung mit der Antragstellerin - daraus, dass diese keine Endentscheidung des Familiengerichts im Sinne von § 38 FamFG, sondern eine Zwischenentscheidung desselben anficht.

Aber auch als sofortige Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung des Familiengerichts vom 29.12.2013, die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner abzulehnen, ist das Rechtsmittel nicht statthaft, da das FamFG - auch in Verbindung mit der ZPO - ein solches Rechtsmittel nicht eröffnet.

Nach § 1 FamFG findet selbiges Anwendung auf Familienverfahren, wobei § 111 Nr. 1 FamFG auch Ehesachen hierzu zählt. Nach § 113 I 1 FamFG finden diverse Vorschriften des Allgemeinen Teils des FamFG keine Anwendung; nach § 113 I 2 FamFG gelten (stattdessen) die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend, also die §§ 1- 494a ZPO. Einen sonstigen Verweis auf Erkenntnis- und Rechtsmittelverfahrensvorschriften der ZPO enthält das FamFG für Ehe- und Familienstreitsachen nur in § 117 FamFG in Bezug auf die Ausgestaltung der Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG. Eine ausdrückliche Verweisung auf § 567 I Nr. 2 ZPO, wonach die sofortige Beschwerde in den Fällen eröffnet ist, in denen erstinstanzlich ein das Verfahren betreffendes Gesuch (Bewilligung der öffentlichen Zustellung, vergl. Zöller-Stöber, § 567 ZPO, Rz. 5) in einer eine mündliche Verhandlung nicht erfordernden Weise zurückgewiesen wurde, enthält das FamFG nicht.

Insofern ist auch keine Analogie geboten; es fehlt bereits an einer Regelungslücke (so bereits Senatsbeschluss vom 12.12.2012, 4 WF 183/12, www.hefam.de).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das FamFG - mit Ausnahme der Stellen, die eine entsprechende Anwendung der §§ 567ff. ZPO ausdrücklich vorsehen, z.B. §§ 6 II, 21 II, 76 II FamFG - Rechtsmittel gegen gerichtliche Zwischenentscheidungen nicht vorsieht. Zwar werden diese Vorschriften nach § 113 I FamFG weitestgehend durch Vorschriften der ZPO verdrängt, durch die genannte beschränkte Verweisung auf die §§ 1 - 494a ZPO erfolgt jedoch zunächst nur eine Substitution der Verfahrens-, nicht der Rechtsmittelvorschriften. Für Letzteres enthalten die in § 113 I 2 FamFG in Bezug genommenen ZPO-Vorschriften eigene Anknüpfungspunkte, z.B. §§ 46 II, 91a II, 99 II, 127, 252 ZPO, die eine Anfechtbarkeit mittels der sofortigen Beschwerde zulassen. Dies betrifft somit die Regelung des § 567 I Nr. 1 ZPO. Obgleich in § 113 I 2 FamFG nicht die Geltung der §§ 567ff. ZPO in diesen Fällen angeordnet wird, ist hierin ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu erblicken. Der BGH (NJW 2011, S. 2434 ff., Rz. 8 f.) dazu folgendes ausgeführt:

"... Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG sind in Familienstreitsachen (hier: Unterhaltssache nach §§ 112 Nr. 1, 231 Nr. 1 FamFG) die Vorschriften des FamFG über die Verfahrenskostenhilfe (§§ 76 bis 78 FamFG) nicht anzuwenden. Statt dessen gelten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Allgemeinen Vorschriften der ZPO, mithin auch die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe, welche allerdings nach § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG als Verfahrenskostenhilfe zu bezeichnen ist.

Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet gegen andere als die Prozesskostenhilfe bewilligende Entscheidungen die sofortige Beschwerde statt. Zwar mangelt es an einer Verweisung auf die zugehörigen Vorschriften über die sofortige Beschwerde nach §§ 567 bis 572 ZPO, die im FamFG nicht vorgesehen ist. Hierbei handelt es sich jedoch ersichtlich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Denn dieser wollte die Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensmaximen der Zivilprozessordnung unterstellen als die übrigen Familiensachen. Selbst in den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden aber nach § 76 Abs. 2 FamFG im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe die §§ 567 bis 572 ZPO entsprechende Anwendung. Die sofortige Beschwerde richtet sich demnach im Hinblick auf die Verfahrenskostenhilfe für Familienstreitsachen ebenfalls nach den §§ 567 bis 572 ZPO (so im Ergebnis auch OLG Schleswig FamRZ 2011, 131 juris Rn. 4; OLG Saarbrücken Beschluss vom 28. April 2010 - 9 WF 41/10 - juris Rn. 12). ..."

Dem schließt sich der Senat an.

Allerdings begründet der BGH die Anwendbarkeit der §§ 567 ff. ZPO in den Fällen der §§ 113 I 2 FamFG, 567 I Nr. 1 ZPO ausdrücklich damit, dass der Gesetzgeber Ehe- und Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensmaximen der ZPO unterstellen wollte und ein Gleichklang im Rechtsmittelsystem zwischen nichtstreitigen Familiensachen einerseits und Ehe- bzw. Familienstreitsachen andererseits hergestellt werden sollte. Dies führt jedoch nur dann zur Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde, wenn diese in den von § 113 I 2 FamFG in Bezug genommen ZPO-Normen so ausdrücklich vorgesehen ist und auch in vergleichbaren Verfahrenssituationen nichtstreitiger Familiensachen ein Rechtsmittel eröffnet ist (vergl. z.B. § 6 II FamFG <-> § 46 II ZPO, § 21 II FamFG <-> § 252 ZPO, § 76 II FamFG <-> § 127 II ZPO, §§ 91a II, 99 II ZPO <-> §§ 58ff. FamFG).

Jedoch begründet nach Ansicht des Senats allein das Unterstellen der Ehesachen unter die Verfahrensmaximen der ZPO nicht, der Gesetzgeber habe ohne ausdrückliche Nennung und ohne entsprechende Andeutung in § 113 I 2 FamFG auch die sofortige Beschwerde nach § 567 I Nr. 2 ZPO eröffnen wollen. Denn das Rechtsmittelsystem gegen Entscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen richtet sich nach § 113 I 1 FamFG primär nach den §§ 58 ff. FamFG und nur sekundär - über die genannten Verweisungen - nach den §§ 567 ff. ZPO. Außerdem ist auch die Statthaftigkeit einer solchen sofortigen Beschwerde nicht aus dem Gleichklang der Rechtsmittelsysteme in streitigen und nichtstreitigen Familiensachen geboten, da auch in den reinen FamFG-Verfahren eine dem § 567 I Nr. 2 ZPO vergleichbare Beschwerdemöglichkeit nicht gegeben ist. Dies gilt auch in Zustellungsfragen, da das FamFG in den Nichtstreitsachen in § 15 FamFG ein eigenes Anfechtungsrecht von Zwischenentscheidungen nicht eröffnet und es dort in Absatz 2 Satz 2 mit einem Verweis auf die §§ 166 bis 195 ZPO sein Bewenden hat, ohne auch die sofortige Beschwerde wie in den §§ 6 II, 21 II, 76 II FamFG zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 I 2 FamFG, 97 I ZPO. Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 42 FamGKG und bemisst sich nach einem Bruchteil des Hauptsachewertes (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.05.1999 - 5 W 4/99; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16, Stichwort: "öffentliche Zustellung").

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf den §§ 70 II Nr. 2 FamFG, 574 II Nr. 2 ZPO.

Die Verfahrenskostenhilfeentscheidung beruht auf den §§ 113 I 2 FamFG, 114 ff. ZPO und berücksichtigt, dass die Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren - auch unter Beachtung ihres Schonvermögens - infolge des erstinstanzlich angegebenen und am 22.03.2014 in Bezug genommenen Kontoguthabens nicht bedürftig ist.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht -Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge),
2. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, vertreten lassen.

Diehl Schmidt Dr. Fritzsche