OLG Frankfurt vom 16.12.2020 (4 WF 188/20)

Stichworte: Verfahrensfähigkeit, Jugendliche; Beteiligte, Jugendliche; Verfahrenskostenhilfe, Beiordnung; Beschwerdebefugnis
Normenkette: FamFG 7 Abs. 2 Nr. 1; FamFG 9 Abs. 1 Ziffer 3; FamFG 60; FamFG 76; FamFG 78; BGB 1666
Orientierungssatz:
  • Die Verfahrensfähigkeit Jugendlicher ab Vollendung des 14. Lebensjahres in ihre Person betreffenden Verfahren erfordert gemäß dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG die Geltendmachung konkret nach bürgerlichem Recht eingeräumter Widerspruchs- und Mitwirkungsrechte.
  • Rechtspositionen, die ihre Grundlage im Verfassungs-, Verwaltungs- oder Verfahrensrecht haben, genügen hierfür nicht. In Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls nach § 1666 BGB ist die Verfahrensfähigkeit zu verneinen.
  • 621 F 1070/20
    AG Wetzlar

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend die elterliche Sorge für J., geb.2004, ...

    Beschwerdeführerin,

    Verfahrensbevollmächtigter:

    Rechtsanwalt ...

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Jugendlichen vom 20.11.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wetzlar vom 16.11.2020, Nichtabhilfebeschluss vom 25.11.2020 am 16. Dezember 2020 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Mit der am 20.11.2020 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet die Beschwerdeführerin [geb. 2004] sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt S., Wetzlar, zur Vertretung ihrer Interessen sowie gegen die Bestellung eines Verfahrensbeistands. Die Beschwerde wird insoweit unter gesondertem Aktenzeichen geführt.

    Die aus Sankt Augustin (NRW) stammende Beschwerdeführerin war von März 2020 bis zum 3. November 2020 auf Veranlassung des zuständigen Jugendamtes der Stadt Sankt Augustin und mit Zustimmung der allein sorgeberechtigten Kindesmutter in einer Jugendwohngruppe in Wetzlar untergebracht. Diese Maßnahme wurde durch das Jugendamt am 03.11.2020 beendet und die Beschwerdeführerin wurde zunächst in Obhut genommen.

    Derzeit hält die Beschwerdeführerin sich bei ihrem in Wetzlar lebenden Freund D., geb. 1998, auf. Gegen diesen liefen bzw. laufen seit 2015 diverse Ermittlungsverfahren u.a. wegen Körperverletzung und Verstößen nach dem Betäubungsmittelgesetz. Ein Verfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der hiesigen Beschwerdeführerin wurde durch die Staatsanwaltschaft Limburg – Zweigstelle Wetzlar – am 4.11.2020 eingestellt.

    Mit als „(Eil-)Antrag auf Regelung der elterlichen Sorge“ überschriebenem Schriftsatz vom 05.11.2020 zeigte Rechtsanwalt S. die anwaltliche Vertretung der Beschwerdeführerin an und beantragte folgende Feststellung: „In Bezug auf die elterliche Sorge besteht kein Grund zu weiterer Veranlassung, so dass das Jugendamt alle weiteren Maßnahmen (Inobhutnahme etc.) zu unterlassen hat.“ Weiter beantragte er, der Beschwerdeführerin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und ihn als Rechtsanwalt beizuordnen.

    Dem Antrag war eine durch die Beschwerdeführerin unterzeichnete Vollmacht für die anwaltliche Vertretung mit dem Verfahrensgegenstand „Widerspruch gegen Inobhutnahme vom 05.11.2020“ beigefügt.

    Nach Übersendung dieses Schriftsatzes zur Stellungnahme an die Beteiligten trat das Jugendamt der Stadt Sankt Augustin mit Bericht vom 10.11.2020 dem Antrag entgegen und verwies auf die Notwendigkeit weiterer Jugendhilfemaßnahmen wegen der Gefährdung der Jugendlichen unter dem Einfluss des Freundes.

    Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Amtsgericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten zurück.

    Zur Begründung der Entscheidung führt das Gericht aus, die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch Minderjährige setze voraus, dass sie im konkreten Fall verfahrensfähig sind. Im vorliegenden Verfahren nach § 1666 BGB seien die hierfür erforderlichen Anforderungen an die Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht erfüllt. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

    Mit weiterem Beschluss vom 16.11.2020 bestellte das Amtsgericht Frau Rechtsanwältin ... als Verfahrensbeistand.

    Mit der am 20.11.2020 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe und gegen die Bestellung eines Verfahrensbeistands.

    Zur Begründung der Beschwerde führt Rechtsanwalt S. aus, die Jugendliche sei verfahrensfähig. Sie habe einen eigenen umfassenden Antrag gestellt. Es sei weder verständlich noch rechtlich zutreffend, dass der Jugendlichen in dem vorliegenden Verfahren von Anfang an die Verfahrensfähigkeit abgesprochen werde. Hierzu verweist er auf seine Beiordnung in weiteren familiengerichtlichen Verfahren etwa durch das Amtsgericht Siegburg (zu AZ 314 F 9/20 EAUB) sowie das Amtsgericht – Familiengericht – Wetzlar (zu AZ 621 F 640/20 UG).

    Die Bestellung eines Verfahrensbeistands sei rechtsfehlerhaft, weil die Jugendliche bereits anwaltlich vertreten sei.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.11.2020 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    Mit Beschluss vom heutigen Tage ist die Sache durch die Einzelrichterin dem Senat zur Entscheidung übertragen worden.

    II.

    Die gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe gerichtete Beschwerde ist gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO, §§ 567 ff. ZPO statthaft und auch sonst zulässig eingelegt, insbesondere ist die sechzehnjährige Beschwerdeführerin nach § 60 FamFG beschwerdeberechtigt.

    Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 78 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da es an der wirksamen Beauftragung eines Rechtsanwalts für das vorliegende Verfahren fehlt.

    Dabei kann dahinstehen, dass die dem Antrag vom 05.11.2020 beigefügte Vollmacht auf den „Widerspruch gegen die Inobhutnahme“ beschränkt ist, weshalb zweifelhaft ist, ob dies die Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens umfasst, und weiter der Antrag, „dass das Jugendamt alle weiteren Maßnahmen (Inobhutnahme e t c) zu unterlassen habe“ Gegenstand eines familiengerichtlichen Verfahrens sein kann. Die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII ist aufgrund gesetzlicher Aufgabenzuweisung eine originäre Aufgabe des Jugendamtes. Gegen Maßnahmen des Jugendamtes ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

    Dem Familiengericht kommt gegenüber dem Jugendamt keine Weisungsbefugnis zu. Das Familiengericht kann das Jugendamt nicht anweisen, bestimmte Jugendhilfeleistungen zu gewähren (vgl. LPK-SGB VIII/Berneiser/ Diehl, 7. Aufl. 2018, SGB VIII § 50 Rn. 9, 14 unter Hinweis auf BVerfG ZKJ 2015, 463; OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1730) oder dem Jugendamt Maßnahmen untersagen, die dieses innerhalb der gesetzlich zugewiesenen Befugnisse wahrnimmt.

    Ungeachtet dessen liegt ein familiengerichtliches Verfahren vor, nachdem das Amtsgericht den Schriftsatz vom 5.11.2020 als Anregung i.S.d. § 24 Abs. 1 FamFG zum Anlass nahm, von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten und eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls zu prüfen. Anhaltspunkte für eine Gefährdung liegen vor: Der bisherige Aufenthalt der Jugendlichen in einer Wohngruppe wurde beendet, eine geeignete Anschlussmaßnahme bisher nicht eingeleitet.

    Es fehlt für das vorliegende Verfahren jedoch an der Verfahrensfähigkeit der Beschwerdeführerin und damit an der wirksamen Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten.

    Insoweit ist zwischen dem Beteiligtenstatus und der Verfahrensfähigkeit zu differenzieren. Die Jugendliche ist im Verfahren nach § 1666 BGB nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG i.V.m. § 8 Nr. 1 Alt. 1 FamFG Muss-Beteiligte und beteiligtenfähig.

    Die Verfahrensfähigkeit ist gesondert in § 9 FamFG geregelt.

    Eine eigenständige Verfahrensfähigkeit besitzen Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren nach § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG nur dann, wenn sie in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend machen. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Jugendlicher auch wirksam einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen und Verfahrenskostenhilfe beantragen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 9 Rn 16; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 9 FamFG Rn. 3).

    Die Verfahrensfähigkeit wird unstreitig bejaht, soweit eine Norm des BGB dem Minderjährigen eine eigenständige Rechtsposition einräumt, etwa im Fall der Geltendmachung des Umgangsrechts mit einem Elternteil (§ 1684 Abs. 1 BGB) und des Widerspruchsrechts des Kindes nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 9 FamFG Rn. 12). Hierunter soll auch die Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes nach § 1686 BGB fallen (OLG Dresden, FamRZ 2019, 707 mwN; kritisch im Hinblick auf die fehlende Gewährung eines subjektiven Rechts des Kindes: Hammer, FamRZ 2019, 708). Auch bei der Auswahl des Vormunds ist im Hinblick auf §§ 1778 Abs. 1 Nr. 5 1887 Abs. 2 BGB ein subjektives Recht zu bejahen (allg. Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2015, § 9 FamFG Rn. 11; BeckOK/Burschel, FamFG, Stand 01.10.2020 , § 9 FamFG Rn. 7).

    Kein subjektives Recht des Kindes sollen Vorschriften gewähren, die ausschließlich Eingriffsbefugnisse des Gerichts regeln, wie der Ausschluss des Umgangsrechts nach §§ 1684 Abs. 4 BGB (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 9 FamFG Rn. 12).

    In der Rechtsprechung wird der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG – teilweise ohne konkrete Subsumtion der Norm - ausgedehnt, so dass eine Betroffenheit in eigenen Rechten genügen soll. Entsprechend wird teilweise eine Verfahrensfähigkeit für sämtliche Kindschaftssachen im Sinne des § 151 FamFG und darüber hinaus befürwortet (Burghart, FamRZ 2019, 1029 <1030>; auch Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 9 FamFG Rn. 4).

    Abzugrenzen sind hier zunächst Entscheidungen, welche die Frage der Verfahrensfähigkeit in Unterbringungsverfahren betreffen (so etwa die erstinstanzlich angeführte Entscheidung des OLG Dresden vom 24.01.2014, 22 WF 15/14, FamRZ 2014, 1042), da insoweit die Verfahrensfähigkeit ab Vollendung des 14. Lebensjahres unabhängig von der Geschäftsfähigkeit bereits aus § 167 Abs. 3 FamFG folgt und damit auf § 9 Abs. 1 Ziffer 4 FamFG beruht (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.06.2020, 6 UF 82/20, NZFam 2020, 1072).

    In anderen Entscheidungen werden § 1631 Abs. 1 i.V.m. § 1626 Abs. 1 BGB (OLG Schleswig, Beschluss vom 8.11.2018, 8 WF 170/18, FamRZ 2019, 1700) bzw. § 1631 Abs. 2 BGB (OLG Hamburg, Beschluss vom 02.05.2017, 12 WF 70/17, FamRZ 2018, 105) als subjektive Rechte des Kindes benannt, aus denen eine Verfahrensfähigkeit in Verfahren nach § 1666 BGB folge. So führt etwa das OLG Hamburg, FamRZ 2018, 105, aus: „nach dem verfahrenseinleitenden Antrag macht die Antragstellerin hier die Verletzung ihr zustehender Rechte nach § 1631 Abs. 2 BGB geltend und regt daher die Durchführung eines amtswegigen Verfahrens nach § 1666 BGB an. Daraus folgt, dass die Minderjährige auch einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihres Rechts beauftragen können muss.“

    Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs verkennt jedoch Rechtsnatur und Umfang dieser Regelungen. Aus der Möglichkeit, die Einleitung eines Verfahren anzuregen, über dessen Eröffnung das Gericht nach § 24 FamFG von Amts wegen zu entscheiden hat, folgt nicht, dass es sich um ein subjektives Recht im Sinne des § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG handelt.

    Vielmehr betreffen die genannten Regelungen sämtlich Konkretisierungen verfassungsrechtlicher Grundsätze zum Kindesschutz aus Art. 6 GG, die isoliert keine Unterlassungs- oder Verpflichtungsansprüche gewähren. Das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung richtet sich zwar auch gegen die Eltern, folgt aber unmittelbar aus der Verfassung und ist kein nach bürgerlichem Recht durchsetzbarer Anspruch (vgl BVerfG FamRZ 2008, 845 Rz 72f; Staudinger/Coester (2016) BGB § 1666, Rn. 257). Auch das in § 1631 Abs. 2 BGB statuierte Recht auf gewaltfreie Erziehung gewährt keinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. BT-Drs. 14/1247, 5). Zur Umsetzung dieser Rechte bedarf es der Einleitung von Verfahren nach § 1666 BGB, in denen die Voraussetzungen für Eingriffe in das elterliche Sorgerecht zu prüfen sind (Heilmann/Fink, Praxiskommentar, Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, § 1631 BGB Rn. 24 für das Recht auf gewaltfreie Erziehung; BT-Drs. 14/1247, 5).

    Die Wahrnehmung der Interessen der beteiligten Minderjährigen ist in diesen Verfahren über die Kindesanhörung (§ 159 FamFG) und die Bestellung eines Verfahrensbeistands (§ 158 FamFG) gewährleistet, wobei das Gesetz die Beteiligung des Kindes bewusst dem Schutz- und Fürsorgegedanken unterstellt und keine Parteivertretung erfolgt (vgl. Köhler ZKJ 2018, 50 <52>).

    Eine zu weit gefasste Verfahrensfähigkeit wäre weder mit diesen Vorgaben noch mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG vereinbar. Nach dem Wortlaut der Norm bedarf es einer konkret im materiellen bürgerlichen Recht gewährten Rechtsposition der Minderjährigen, der allgemeine Anspruch auf Beteiligung und Anhörung im Verfahren genügt hierzu nicht (OLG Koblenz FamRZ 2019, 706 f.). Eine eigenständige Verfahrensfähigkeit beschränkt Geschäftsfähiger zur Geltendmachung materieller Rechte war in den Entwurfsfassungen zu § 9 FamFG zunächst nicht vorgesehen (vgl. BT-Drs. 16/6308, 17; BT-Drs. 16/9733, 26; zum Gesetzgebungsprozess siehe Heiter FamRZ 2009, 85ff). § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG wurde im Gesetzgebungsverfahren eingefügt, um Jugendlichen eine eigenständige Geltendmachung im materiellen bürgerlichen Recht eingeräumter Widerspruchs- und Mitwirkungsrechte (zB § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu ermöglichen und damit die notwendige Akzessorietät zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht herstellen (vgl. BT-Drs. 16/9733, 352; Heilmann/Köhler, Praxiskommentar, 2. Auflage 2020, § 9 FamFG Rn. 4; MüKoFamFG/Pabst, 3. Aufl. 2018, FamFG § 9 Rn. 6). Der Umkehrschluss, dass solche subjektiven Mitwirkungsrechte in sämtlichen kindschaftsrechtlichen Verfahren bestehen, lässt sich hieraus nicht ziehen (so aber Burghart FamRZ 2019, 1029 <1034>). Zuzugeben ist, dass sich im Hinblick auf die Regelung zur Beschwerdebefugnis in § 60 FamFG ein Auseinanderfallen der Verfahrensfähigkeit für erstinstanzliche Verfahren und für Beschwerdeverfahren ergibt (hierzu auch OLG Schleswig FamRZ 2019, 1700; Schael FamRZ 2009, 265 <267>, Moelle ZKJ 2020, 7 <11>), die jedoch durch den Gesetzgeber gewollt bzw. bewusst hingenommen wurde.

    Die Verfahrensfähigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Ziffer 3 FamFG ist daher zu verneinen, wenn ein Jugendlicher Rechtspositionen geltend macht, die ihre Grundlage im Verfassungs-, Verwaltungs- oder Verfahrensrecht haben (Keidel/Sternal, FamFG, § 9 FamFG Rn. 12; Heiter FamRZ 2009, 85 <87>). Die Ausübung des staatlichen Wächteramts in Sorgerechtssachen wegen Kindeswohlgefährdung nach §§ 1666, 1666a BGB betrifft nicht konkrete subjektive Abwehrrechte, weshalb in Kinderschutzverfahren auch Jugendliche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, keine Verfahrensfähigkeit besitzen (Heilmann/Köhler, Praxiskommentar, Kindschaftsrecht, 2. Auflage 2020, § 9 FamFG Rn. 5; OLG München FamRZ 2019, 1706).

    Die mit der Beschwerde angeführte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung in anderen Verfahren ist dagegen nicht maßgeblich, zumal es sich bei den benannten Verfahren zum Teil um Verfahrensgegenstände handelt, für welche die Verfahrensfähigkeit gesondert geregelt ist, wie im Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Siegburg (AZ 314 F 9/20 EAUB) zur Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung, oder konkret subjektive Rechte der Jugendlichen betroffen sind, wie im Umgangsverfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Wetzlar (zu AZ 621 F 640/20 UG).

    Die betroffene Jugendliche bedarf für die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten daher nach § 106 BGB, § 107 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, hier der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter, die nicht vorliegt. Entsprechend handeln gemäß § 9 Abs. 2 FamFG in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für beschränkt geschäftsfähige Personen deren gesetzliche Vertreter. Eine Beauftragung des Rechtsanwalts durch die Kindesmutter liegt jedoch nicht vor (zu dieser Konstellation vgl. BGH FamRZ 2018, 1512; Moelle ZKJ 2020, 7 <10ff>).

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin aufgrund gesetzlicher Anordnung zu tragen (§§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG in Verbindung mit Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses), außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO). § 81 Abs. 3 FamFG greift insoweit nicht.

    Rechtsbehelfsbelehrung: …

    Reitzmann Schmidt Dr. Schweppe

    [Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde eingelegt (XII ZA 1/21).]