OLG Frankfurt vom 12.02.2015 (4 WF 209/14)

Stichworte: Ergänzungspfleger, Rechtsanwalt, Vergütung, Wahlrecht, Gebührenrecht, Zeitaufwand, Umsatzsteuer, Vergütungsfestsetzung, Rechtsanwalt, Ergänzungspfleger, Wahlrecht, Gebührenrecht, Zeitaufwand, Umsatzsteuer;
Normenkette: BGB 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1, 1835 Abs. 3; VBVG 4 Abs. 1, UStG 4 Nr. 25 Satz 3 c), MwStSystRL Art. 132 Teil A Abs. 1 g) und h);
Orientierungssatz:
  • Erbringt ein zum berufsmäßigen Ergänzungspfleger bestellter Rechtsanwalt für den Pflegling über die bloße Amtsausübung hinausgehende berufsspezifische Dienste, steht ihm ein Wahlrecht zwischen der Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. den Bestimmungen des RVG) und der Vergütung nach Zeitaufwand (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG) zu, und zwar unabhängig davon, ob ihm im Falle der Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht lediglich eine Vergütung nach Beratungs- oder Prozesskostenhilfesätzen zustehen würde. Das Wahlrecht kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung ausgeübt werden.
  • Rechnet ein zum berufsmäßigen Ergänzungspfleger eines mittellosen Pfleglings bestellter Rechtsanwalt mit der Staatskasse nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nach Zeitaufwand ab, fällt auf die festgesetzte Vergütung keine Umsatzsteuer an, weshalb ihm eine solche auch nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VBVG zu ersetzen ist. Dies gilt im Hinblick auf Art. 132 Teil A Abs. 1 g) und h) MwStSystRL und die hierzu ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 25.4.2013, V R 7/11, auch für Leistungen, die der Ergänzungspfleger vor Inkrafttreten des § 4 Nr. 25 Satz 3 c) UStG zum 1.7.2013 erbracht hat.
  • 465 F 11280/12
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 19.08.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 14.08.2014 am 12. Februar 2015 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die der Ergänzungspflegerin für das Führen der Pflegschaft aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird festgesetzt auf 575,08 Euro. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Ihre durch die Beschwerde verursachten Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Mit einstweiliger Anordnung vom 10.7.2012 bestellte das Amtsgericht dem betroffenen, als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland eingereisten Minderjährigen für den Aufgabenkreis der ausländer- und asylrechtlichen Betreuung die im Rubrum aufgeführte Rechtsanwältin als Ergänzungspflegerin und stellte fest, dass diese die Pflegschaft berufsmäßig führt. Die Verpflichtung durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts erfolgte am 23.7.2012. Für die Personensorge im Übrigen war das zuständige Jugendamt zum Pfleger bestellt worden.

    Mit Kostennote vom 21.3.2013 beantragte die Ergänzungspflegerin beim Amtsgericht für ihr Tätigwerden im ausländer- und asylrechtlichen Verfahren die Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung von 518,84 Euro nach dem RVG. Wegen der Zusammensetzung der geltend gemachten Vergütung wird auf das Schreiben vom 21.3.2013, Bl. 35 der Akte, Bezug genommen.

    Nach Eintritt der Volljährigkeit des mittelosen Pfleglings und der damit einhergehenden Beendigung der Pflegschaft erinnerte die Ergänzungspflegerin an ihren Festsetzungsantrag. Nach erfolgtem Hinweis des Rechtspflegers auf die Beschränkung der dem Anwaltspfleger nach dem RVG zustehenden Vergütung auf die Beratungshilfesätze beantragte die Ergänzungspflegerin mit Schreiben vom 27.6.2014, beim Amtsgericht eingegangen am 30.6.2014, die Festsetzung einer am Zeitaufwand orientierten Vergütung von 1.055,25 Euro (= 31,5 Stunden x 33,50 Euro) zzgl. 200,50 Euro Umsatzsteuer. Auf das Schreiben vom 27.6.2014, Bl. 43 ff. der Akte, wird ebenfalls Bezug genommen.

    Nachdem der Rechtspfleger einen Betrag von 1.055,25 Euro zur Auszahlung gebracht hatte, beantragte die Bezirksrevisorin beim Amtsgericht mit als "Beschwerde" bezeichnetem Schreiben vom 7.8.2014 die förmliche Festsetzung der Vergütung der Ergänzungspflegerin. Der Rechtspfleger setzte die der Ergänzungspflegerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.8.2014 auf 1.055,25 Euro fest und führte zur Begründung aus, die Umstellung auf eine Abrechnung nach Zeitaufwand nach § 1836 Abs. 1 BGB sei zulässig, weil über den Antrag auf Abrechnung nach anwaltlichem Gebührenrecht im Zeitpunkt der Umstellung noch nicht entschieden gewesen sei. Der Anspruch auf Vergütung des Zeitaufwands für die im Zeitraum vom 19.1.2013 bis zum 14.4.2014 erbrachten Tätigkeiten sei auch nicht teilweise nach § 2 VBVG erloschen; insoweit sei der Vergütungsantrag vom 21.3.2013 als fristwahrend anzusehen.

    Mit Schreiben vom 19.8.2014, beim Amtsgericht eingegangen spätestens am 25.8.2014, hat die Bezirksrevisorin erklärt, die Beschwerde vom 7.8.2014 erstrecke sich auf den Festsetzungsbeschluss vom 14.8.2014.

    Sie vertritt die Auffassung, die festzusetzende Vergütung sei auf die Beratungshilfesätze und damit auf 99,96 Euro zzgl. 90,20 Euro Reisekosten zu beschränken. Die Ergänzungspflegerin habe das ihr zustehende Wahlrecht zwischen einer Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht und einer Vergütung nach Zeitaufwand mit dem Schreiben vom 21.3.2013 ausgeübt und müsse sich hieran festhalten lassen. Im Übrigen treffe die Ergänzungspflegerin im Rahmen der Pflicht zur kostensparenden Amtsführung ohnehin eine Obliegenheit, die Belastung der Allgemeinheit mit Vergütungsansprüchen so gering wie möglich zu halten und - soweit möglich - Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Wahlrecht zwischen einer Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht und einer Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern sei daher gar nicht gegeben. In jedem Fall sei der Vergütungsanspruch aber teilweise erloschen. Der Antrag auf Festsetzung einer Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht reiche zur Fristwahrung nicht aus, weil er keine prüffähigen Angaben zum zu vergütenden Zeitaufwand enthalte.

    Die Ergänzungspflegerin ist der Beschwerde entgegen getreten. Sie hat ihren Festsetzungsantrag allerdings auf Hinweis des Berichterstatters des Senats insoweit zurückgenommen, als sie nunmehr für die von ihr im Rahmen der Pflegschaft vor dem 30.3.2013 erbrachten Tätigkeiten keine Vergütung mehr verlangt. Sie beantragt nunmehr noch die Festsetzung einer Vergütung von 575,08 Euro zzgl. 109,27 Euro Umsatzsteuer für den vom 30.3.2013 bis zur Volljährigkeit des Pfleglings angefallenen Zeitaufwand von 1.030 Minuten. Sie ist der Auffassung, die von ihr im Rahmen der Pflegschaft erbrachte anwaltliche Tätigkeit unterliege der Umsatzsteuerpflicht unabhängig davon, ob sie nach anwaltlichem Gebührenrecht oder nach den Vorschriften des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern abrechne. Sie beruft sich insoweit auf eine ihr diesbezüglich vom Finanzamt Frankfurt am Main II erteilte unverbindliche Auskunft vom 30.9.2014, Bl. 71f. der Akte.

    Die Bezirksrevisorin verweist für den Fall der Zulässigkeit einer Abrechnung nach Zeitaufwand auf die sich aus § 4 Nr. 25 Satz 3 c) UStG ergebende Umsatzsteuerbefreiung.

    II.

    Die zulässige Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    Die Festsetzung ist abzuändern, soweit die Ergänzungspflegerin ihren Antrag auf Festsetzung einer Vergütung vor dem 30.3.2013 erbrachter Tätigkeiten wegen des Erlöschens des diesbezüglichen Vergütungsanspruchs zurückgenommen und auf die Vergütung eines Zeitaufwands von 1030 Minuten im Zeitraum vom 30.3.2013 bis zum Eintritt der Volljährigkeit beschränkt hat. Dieser hinsichtlich seines Umfangs und seiner Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitige Zeitaufwand ist nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG mit einem Stundesatz von 33,50 Euro und damit insgesamt mit dem nunmehr geltend gemachten Betrag von 575,08 Euro zu vergüten.

    Dem Vergütungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Aufgabenkreis der ausländer- und asylrechtlichen Vertretung neben der Bestellung des Jugendamts als Amtsvormund - oder wie hier als Amtspfleger für die Personensorge - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich unzulässig ist (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1206). Die fehlerhafte Anordnung einer solchen Ergänzungspflegschaft hindert nämlich weder das Wirksamwerden der Ergänzungspflegerbestellung noch das Entstehen von Vergütungsansprüchen des wirksam bestellten Ergänzungspflegers (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 - XII ZB 57/13, FamRZ 2014, 472, Rdnr. 6).

    Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist der Vergütungsanspruch einer als Berufsergänzungspflegerin mit dem Aufgabenkreis der ausländer- und asylrechtlichen Vertretung bestellten Rechtsanwältin auch nicht auf die Geltendmachung der Beratungshilfesätze als Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB i.v.m. den gebührenrechtlichen Bestimmungen des RVG beschränkt.

    Es kann dabei dahingestellt bleibt, ob die als Ergänzungspflegerin für die Vertretung des Pfleglings im ausländer- und asylrechtlichen Verfahren bestellte Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit im Verwaltungsverfahren überhaupt einen Aufwendungsersatz nach anwaltlichem Gebührenrecht geltend machen kann. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass die erledigte Aufgabe über die bloße - nach § 4 Abs. 1 VBVG zu vergütende - Amtsausübung im Rahmen des übertragenen Aufgabenkreises hinausgeht und sich als für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Aufgabe darstellt, für die ein Pfleger ohne entsprechende Qualifikation berechtigterweise die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen hätte (vgl. eingehend Münchner Kommentar/Wagenitz, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1835, Randnummer 39 ff.; zum Anwaltsbetreuer BGH, FamRZ 2007, 381 = NJW 2007, 844; für den Anwaltspfleger mit dem Aufgabenkreis der Vertretung in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten letztlich offen gelassen in BGH, FamRZ 2014, 472). Ob von einer über die bloße Amtsausübung hinausgehenden berufsspezifischen Tätigkeit im Falle der Vertretung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings im ausländer- und asylrechtlichen Verwaltungsverfahren durch die eigens hierfür bestellte Ergänzungspflegerin ausgegangen werden kann, erscheint zumindest fraglich.

    Jedenfalls steht der zur Berufsergänzungspflegerin bestellten Rechtsanwältin aber auch im Falle der Annahme eines Aufwendungsersatzanspruchs nach anwaltlichem Gebührenrecht ein Wahlrecht zwischen diesem Anspruch und dem nach Zeitaufwand bemessenen Vergütungsanspruch des § 4 Abs. 1 VBVG zu (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2013 - XII ZB 57/13, FamRZ 2014, 472, Rdnr. 20; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 7.2.2013 - 6 UF 169/11, juris; Beschl. v. 3.2.2011 - 2 WF 457/1, juris; Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1835, Randnummer 13). Eine dahingehende Einschränkung des sich aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V. m. § 4 Abs. 1 VBVG ergebenden und auf die besonderen Kenntnisse des Pflegers abstellenden Vergütungsanspruchs, dass ein Pfleger für die Erbringung berufsspezifischer Dienste im Rahmen der Pflegschaft nur den Aufwendungsersatzanspruch nach § 1835 Abs. 3 BGB geltend machen darf, wenn dieser den Vergütungsanspruch nach § 4 Abs. 1 VBVG unterschreitet, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des VBVG klargestellt, dass die Tätigkeit von berufsmäßigen Pflegern jedenfalls mit den dort genannten Stundesätzen zu vergüten ist, und zwar auch im Falle der Erbringung berufsspezifischer Dienste im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB.

    An der Geltendmachung der ihr nach dem Vormundschaftsrecht zustehenden Vergütung ist die Ergänzungspflegerin auch nicht deshalb gehindert, weil sie mit Kostennote vom 31.3.2013 zunächst einen Aufwendungsersatz nach anwaltlichem Gebührenrecht geltend gemacht hat. Zum Einen kann in der Geltendmachung der Wahlanwaltsgebühren schwerlich eine Ausübung des eingeräumten Wahlrechts zu Gunsten der deutlich niedrigeren Beratungshilfesätze erblickt werden. Zum Anderen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, weshalb eine Änderung der getroffenen Wahl vor Eintritt der Rechtskraft der Festsetzung nach § 168 Abs. 1 und 5 FamFG unzulässig sein sollte

    Entgegen der Auffassung der Ergänzungspflegerin ist für die in Höhe von 575,08 Euro festzusetzende Vergütung allerdings keine hierauf entfallende Umsatzsteuer zu ersetzen.

    Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VBVG ist dem berufsmäßigen Pfleger zwar auch die auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu ersetzen. Eine solche fällt im vorliegenden Fall jedoch nicht an und ist bislang offensichtlich auch nicht festgesetzt worden.

    Nach dem zum 1.7.2013 in Kraft getretenen § 4 Nr. 25 Satz 3 c) UStG sind Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 BGB oder als Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellt worden sind, von der Umsatzsteuer befreit, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1835 Abs. 3 BGB vergütet werden. Mit § 4 Nr. 16 Satz 1 k) UStG trat zum 1.7.2013 eine entsprechende Regelung in Kraft für Einrichtungen, die nach § 1896 Abs. 1 BGB als Betreuer bestellt worden sind. Die entsprechenden Änderungen des UStG durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRUmsG vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1809, BStBl 2013 I S. 802) dienten der Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 g) und h) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 - Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL, ABl. Nr. L 347 S. 1, ber. ABl. Nr. L 335 S. 60), wonach die Mitgliedsstatten der Europäischen Union Dienstleistungen von der Steuer befreien, die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung, der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, einschließlich derjenigen Dienstleistungen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Eine entsprechende Steuerbefreiung sah bereits Art. 13 Teil A Abs. 1 g) und h) der Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer vom 17.5.1977 (ABl. Nr. L 145 S. 1, ber. Nr. L 157 S. 23, Nr. L 173 S. 27, Nr. L 242 S. 22 und Nr. L 262 S. 44) vor.

    Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass Einrichtungen im Sinne der vorgenannten Bestimmungen unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl juristische als auch natürliche Personen sein können (vgl. EuGH, Urt. V. 10. 9. 2002 - C-141/00, DStRE 2002, 1996 = BeckRS 2004, 74389).

    Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 25.4.2013 entschieden, dass es sich bei einem gerichtlich bestellten Berufsbetreuer um eine anerkannte Einrichtung der Sozialfürsorge im Sinne der Art 13 Teil A Abs. 1 g) der Richtlinie 77/388/EWG und des Art 132 Abs. 1 g) MwStSystRL handelt und dass sich ein Berufsbetreuer unmittelbar auf die sich aus diesen Bestimmungen ergebende Umsatzsteuerfreiheit der vom ihm erbrachten Betreuungsleistungen berufen kann (BFH, Urt. v. 25.4.2013 - V R 7/11, DStZ 2013, 605, juris).

    Die Betreuung nach § 1896 BGB und die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB unterscheiden sich hinsichtlich ihres sozialen Charakters nicht. Die Betreuung dient der Fürsorge für Volljährige, die ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr eigenständig besorgen können. Die Ergänzungspflegschaft dient der Fürsorge für Minderjährige, deren Eltern oder deren Vormund die elterliche Sorge in Teilbereichen nicht wahrnehmen können oder dürfen. Sowohl der Betreuer als auch der Ergänzungspfleger sind von Gesetzes wegen gehalten, den Betreuten bzw. Pflegling so zu vertreten, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. zur Einordnung von Betreuungsleistungen als Leistungen der Sozialfürsorge ausführlich BFH, Urt. V. 17.2.2009 - XI R 67/06, BFHE 224, 183).

    Das Bundesfinanzministerium hat vor diesem Hintergrund mit Erlass vom 22.11.2013 - IV D 3-S 7172/13/10001, 2013/1007334 (juris), klargestellt, dass der Begriff "Einrichtungen" unabhängig von der Organisationsform des Leistungserbringers sowohl juristische als auch natürliche Personen erfasst und dass sich nach § 1909 BGB gerichtlich bestellte Ergänzungspfleger für die vor Inkrafttreten des § 4 Nr. 25 Satz 3 c) UStG erbrachten Leistungen unmittelbar auf die aus Art. 132 Abs. 1 h) MwStSystRL ergebende Steuerbefreiung berufen können. Es hat ferner klargestellt, dass die vor dem 1.7.2013 erbrachten Leistungen, die nach § 1835 Abs. 3 BGB vergütet werden, nicht unter die Steuerbefreiung fallen.

    Auf Grund der dargestellten Rechtslage und der eindeutigen Verwaltungsvorschrift der Finanzverwaltung kann nicht damit gerechnet werden, dass die Ergänzungspflegerin auf die hier festgesetzte Vergütung Umsatzsteuer entrichten muss, weil sie keinen Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB geltend macht. Soweit das zuständige Finanzamt im Rahmen einer unverbindlichen Auskunft eine gegenteilige Rechtsaufassung geäußert hat, wird die Ergänzungspflegerin eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung - sollte sie denn tatsächlich erfolgen - gegebenenfalls gerichtlich anfechten müssen. Der erteilten Auskunft lässt sich entnehmen, dass bei Abfassung der Auskunft weder der Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 22.11.2013 berücksichtigt wurde noch zwischen der Vergütung nach § 1836 Abs. 1 BGB und dem Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB unterschieden wurde. Die Pflegervergütung nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB ist gemäß § 4 Nr. 25 Satz 3 c) UStG bzw. Art. 132 Teil A Abs. 1 g) und h) MwStSystRL auch dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn der Pfleger alternativ Aufwendungsersatz nach anwaltlichem Gebührenrecht verlangen könnte.

    Es bleibt daher bei der Festsetzung des oben genannten Betrags von 575,08 Euro.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG i.V.m. Ziffer 1912 KV FamGKG. Im Hinblick auf den nur teilweisen Erfolg der Beschwerde und die ohnehin bestehende Gerichtskostenfreiheit der Staatkasse entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen. Die Anordnung einer wechselseitigen Erstattung der durch die Beschwerde verursachten Kosten ist im Hinblick auf den Grad des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten ebenfalls nicht angezeigt.

    Wegen der grundsätzlichen Bedeutung sowohl der Frage des Wahlrechts zwischen Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB und Vergütung nach § 1836 Abs. 1 BGB als auch der Frage der Umsatzsteuerpflicht der Vergütung nach § 1836 Abs. 1 BGB ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht -Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

    1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und 2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

    Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

    Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

    1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge), 2. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

    Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, vertreten lassen.

    Diehl Dr. Fritzsche Schmidt