OLG Frankfurt vom 11.09.2012 (4 WF 196/12)

Stichworte: Umgang, Zwangsvollstreckung; Zwangsvollstreckung, Umgang, Beschwerdeverfahren; Beschwerde, Überprüfung, Ermessensentscheidung; Ermessen, Überprüfung, Beschwerdegericht;
Normenkette: FamFG 89, 93 Abs. 1, 64 Abs. 3
Orientierungssatz:
  • 1. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer zu vollstreckenden Umgangsregelung erfolgt im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht. Dies gilt auch für den Fall, dass gegen die zu vollstreckende Umgangsregelung Rechtsmittel eingelegt worden sind, über die noch nicht entschieden worden ist. Eine etwaige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist den hierfür vorgesehenen Verfahren nach §§ 64 Abs. 3 bzw. 93 Abs. 1 FamFG vorbehalten.
  • 2. Eine spätere Einstellung der Zwangsvollstreckung oder eine spätere Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung im Rechtsmittelverfahren hindern im Vollstreckungsverfahren nicht die Ahndung von Verstößen, die vor Wirksamwerden der Einstellung der Zwangsvollstreckung oder der Abänderung begangen worden sind.
  • 3. Auf ein fehlendes Verschulden wegen eines entgegen stehenden Willen des Kindes kann sich der zur Herausgabe des Kindes verpflichtete Elternteil nur berufen, wenn er darlegt, dass der Widerstand des Kindes auch mit dem Alter des Kindes angemessenen erzieherischen Mitteln nicht zu überwinden war. An diese Darlegung sind hohe Anforderungen zu stellen.
  • 4. Im Falle eine schuldhaften Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsregelung verdichtet sich das dem Gericht eingeräumte Ermessen regelmäßig zu einer Pflicht zur Verhängung von Ordnungsmitteln. Deren Auswahl und Bemessung stehen allerdings weiterhin im Ermessen des Gerichts und sind im Beschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung auf Ermessensfehler zugänglich.
  • 5. Da die in § 89 FamFG vorgesehenen Ordnungsmittel nicht nur Straf-, sondern auch Beugecharakter haben, also auf ein künftiges titelkonformes Verhalten hinwirken wollen, ist das Verhalten des gegen die Umgangsregelung verstoßenden Elternteils im Zeitraum zwischen dem Verstoß und der gerichtlichen Entscheidung im Vollstreckungsverfahren bei der Auswahl und Bemessung der Ordnungsmittel zu berücksichtigen.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend die Vollstreckung des Umgangs mit

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Schmidt als Einzelrichter auf vom 19.07.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 28.06.2012 am 11. Setember 2012 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Das gegen die Antragsgegnerin festgesetzte Ordnungsgeld wird auf 30,- Euro, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft, herabgesetzt.

    Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten für den zweiten Rechtszug wird abgesehen. Ihre im zweiten Rechtszug angefallenen Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst.

    Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 1.000,- Euro.

    Gründe:

    I.

    Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen Nichtbefolgung einer gerichtlichen Umgangsregelung.

    Mit Beschluss vom 2.5.2012, Aktenzeichen 6 F 940/11 UG, dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt am 8.5.2012, regelte das Amtsgericht den Umgang zwischen dem Antragsteller und dem bei der Antragsgegnerin lebenden Kind wie folgt:

    * Der Kindesvater ist berechtigt und verpflichtet, den Umgang mit dem gemeinsamen Kind G., geb.am 22.4.2004, wie folgt auszuüben:

    * am 19.5.2012 in der Zeit von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr * vom 2.6.2012 bis 3.6.2012 in der Zeit von samstags 9:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr * an den Enden der Kalenderwochen mit gerader Zahl jeweils freitags von 18:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr, erstmals am 15.6.2012 * an den Dolfeiertagen (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) jeweils am zweiten Feiertag von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr * während der ersten Woche der gesetzlichen hessischen Sommerferien 2012 von freitags, 30.6.2012, 18:00 Uhr, bis sonntags, 8.7.2012, 18:00 Uhr. * während der ersten Hälfte der gesetzlichen hessischen Sommerferien, erstmals im Jahr 2013, jeweils von freitags 18:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr.

    * Fällt der unter Ziffer 1. beschlossene Umgang wegen Erkrankung des Kindes oder sonstigem wichtigen Grund aus, ist der Vater berechtigt, den Umgang mit dem Kind am darauffolgenden bzw. am nächstmöglichen Wochenende nachzuholen. Der 14-tägige Turnus verschiebt sich dadurch nicht.

    * Dem Kindesvater wird aufgegeben, die gemeinsame Tochter zu den in Ziffer 1. genannten Umgangszeiten pünktlich am Bahnhof J. abzuholen und pünktlich wieder dorthin zurückzubringen.

    * Der Kindesmutter wird aufgegeben, die gemeinsame Tochter zu den in Ziffer 1. genannten Umgangszeiten pünktlich zum Bahnhof J. zu bringen und nach Beendigung der Umgangskontakte pünktlich dort wieder in Empfang zu nehmen.

    * Beide Kindeseltern haben sich abfälliger Bemerkungen und jeder wertenden Äußerung über den jeweils anderen Beteiligten in Gegenwart des Kindes zu enthalten, das Kind nicht über das Verhalten des jeweils anderen Beteiligten auszufragen und etwaige Streitigkeiten von dem Kind fernzuhalten.

    * Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus Ziffer 1. - 4. gegen den zuwider handelnden Beteiligten ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000,- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann; verspricht die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg, kann Ordnungshaft angeordnet werden.

    Bereits der erste vom Amtsgericht angeordnete Umgangskontakt am 19.5.2012 fand nicht statt, weshalb der Antragsteller mit Schriftsatz vom 24.5.2012 die Festsetzung eines Ordnungsgelds beantragte. Seinen Bestrafungsantrag hat er anschließend auf die ebenfalls ausgefallenen Umgangskontakte am Pfingstmontag, 28.5.2012, und an den Wochenenden 2.6./3.6.2012 und 15.6. - 17.6.2012 gestützt. Der angeordnete Umgang in der ersten Woche der hessischen Sommerferien hat ebenfalls nicht stattgefunden.

    Vorausgegangen war ein Telefongespräch der Beteiligten am 13.5.2012, in welchem beide auf Wunsch der Antragsgegnerin vereinbart hatten, dass der für 19.5.2012 angeordnete Umgang nicht stattfindet und dass beide Eltern am 2.6.2012 im Rahmen eines Besuchs des Antragstellers bei der Antragsgegnerin gemeinsam mit dem betroffenen Kind das weitere Vorgehen besprechen. Auf das von der Antragsgegnerin vorgelegte, vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogene Wortlautprotokoll des Telefonats vom 13.5.2012, Bl. 50ff. der Akte, wird Bezug genommen. Bereits mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.5.2012 ließ der Antragsgegner dann allerdings mitteilen, dass er doch auf einer Einhaltung der gerichtlich angeordneten Umgangskontakte besteht. Dennoch brachte die Antragsgegnerin das Kind weder am 19.5. noch am 28.5. noch am 2.6./3.6.2012 zum Bahnhof J. Ob der Antragsteller sich an den fraglichen Tagen dorthin begab, ist zwischen den Beteiligten streitig.

    Mit Schreiben vom 12.6.2012 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, sie könne sich vorstellen, Besuchstermine mit ihm gemeinsam zu veranstalten. Er solle ihr kurz schriftlich Bescheid geben, ob das für ihn in Betracht komme. Das Wochenende 16.6./17.6.2012 sei aus terminlichen Gründen leider nicht möglich. Der Antragsteller sah daraufhin von einer Reise nach J. ab.

    Mit Schriftsatz vom 18.6.2012 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht im Hinblick auf die von ihr eingelegte Beschwerde die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 2.5.2012.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.6.2012 verhängte das Amtsgericht gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von 1.000,- Euro, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft für jeweils 100,- Euro, und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Vollstreckungsverfahrens auf. Zur Begründung führte es aus, die Antragsgegnerin habe der vollstreckbaren Umgangsregelung vom 2.5.2012 zuwider gehandelt, indem sie den angeordneten Umgang am 19.5. und am 2.6./3.6.2012 vereitelt habe. Auf einen entgegen stehenden Willen des betroffenen Kindes könne sie sich insoweit nicht berufen, weil nicht ersichtlich sei, mit welchen erzieherischen Mitteln sie auf das Kind eingewirkt habe, um dieses zur Wahrnehmung des Umgangs zu bewegen. Vielmehr habe sie dem Kind die Entscheidung über die Wahrnehmung der Umgangskontakte offenbar freigestellt. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung komme mangels Erfolgsaussicht der eingelegten Beschwerde nicht in Betracht.

    Mit ihrer am 19.7.2012 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den ihrem Bevollmächtigten am 10.7.2012 zugestellten Beschluss begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung des festgesetzten Ordnungsmittels und die Zurückweisung des diesbezüglichen Antrags des Antragstellers. Zur Begründung ihrer Beschwerde führt sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass die Umgangskontakte am 19.5. und 28.5.2012 entfallen und dass die Situation im Rahmen eines gemeinsamen Gesprächs am 2.6.2012 erörtert wird. Das betroffene Kind lehne Übernachtungen beim Antragsteller kategorisch ab, ohne dass sie das Kind insoweit beeinflusst hätte. Wenn die Entscheidung vom 2.5.2012 nun vollstreckt werde, würden Tatsachen geschaffen, welche die gegen die Entscheidung eingelegte Beschwerde zur Makulatur werden ließen. ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung vom 2.5.2012 hat die Antragsgegnerin in der Beschwerdeschrift wiederholt.

    Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegen getreten.

    Das Amtsgericht hat ihr nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung der Nichtabhilfeentscheidung vom 31.7.2012 hat es ausgeführt, es könne zwar davon ausgegangen werden, dass der für den 19.5.2012 angeordnete Umgangstermin einvernehmlich nicht stattfand. Die Antragsgegnerin habe jedoch den Ausfall des Umgangstermins am 2.6./3.6.2012 zu vertreten.

    In dem Verfahren betreffend die Beschwerde gegen die Umgangsregelung vom 2.5.2012 haben die Beteiligten am 3.8.2012 eine gerichtlich gebilligte Vereinbarung über den künftigen Umgang des Antragstellers mit dem betroffenen Kind getroffen. Ein erster Kontakt fand im Anschluss an den gerichtlichen Anhörungstermin am 3.8.2012 statt. Weitere Umgangskontakte wurden für die geraden Kalenderwochen zunächst jeweils samstags von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr und ab spätestens 6.10.2012 von samstags 9:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr vereinbart. Die Vereinbarung früherer Übernachtungen auf Wunsch des Kindes behielten sich die Beteiligten vor. Der Umgang zwischen Vater und Kind findet seit dem 3.8.2012 vereinbarungsgemäß statt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 ZPO). In der Sache ist sie teilweise begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

    § 89 FamFG stellt im Falle eines schuldhaften Zuwiderhandelns gegen eine vollstreckbare Umgangsregelung sowohl die Verhängung von Ordnungsmitteln als auch deren Auswahl und Bemessung in das Ermessen des Gerichts. Das dem Gericht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens eingeräumte Ermessen verdichtet sich im Falle einer schuldhaften Umgangsvereitelung durch den pflichtigen Elternteil allerdings regelmäßig zu einer Pflicht zur Verhängung von Ordnungsmitteln.

    Eine erneute Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht statt. Auch wenn der Umgangstitel wegen der jederzeitigen Abänderbarkeit nicht in materielle Rechtskraft erwächst, bedarf ein vollstreckbarer Umgangstitel einer effektiven Durchsetzungsmöglichkeit. Im Rahmen der Anordnung eines Ordnungsmittels wegen Zuwiderhandlung gegen eine Regelung des Umgangs ist somit von der Prüfung des Kindeswohls im Erkenntnisverfahren auszugehen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch BGH, Beschluss vom 1.2.2012, XII ZB 188/11, FamRZ 2012, 533; OLG Schleswig, FamRZ 2012, 151; Feskorn in Zöller, § 89 FamFG, Rdnr. 5; Stößer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 1. Auflage, 2009, § 89 Rdnr. 9; Giers in Keidel, § 89, Rdnr. 6, jeweils unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/9733 S.292). Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung erfolgt daher nur in Ausnahmefällen, beispielsweise wenn die Beteiligten sich zwischenzeitlich auf eine abweichende Umgangsregelung verständigt hatten, der Umgangsberechtigte zwischenzeitlich auf eine Vollstreckung verzichtet hatte oder wenn der titulierte Umgang offenkundig mit einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB verbunden wäre.

    Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung erfolgt im Vollstreckungsverfahren im Übrigen auch dann nicht, wenn diese im Wege der Beschwerde angefochten worden ist. Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Vollstreckbarkeit einer mit ihrer Zustellung an die Verfahrensbeteiligten wirksamen und vollstreckbaren gerichtlichen Umgangsregelung nicht (§§ 86 Abs. 2, 87 Abs. 2, 40 Abs. 1, 41 Abs. 1 FamFG). Eine etwaige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über die Beschwerde bleibt den Verfahren nach §§ 64 Abs. 3 bzw. 93 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorbehalten.

    Wegen des strafähnlichen Sanktionscharakters der in § 89 FamFG vorgesehenen Ordnungsmittel (vgl. insoweit BT-Drs. 16/6308 S. 218; Feskorn in Zöller, § 89 FamFG, Rdnr. 1, 6 und 13) führen allerdings weder eine spätere Einstellung der Zwangsvollstreckung noch eine spätere Abänderung des angefochtenen Entscheidung im Beschwerdeverfahren dazu, dass vor dem Wirksamwerden der Einstellung oder der Abänderung begangene Verstöße gegen den Umgangstitel nicht mehr geahndet werden können. Wegen des den Ordnungsmitteln des § 89 FamFG gleichzeitig innewohnenden Beugecharakters, also der damit beabsichtigten Sicherstellung eines künftigen titelkonformen Verhaltens, sind eine spätere Einstellung der Zwangsvollstreckung oder eine spätere Abänderung jedoch im Rahmen des dem Gericht bei der Auswahl und Bemessung der zu verhängenden Ordnungsmittel eingeräumten Ermessens ebenso zu berücksichtigen wie eine spätere Befolgung der zu vollstreckenden Entscheidung.

    Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe muss im vorliegenden Fall im Ergebnis von einem Verstoß der Antragsgegnerin gegen die vollstreckbare gerichtliche Umgangsregelung vom 2.5.2012 ausgegangen werden.

    Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen unstreitig vor. Der Beschluss vom 2.5.2012 ist der Antragsgegnerin förmlich zugestellt worden und enthält einen Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung; der Erteilung einer Vollstreckungsklausel bedurfte es nicht (§§ 86 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 FamFG).

    Der im vorliegenden Verfahren gestellte, im Hinblick auf die am 3.8.2012 erfolgte Streitbeilegung in der Hauptsache nicht beschiedene Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hindert die Ahndung der hier streitgegenständlichen Verstöße im Zeitraum bis zur Entscheidung des Amtsgerichts am 28.6.2012 nicht. Zum Einen datiert der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung überhaupt erst vom 19.7.2012; für ein vorheriges Tätigwerden von Amts wegen sah der Senat keine Veranlassung. Zum Anderen wäre die Zwangsvollstreckung auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin allenfalls insoweit einzustellen gewesen, als das Amtsgericht Übernachtungen des Kindes beim Antragsteller angeordnet hatte.

    Die von den Beteiligten am 13.5.2012 hinsichtlich der angeordneten Umgangskontakte telefonisch getroffene Vereinbarung hindert die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 2.5.2012 ebenfalls nicht. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die telefonische Vereinbarung der Beteiligten eine einvernehmliche Abänderung der gerichtlichen Umgangsregelung oder einen wirksamen Vollstreckungsverzicht des Antragstellers begründet und ob die diesbezüglichen Erklärungen des Antragstellers durch die Erklärung seines Bevollmächtigten vom 14.5.2012 wirksam widerrufen werden konnten. Jedenfalls lässt sich den Erklärungen des Antragstellers im Rahmen des mit der Antragsgegnerin geführten Telefonats nämlich keinesfalls entnehmen, dass er auch über den 3.6.2012 hinaus auf eine Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 2.5.2012 verzichten oder insoweit eine von der gerichtlichen Regelung abweichende Regelung vereinbaren wollte. Selbst wenn man davon ausginge, dass dem Antragsteller nach der Konzeption der Entscheidung des Amtsgerichts zunächst ein Umgangskontakt ohne Übernachtung hätte eingeräumt werden müssen, hätte dieser daher spätestens am 16.6.2012 stattfinden müssen. Eine Herausgabe des Kindes an den Antragsteller an diesem Tag hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.6.2012 jedoch ohne Angabe eines wichtigen Grundes im Sinne der Ziffer 2. des Beschlusses vom 2.5.2012 ausdrücklich abgelehnt und ihm auch für das Folgewochenende keinen Ersatztermin angeboten. Insoweit hat sie die Umgangsregelung vom 2.5.2012 verletzt.

    Auf ein fehlendes Verschulden kann sie sich dabei nicht berufen.

    Handelt der zur Sicherstellung des Umgangs des Kindes mit dem anderen Elternteil verpflichtete Elternteil einer vollstreckbaren Umgangsregelung zuwider, wird sein Verschulden grundsätzlich vermutet, es sei denn, er trägt Gründe vor, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat (§ 89 Abs. 4 FamFG). Der Verpflichtete hat die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darzulegen. Diese Umstände liegen regelmäßig in der Sphäre des Verpflichteten; sie sind daher im Nachhinein objektiven Feststellungen häufig nur eingeschränkt zugänglich. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommen ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels nicht in Betracht. Beruft sich etwa ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, kann ein fehlendes Verschulden nur dann angenommen werden, wenn er im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 218, BGH, FamRZ 2012, 533; OLG Schleswig, FamRZ 2012, 151; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 1669).

    Im vorliegenden Fall lehnt das betroffene Kind auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin lediglich Übernachtungen beim Antragsteller, nicht jedoch einen Umgang an sich ab. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen keinerlei erzieherische Maßnahmen dargelegt, mit welchen sie zumindest versucht hat, das achtjährige Kind zur Wahrnehmung der angeordneten Umgangskontakte zu bewegen. Vielmehr lässt sich ihrem Vortrag entnehmen, dass sie die Entscheidung über Übernachtungen des Kindes entgegen der gerichtlichen Anordnung dem Kind überlassen hat.

    Die Auswahl und die Bemessung der deshalb zu verhängenden Ordnungsmittel stehen im Ermessen des Familiengerichts und sind im Beschwerdeverfahren lediglich einer eingeschränkten Überprüfung zugänglich. Die Überprüfung von Ermessensentscheidungen im zweiten Rechtszug beschränkt sich grundsätzlich auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die erstinstanzliche Entscheidung wird daher nur auf etwaige Ermessenfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung überprüft (vgl. BGH, FamRZ 2007, 893; NJW 2001, 1652; KG, FamRZ 2011, 393). Lediglich im Falle des Vorliegens eines solchen Ermessensfehlers ist das Beschwerdegericht im Rahmen der ihm nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 571 Abs. 2 Satz 1, 572 Abs. 3 ZPO obliegenden Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des nicht oder fehlerhaft ausgeübten Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 25.3.2011, 4 WF 44/11, veröffentlicht unter www.hefam.de [HYPERLINK: http://www.hefam.de]; so auch BayLSG, Beschluss vom 22.11.2010, L 7 AS 486/10 B PKH. zitiert nach juris).

    Im vorliegenden Fall begegnet die Ausübung des Ermessens durch das Amtsgericht bezogen auf den Zeitpunkt der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts und die zu diesem Zeitpunkt nachhaltig erscheinende Weigerung zur Umsetzung der gerichtlichen Umgangsregelung zwar keinen durchgreifenden Bedenken. Das Amtsgericht konnte bei seiner Entscheidung jedoch noch nicht die im Anschluss an seine Entscheidung eingetretene Änderung des Verhaltens der Antragsgegnerin, insbesondere die einvernehmliche Streitbeilegung durch den gerichtlich gebilligten Vergleich vom 3.8.2012 und dessen anschließende Umsetzung berücksichtigen. Der Senat ist im Hinblick auf diese gemäß obiger Ausführungen auch für die Auswahl und Bemessung der Ordnungsmittel maßgeblichen Umstände berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amtsgerichts zu setzen.

    Vor dem Hintergrund der später erfolgten Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung durch den Vergleich vom 3.8.2012, der anschließenden Umsetzung des Vergleichs durch die Beteiligten, der Erklärungen des Antragstellers vom 13.5.2012, der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse der auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (so genanntes ALG II) angewiesenen Antragsgegnerin und der von ihr zu tragenden Verfahrenskosten erscheint dem Senat ein Ordnungsgeld von 30,- Euro, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft ausreichend, um den Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Umgangsregelung vom 2.5.2012 gebührend zu bestrafen und auf eine künftige Befolgung der mittlerweile geänderten Umgangsregelung hinzuwirken.

    Die Entscheidung über die Kosten des zweiten Rechtszugs folgt aus §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG. Im Hinblick auf die erfolgte Herabsetzung des verhängten Ordnungsgelds und der verhängten Ersatzordnungshaft entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten und der Auferlegung von Kosten anderer Beteiligter für das Beschwerdeverfahren abzusehen.

    Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs hat es wegen der Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Antragsgegnerin bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts zu bleiben (§ 92 Abs. 2 FamFG).

    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 FamGKG. Der Senat bemisst das Interesse der Antragsgegnerin an ihrer Beschwerde mit dem Wert des gegen sie im ersten Rechtszug festgesetzten Ordnungsgelds.

    Schmidt