OLG Frankfurt vom 18.12.2019 (4 WF 162/19)

Stichworte: Umgangssache, Kostenentscheidung; Kostenentscheidung, Umgangssache
Normenkette: FamFG 24; FamFG 81
Orientierungssatz:
  • Verfahren betreffend die Regelung des Umgangs oder die Überprüfung einer gerichtlichen Umgangsregelung sind Amtsverfahren, für deren Einleitung es keines verfahrenseinleitenden Antrags eines Beteiligten bedarf.
  • Leitet das Familiengericht auf den als Anregung auszulegenden Antrag eines Beteiligten eine Umgangssache ein, ist es bei seiner Entscheidung nicht an etwaige Sachanträge der Beteiligten gebunden.
  • Für die vom Familiengericht zu treffende Kostenentscheidung kommt es daher nicht auf die Erfolgsaussicht etwaiger Sachanträge der Beteiligten an. Vielmehr ist bei der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander Zurückhaltung geboten. Sie kommt im ersten Rechtszug regelmäßig nur dann in Betracht, wenn das Familiengericht auf Grund falscher Angaben eines Beteiligten ein tatsächlich nicht gegebenes Regelungsbedürfnis angenommen und deshalb ein tatsächlich nicht erforderliches Verfahren eingeleitet hat.
  • 24 F 198/19 UG
    AG Alsfeld

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang mit

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Mutter vom 26.07.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Alsfeld vom 14.6.2019 am 18. Dezember 2019 beschlossen:

    Die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs tragen beide Eltern je hälftig. Von der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird abgesehen.

    Von der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für den zweiten Rechtszug abgesehen.

    Gründe:

    I.

    Mit ihrer am Montag, den 29.7.2019, beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 28.6.2019 zugestellten Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die vollständige Auferlegung der Kosten des ersten Rechtszugs.

    Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25.4.2019 stellte die Mutter beim Amtsgericht einen „Antrag auf Regelung des Umgangsrechts“ mit ihrer seit dem 28.2.2019 beim Vater lebenden Tochter L. L hatte nach der Trennung der Eltern im Jahr 2015 zunächst bei ihr gelebt. Nach dem Umzug zum Vater lehnte sie jeglichen Kontakt zur Mutter ab. Die Einschaltung des Jugendamts führte nicht zu einer Wiederaufnahme von Kontakten zwischen Mutter und Kind.

    Das Amtsgericht leitete ein Verfahren ein, bestellte L eine Verfahrensbeiständin und beraumte für den 14.6.2019 einen Anhörungstermin an. Nach Anhörung der Eltern, des Kindes, der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts sowie Vernehmung der Großmutter mütterlicherseits als Zeugin schloss das Amtsgericht den Umgang zwischen Mutter und Tochter mit dem angefochtenen Beschluss bis zum 13.3.2020 aus und erlegte der Mutter die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung seiner Kostenentscheidung führte es aus, der Antrag habe wegen der ablehnenden Haltung des Kindes von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Mutter selbst habe durch ihr Verhalten das Kind verunsichert und verärgert und damit den Umgangsausschluss erst herbeigeführt. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der Vater durch die Kontaktaufnahme zum Jugendamt alles in seiner Macht stehend Mögliche getan habe, um den Umgang zu ermöglichen, sei es grob unbillig, ihn an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.

    Mit ihrer Beschwerde, auf deren Begründung Bezug genommen wird, begehrt die Mutter sinngemäß eine hälftige Teilung der Gerichtskosten zwischen beiden Eltern sowie ein Absehen der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander.

    Die übrigen Beteiligten sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.

    II.

    Die auf den Kostenausspruch beschränkte Beschwerde ist nach §§ 58 Abs. 1 FamFG statthaft, innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG in der durch § 64 Abs. 1 und 2 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt und unterliegt - weil Gegenstand der Hauptsache keine vermögensrechtliche Angelegenheit ist - nicht der Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG (vgl. BGH FamRZ 2013, 1876).

    Die demnach zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zu der begehrten Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

    Der Maßstab für die zu treffende Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszugs ergibt sich aus § 81 FamFG. Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten eines Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste.

    Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Auferlegung von Kosten unterliegt einer vollen Überprüfung durch das Beschwerdegericht, d.h. das Beschwerdegericht ist im Rahmen der von ihm zu treffenden Beschwerdeentscheidung nicht auf die bloße Überprüfung auf etwaige Ermessensfehler beschränkt, sondern zur eigenen Ermessensausübung berechtigt und verpflichtet (vgl. BGH FamRZ 2017, 97).

    Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, die Gerichtskosten der Umgangssache beiden Eltern je hälftig aufzuerlegen und von der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander abzusehen.

    Entgegen der dem angefochtenen Beschluss zu Grunde liegenden Rechtsauffassung handelt es sich bei Verfahren betreffend die Regelung des Umgangs oder die Überprüfung einer gerichtlichen Umgangsregelung um Amtsverfahren, für deren Einleitung es keines verfahrenseinleitenden Antrags eines Beteiligten bedarf (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 22.2.2011 – 4 UF 13/11, juris; Beschluss vom 27.6.2011 – 4 WF 144/11, juris; Beschluss vom 19.3.2013 – 4 UF 261/12, juris; Beschluss vom 11.12.2014 – 4 WF 204/14; Beschluss vom 13.11.2017 – 4 WF 209/17; Beschluss 22.6.2018 – 4 WF 83/18; so auch BGH FamRZ 2017, 1668; OLG Frankfurt (5. Familiensenat), FamRZ 2015, 1991; OLG Frankfurt (6 Familiensenat) FamRZ 2014, 576 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; OLG Frankfurt (1. Familiensenat), FamRZ 2014, 53; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1993; zum Abänderungsverfahren ausdrücklich BGH FamRZ 2012, 533; OLG Celle, ZKJ 2011, 433; Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1696, Rn. 14; a. A. noch BGH FamRZ 2008, 1334).

    Wird die Einleitung eines solchen Verfahrens angeregt, hat das Familiengericht von Amts wegen zu prüfen, ob es ein Verfahren einleitet. Hierzu ist es verpflichtet, wenn sich aus der Anregung und den dem Gericht bekannten Tatsachen, von denen das Gericht gegebenenfalls im Rahmen weiterer Vorermittlungen Kenntnis erlangt hat, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Kindeswohl oder das aus dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht erwachsende Umgangsrecht eine gerichtliche Umgangsregelung im Sinne des § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB erfordern oder dass triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Umstände die Abänderung einer geltenden gerichtlichen Umgangsregelung erfordern (vgl. Beschluss des Senats vom 28.6.2019 – 4 UF 136/19; OLG Frankfurt (5. Familiensenat), Beschluss vom 31.3.2015 – 5 UF 272/14, FamRZ 2015, 1991; Münchener Kommentar zum FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 24, Rn. 7 m.w.N.). Von einem entsprechenden Regelungsbedürfnis wird jedenfalls dann ausgegangen werden müssen, wenn der Umgang zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind – wie hier – nicht gerichtlich geregelt ist und kein Umgang stattfindet (vgl. Beschluss des Senats vom 22.2.2011 – 4 UF 13/11, juris).

    Verneint das Familiengericht ein gerichtliches Regelungsbedürfnis, was bei Umgangsstreitigkeiten nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte, sieht es von der Einleitung eines Verfahrens ab und unterrichtet den anregenden Elternteil gemäß § 24 Abs. 2 FamFG hierüber.

    Bejaht das Familiengericht ein gerichtliches Regelungsbedürfnis, leitet es ein Umgangsverfahren ein, und zwar unabhängig von der Erfolgsaussicht etwaiger Sachanträge der Eltern, an welche das Gericht bei seiner Entscheidung ohnehin nicht gebunden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 22.2.2011 – 4 UF 13/11, juris; Beschluss vom 27.6.2011 – 4 WF 144/11, juris; Beschluss vom 15.1.2014 – 4 WF 12/14; Beschluss vom 27.6.2017 – 4 WF 109/17; so auch BGH, FamRZ 2017, 532). Auch für die spätere Kostenentscheidung kann es dann aber nicht auf die Erfolgsaussicht etwaiger von den Beteiligten gestellter Sachanträge ankommen (vgl. Beschluss des Senats vom 22.2.2011 – 4 UF 13/11, juris).

    Vielmehr entspricht es dem Grundsatz des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass jeder Beteiligte die Gerichtskosten anteilig und seine eigenen Kosten selbst zu tragen hat. Insbesondere bei Streitigkeiten unter Familienangehörigen ist bei der Anordnung einer Kostenerstattung Zurückhaltung geboten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 11.12.2014 – 4 WF 204/14; Beschluss vom 20.2.2014, 4 WF 28/14, Beschluss vom 23.1.2013, 4 UF 309/12, Beschluss vom 18.1.2013, 4 WF 269/12, und Beschluss vom 27.11.2012, 4 WF 259/12, veröffentlicht unter www.hefam.de, vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 9.8.2013, 8 WF 168/13, FamRZ 2014, 687; OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.11.2011, 13 UF 148/11, FamRZ 2012, 733; OLG Nürnberg, Beschluss vom 17. 12. 2009, 7 WF 1483/09, NJW 2010, 1468; so im Ergebnis auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 5.7.2012, 9 WF 147/12, FamFR 2012, 425; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.10.2010, 1 WF 133/10, FamRZ 2011, 991; Zimmermann in Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 81, Rn. 48). Dies gilt erst recht, wenn es sich um ein Amtsverfahren handelt, dessen Gegenstand Angelegenheiten der gemeinsamen minderjährigen Kinder der Beteiligten sind und das im Interesse dieser Kinder geführt wird (vgl. Beschluss des Senats vom 11.12.2014 – 4 WF 204/14).

    Unter Zugrundelegung vorstehender Kriterien erscheint im vorliegenden Fall einzig die aus dem Beschlusstenor ersichtliche Kostenentscheidung ermessensgerecht. Auf die Erfolgsaussicht des von der Beschwerdeführerin im ersten Rechtszug gestellten Sachantrags kommt es – wie dargestellt – nicht an. Eine weiter gehende Auferlegung von Kosten wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Familiengericht fehlerhaft auf Grund falscher Angaben der Beschwerdeführerin ein tatsächlich nicht gegebenes Regelungsbedürfnis angenommen und deshalb ein tatsächlich nicht erforderliches Verfahren eingeleitet hätte. Dies war jedoch offensichtlich nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin hat das Familiengericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sie zu ihrer Tochter seit deren Auszug am 28.2.2019 keinen Kontakt mehr hat, woraufhin das Familiengericht nicht nur ein Verfahren eingeleitet hat, sondern dieses auch mit einer gerichtlichen Regelung des Umgangs, nämlich einen befristeten Ausschluss des Umgangs der Mutter, abgeschlossen hat. Das Gericht hat das Vorliegen eines Regelungsbedürfnisses also auch nach Abschluss der im Rahmen des Verfahrens durchgeführten Ermittlungen (zutreffend) bejaht. Ob der Mutter die ablehnende Haltung ihrer elfjährigen Tochter vor der Anregung der Verfahrenseinleitung bekannt war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil dieser Umstand nichts an dem Bedürfnis einer gerichtlichen Regelung des Umgangs geändert hätte.

    Die Entscheidung über die Kosten des zweiten Rechtszugs beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Gerichtskosten fallen im zweiten Rechtszug nicht an (§§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG in Verbindung mit Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG)). Umstände, welche die Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

    Da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

    Reitzmann Dr. Kischkel Schmidt