OLG Frankfurt vom 14.09.2018 (4 WF 29/18)

Stichworte: Verfahrenskostenhilfebewilligung, Änderung, Erwerbstätigenfreibetrag
Normenkette: ZPO 120a
Orientierungssatz:
  • Zu den abzugsfähigen Belastungen im Sinne des § 120a Abs. 2 S. 3 ZPO, deren Wegfall eine Abänderung der Verfahrenskostenhilfebewilligung begründen kann, zählt auch der Erwerbstätigenfreibetrags nach§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b) ZPO. Fällt er weg, ist zu prüfen, ob die damit gewöhnlich einher gehende Verringerung des Einkommens im Ergebnis zu einer wesentlichen Änderung der für die Verfahrenskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse führt. Eine wesentliche Änderung ist dabei stets dann anzunehmen, wenn ein Beteiligter, dem bisher ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt war, nun in Folge der Einkommensänderungen zur Zahlung von Monatsraten im Stande ist.
  • 21 F 716/13
    AG Alsfeld

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 13.07.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Alsfeld vom 5.7.2017 am 14. September 2018 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde abgeändert und um folgenden Satz ergänzt:

    Die Ratenzahlungspflicht ist befristet bis zum 31.12.2017.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht bewilligte der Antragsgegnerin für die zwischen den Beteiligten rechtshängig gewesene Ehesache auf ihren Antrag vom 10.3.2014 hin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe. Auf die mit dem Antrag vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird Bezug genommen.

    Im Rahmen der Überprüfung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe legte die mittlerweile arbeitslos gewordene Antragsgegnerin eine am 11.5.2017 beim Amtsgericht eingegangene erneute Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

    Obwohl das Einkommen der Antragsgegnerin gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gesunken war, änderte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Bewilligung vom 20.8.2014 mit dem angefochtenen Beschluss vom 5.7.2017 ab und setzte - ausgehend von einem einzusetzenden Einkommen von 20,60 Euro - mit Wirkung ab 1.9.2017 monatliche Ratenzahlungen von 10,- Euro fest. Auf die im Aktendeckel befindliche, der Antragsgegnerin vorab mit Schreiben vom 17.5.2017 übersandte Berechnung des einzusetzenden Einkommens, die keinen Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b) ZPO berücksichtigt und deshalb trotz gesunkenen Nettoeinkommens zu einem erhöhten einzusetzenden Einkommen führt, wird Bezug genommen.

    Mit ihrer am 13.7.2017 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die erfolgte Abänderung. Zur Begründung führt sie aus, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich sogar verschlechtert. Außerdem seien die Ausgaben für Strom, Telefon und Haftpflichtversicherung nicht berücksichtigt worden.

    Mehrere ihr gesetzte Fristen zur Vorlage von Belegen für die in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angegebenen Haftpflichtversicherungsbeiträge hat die Antragsgegnerin verstreichen lassen, obwohl sie auf die Folgen einer unterbleibenden Glaubhaftmachung der geltend gemachten Belastungen hingewiesen worden war.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.2.2018 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    Der zuständige Einzelrichter des Senats hat die Entscheidung über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Abänderbarkeit von Verfahrenskostenhilfebewilligungen im Falle des Wegfalls des Erwerbstätigenfreibetrags bei gleichzeitiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen mit Beschluss vom heutigen Tage auf den Senat übertragen.

    II.

    Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache lediglich insoweit begründet, als ab Januar 2018 an Stelle des berücksichtigten Grundfreibetrags von 473,- Euro gemäß Prozesskostenhilfebekanntmachung 2017 der Grundfreibetrag von 481,- Euro gemäß Prozesskostenhilfebekanntmachung 2018 in Ansatz zu bringen ist. Damit ist ein Absinken des vom Amtsgericht im Übrigen zutreffend berechneten einzusetzenden monatlichen Einkommens unter den Betrag von 20,- Euro verbunden, was gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO, der hier wie alle im Folgenden genannten Vorschriften der ZPO über § 113 Abs. 1 FamFG Anwendung findet, zu einem Wegfall der Ratenzahlungspflicht führt.

    § 120a Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach eine Änderung des Grundfreibetrags nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen ist, wenn sie zu einem Wegfall der Ratenzahlungsverpflichtung führt, steht der Berücksichtigung der zum 1.1.2018 erfolgten Anhebung des Grundfreibetrags im Rahmen der vorliegenden Beschwerdeentscheidung nicht entgegen. Die Vorschrift schränkt die Prüfungs- und Abänderungsbefugnis des Gerichts nur für die Fälle ein, in denen sich eine Abänderung der Verhältnisse lediglich aus der zwischenzeitlichen Anhebung der Grundfreibeträge bzw. Erwerbstätigenfreibeträge ergibt. Im Rahmen einer von Amts wegen eingeleiteten Prüfung einer Abänderung wegen anderer Veränderungen sind hingegen auch zwischenzeitliche Änderungen der Freibeträge zu berücksichtigen (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 7. Aufl. 2014, § 7, Rdnr. 398, Fußnote 108 m.w.N.). Für die vom Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz zu treffende Beschwerdeentscheidung bedeutet dies im Hinblick auf §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass auch etwaige während des Beschwerdeverfahrens erfolgte Änderungen der maßgeblichen Freibeträge zu berücksichtigen sind.

    Im Übrigen, also hinsichtlich der für den Zeitraum von September bis einschließlich Dezember 2017 festgesetzten Raten, ist die Beschwerde in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen.

    Nach § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Verfahrenskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Bezieht ein Beteiligter ein laufendes Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung gemäß § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100,- Euro übersteigt. Dies gilt gemäß § 120a Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen.

    Zu den von § 120a Abs. 2 Satz 3 ZPO erfassten abzugsfähigen Belastungen rechnen sämtliche der in § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO aufgeführten Abzugsposten und damit auch der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b) ZPO. Eine Beschränkung der unter § 120a Abs. 2 Satz 3 ZPO fallenden abzugsfähigen Belastungen, welche dazu führen würde, dass ein Wegfall des Erwerbstätigenfreibetrags keine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu begründen vermag, lässt sich weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 17/11472 S. 33 f.). Vielmehr ist im Falle des Wegfalls des Erwerbstätigenfreibetrags zu prüfen, ob die damit gewöhnlich einher gehende Verringerung des Einkommens im Ergebnis zu einer wesentlichen Änderung der für die Verfahrenskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse führt. Eine wesentliche Änderung ist dabei stets dann anzunehmen, wenn ein Beteiligter, dem bisher ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt war, nun in Folge der Einkommensänderungen zur Zahlung von Monatsraten im Stande ist (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 7. Aufl. 2014, § 7, Rdnr. 390 m.w.N.).

    Im vorliegenden Fall ist in Folge der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin der für die Verfahrenskostenhilfebewilligung maßgebliche Erwerbstätigenfreibetrag von 206,- Euro gemäß der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2014 und damit eine abzugsfähige Belastung von mehr als 100,- Euro weggefallen. Der Wegfall des Erwerbstätigenfreibetrags führt auch unter Berücksichtigung des verringerten Einkommens nach der zutreffenden Berechnung des Amtsgerichts dazu, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2017 über ein einzusetzendes Einkommen von 20,60 Euro verfügte, aus welchem sich gemäß § 115 Abs. 2 ZPO für das Jahr 2017 eine monatlich zu zahlende Rate von 10,- Euro ergibt.

    Die Höhe der erstmals mit der Beschwerde geltend gemachten Beiträge zu einer privaten Haftpflichtversicherung hat die Beschwerdeführerin trotz Fristsetzung weder beziffert noch glaubhaft gemacht, weshalb sie gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO unberücksichtigt bleiben.

    Die bei der Beschwerdeführerin festgestellte Behinderung erfüllt die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs nach §§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO, 21 SGB II, 30 SGB XII nicht.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 574 Abs. 2 ZPO und erfolgt im Hinblick darauf, dass bislang keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zu der Frage vorliegt, ob der Wegfall des Erwerbstätigenfreibetrags bei gleichzeitiger Verringerung des Einkommens zur erstmaligen Anordnung einer Ratenzahlungspflicht nach § 120a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO führen kann.

    Die Entscheidung über die Ermäßigung der für das Beschwerdeverfahren anfallenden Gerichtsgebühren folgt aus §§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG in Verbindung mit Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG). Sie entspricht im Hinblick auf das teilweise Obsiegen des Beschwerdeführers billigem Ermessen.

    Diehl Dr. Kischkel Schmidt