OLG Frankfurt vom 11.11.2019 (4 WF 125/19)

Stichworte: Vereinfachtes Verfahren; Beschwerdebegründung; Anwaltszwang; Beschwerde, Zulässigkeit
Normenkette: FamFG 117 Abs. 1, 2; FamFG 256; FamFG 257; ZPO 522 Abs. 1 S. 1, 2; FamGKG 51 Abs. 1, 2
Orientierungssatz:
  • § 117 Abs. 1 FamFG findet im vereinfachten Unterhaltsverfahren keine Anwendung (vgl. BGH FamRZ 2018, 1347 zum vereinfachten Klauselerteilungsverfahren nach §§ 36 ff. AUG).
  • Wird die Beschwerde im vereinfachten Unterhaltsverfahren nicht begründet, fällt dem Rechtsmittelgericht die gesamte angefochtene Entscheidung zur Überprüfung an. In diesem Fall steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, dass sie nicht auf eine der in § 256 FamFG genannten Einwendungen gestützt wird.
  • 474 FH 20024/18 VU
    AG Frankfurt am Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 02.07.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 27.05.2019 am 11. November 2019 beschlossen:

    Die Beschwerde des Antragsgegners wird mit der Maßgabe auf seine Kosten zurückgewiesen, dass die angefochtene Entscheidung zu Ziffer 1. des Beschlusstenors klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

    Der von dem Antragsgegner an seinen Sohn X… (geboren am …) für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis zum 04.01.2019 einschließlich zu zahlende rückständige Unterhalt wird auf 1.676 € festgesetzt.

    Der Verfahrenswert wird für beide Rechtszüge auf 1.676 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Der Antragsgegner ist Vater seines bei der Kindesmutter lebenden Sohnes X,… geb. am …, für den das antragstellende Bundesland beginnend mit dem 1. Juli 2018 laufende Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht hat. Mit Schreiben vom 06.11.2017 forderte die Unterhaltsvorschussstelle … den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Vorbereitung der Geltendmachung von (übergegangenen) Unterhaltsansprüchen des Kindes auf. Auf die Mitteilungen des Antragsgegners vom 16.11.2017 und 05.07.2018, er sei arbeitslos und stehe im SGB II-Bezug, wurde er von der Unterhaltsvorschussstelle auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit hingewiesen und vergeblich um Darlegung seiner Bewerbungsbemühungen gebeten.

    Mit seinem am 10.10.2018 beim Familiengericht eingegangenen Antrag vom 08.10.2018 beantragte das Bundesland im vereinfachten Verfahren gegen den Antragsgegner zunächst für den Zeitraum ab dem 01.11.2018 die Festsetzung des Mindestunterhaltes abzüglich des anzurechnenden vollen Kindergelds sowie die Festsetzung von Unterhaltsrückständen in Höhe von 1.092 € für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.10.2018. Unter dem 15.01.2019 stellte das Bundesland den Antrag um auf Zahlung des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich des vollen Kindergeldes ab dem 01.01.2019 sowie von 1.638 € an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis zum 31.12.2018. (Auch) dieser zweite Antrag wurde dem Antragsgegner am 01.03.2019 mit den nach § 251 Abs. 1 S. 2 FamFG zu erteilenden Hinweisen zugestellt. Nachdem er darauf nicht reagiert hatte, erließ der Rechtspfleger bei dem Familiengericht am 27.05.2019 einen antragsgemäßen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

    Gegen die ihm am 07.06.2019 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 02.07.2019, Eingang beim Amtsgericht am 04.07.2019, mit dem er mitteilt, er lege gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss Beschwerde ein. Eine Begründung ist trotz Hinweises des Senatsvorsitzenden vom 29.08.2019 bis heute nicht erfolgt.

    II.

    Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 64 FamFG.

    Zwar hat der Antragsgegner seine Beschwerde nicht begründet. Dies führt entgegen der Regelung des § 117 Abs. 1 FamFG jedoch nicht zur Unzulässigkeit, sondern lediglich zur fehlenden Begründetheit des Rechtsmittels. § 117 Abs. 1 FamFG findet im vereinfachten Unterhaltsverfahren keine Anwendung. Zwar handelt es sich auch bei der Verfolgung von Kindesunterhaltsansprüchen im vereinfachten Verfahren formal um eine Familienstreitsache iSd. §§ 112 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 1 FamFG, für die grundsätzlich die Vorschriften zur Einlegung und Begründung des Rechtsmittels in § 117 Abs. 1 FamFG mit ihrem Verweis auf § 522 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO gelten. Dies gilt nach Überzeugung des Senats aber nicht für das vereinfachte Unterhaltsverfahren, das der Vorstellung des Gesetzgebers entsprechend durch die Übernahme in das FamFG aus dem zivilprozessualen Rechtsmittelsystem gerade herausgelöst werden sollte. Die in § 117 Abs. 2 FamFG in Bezug genommenen zivilprozessualen Vorschriften (insbesondere des § 514 ZPO) verdeutlichen, dass nur außerhalb des durch § 25 Nr. 2c RPflG bestimmten Zuständigkeitsbereichs des Rechtspflegers liegende Familienstreitsachen in § 117 FamFG näher geregelt werden sollten, also gerade nicht das vereinfachte Unterhaltsverfahren (vgl. Wendl/Dose/Schmitz, Unterhaltsrecht, 10. A., § 10, Rn. 681 mwN.). Auch würde es dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen, wenn durch Verweisung auf Vorschriften des zivilprozessualen Berufungsverfahrens ein Rechtsmittelverfahren durchzuführen wäre, in dem der Unterhaltstitel nicht mehr in vereinfachter und beschleunigter Form, insbesondere durch Beschränkungen in der Rechtsverteidigung, geschaffen werden könnte (Wendl/Dose/Schmitz aaO.; MüKoFamFG/Macco FamFG, 3. A., § 256 Rn. 2; a. A. OLG Brandenburg FamRZ 2017, 230; 2016, 1804; OLG Jena FamRZ 2015, 1513; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG, 4. A., § 256 Rn. 10; Johannsen/Henrich/Maier FamFG, 6. A., § 256 Rn. 5; Zöller/Lorenz ZPO, 33. A., § 256 FamFG Rn. 3; eher vermittelnd Keidel/Giers FamFG, 19. A., § 256 Rn. 11, der zwar an § 117 FamFG anknüpft, aber auch die allgemeine Vorschrift des § 65 Abs. 3 FamFG anwenden möchte). Der BGH hat zu dem hinsichtlich der Verfahrensgestaltung mit dem vereinfachten Unterhaltsverfahren vergleichbaren vereinfachten Klauselerteilungsverfahren nach §§ 36 ff. AUG (BGH FamRZ 2018, 1347) überzeugend ausgeführt, dieses sei „davon geprägt, dass es in der ersten Instanz einseitig geführt wird, keine Anhörung des Schuldners stattfindet und es erstmals mit der Beschwerde eines Beteiligten einen kontradiktorischen Charakter erlangt; dies legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber den Zugang zur Beschwerdeinstanz nicht durch ein Begründungserfordernis als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung erschweren wollte. Gegen die Verpflichtung zur Begründung der Beschwerde gemäß § 43 AUG spricht zudem die Regelung des § 45 Abs. 2 AUG, wonach die Beteiligten zu Protokoll der Geschäftsstelle Anträge stellen und Erklärungen abgeben können, solange eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht angeordnet ist. In diesem Zusammenhang würde auch der Normzweck des § 117 Abs. 1 FamFG in vielen Fällen das Erfordernis einer Beschwerdebegründung im Rahmen eines Klauselerteilungsverfahrens kaum rechtfertigen können, weil das Exequaturverfahren nach Art. 23 ff. EuUnthVO oder nach Art. 32 ff. LugÜ 2007 von vornherein (im Wesentlichen) auf die Prüfung von Förmlichkeiten beschränkt ist. Im Übrigen würde eine zweimonatige Begründungsfrist dem regelmäßig auf eine besonders zügige Erteilung der inländischen Vollstreckungsklausel gerichteten Gläubigerinteresse zuwider laufen.“ Nichts anderes gilt im Ergebnis aber auch für das vereinfachte Unterhaltsverfahren, das erst nach Erhebung zulässiger Einwendungen des Antragsgegners nach § 252 Abs. 2-4 FamFG auf Antrag des Antragstellers streitig geführt wird, §§ 254, 255 FamFG. Ferner hat der Antragsgegner im vereinfachten Unterhaltsverfahren nach § 257 FamFG ebenfalls die Möglichkeit, Anträge zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen und Erklärungen abzugeben, so dass – anders als sonst im Familienstreitverfahren – kein Anwaltszwang besteht.

    Gegen die Anwendbarkeit des § 117 Abs. 1 FamFG im vereinfachten Unterhaltsverfahren spricht deshalb auch, dass die nach § 39 FamFG erforderliche erstinstanzliche Rechtsmittelbelehrung nicht über Form und Frist der Rechtsmittelbegründung zu belehren hat (vgl. BGH FamRZ 2011, 1389, Rn. 6). Damit wäre der anwaltlich nicht vertretene Beteiligte – ungeachtet des Umstands, dass vorliegend überobligatorisch eine Belehrung erfolgt ist – grundsätzlich aber der Gefahr ausgesetzt, die Beschwerdebegründungsfrist zu versäumen.

    Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Beschwerde nicht ausdrücklich auf eine der in § 256 FamFG genannten Einwendungen gestützt hat. Wird die Beschwerde (zulässigerweise, s. o.) nicht begründet, fällt dem Rechtsmittelgericht die gesamte angefochtene Entscheidung zur Überprüfung an und damit auch die Frage ihrer Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Einwendungen des § 256 FamFG (vgl. § 571 Abs. 1 ZPO; siehe dazu Zöller/Heßler ZPO, 33. A., § 571 ZPO Rn. 1-3). Dass damit der die Beschwerde nicht begründende Rechtsmittelführer u. U. besser als der sich auf unzulässige Gründe:stützende Beschwerdeführer steht, ist aufgrund der insoweit eindeutigen gesetzlichen Gestaltung des vereinfachten Verfahrens hinzunehmen.

    In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Weder hat der Antragsgegner sein Rechtsmittel begründet noch ergeben sich aus der Akte andere Umstände, die ihm zum Erfolg verhelfen könnten. Das Familiengericht hat die in den §§ 251 ff. FamFG vorgeschriebenen Verfahrensschritte eingehalten. Andere Gründe:, die gegen die beantragte Unterhaltsfestsetzung sprechen könnten, hat der Antragsgegner nicht dargetan, noch sind sie sonst ersichtlich. Soweit er gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle außergerichtlich angegeben hatte, arbeitslos zu sein und im SGB II-Bezug zu stehen, kann er damit im Beschwerdeverfahren kein Gehör finden. Nach § 256 FamFG können mit der Beschwerde gegen einen im vereinfachten Verfahren ergangenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ohnehin nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Verfahrens (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 FamFG), die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden. Die Beschwerde wäre unzulässig, wenn sie auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG gestützt würde, die nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war.

    Allerdings war der Tenor der angefochtenen Entscheidung klarstellend dahingehend abzuändern, dass dem antragstellenden Bundesland laufender Unterhalt aus übergegangenem Recht (§ 7 UVG) nicht über das Datum des Erreichens der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes hinaus geschuldet ist, § 1 Abs. 1 a UVG. Dass keine über diesen Zeitpunkt hinausgehenden Zahlungen verlangt werden, folgt ungeachtet der missverständlichen Formulierung des Zahlungsantrags aus den der Antragsschrift beigefügten Anlagen, in denen von einer Unterhaltszahlungspflicht (nur) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes die Rede ist. Da der am … endende Zahlungszeitraum vollständig in der Vergangenheit liegt, wird der Zahlbetrag klarstellend als statisch und nicht dynamisch tenoriert. Zu zahlen sind die Rückstände von Juli bis Dezember 2018 in Höhe von 1.638 € und weitere 38 € für die ersten vier Tage des Monats Januar 2019. Nur in dieser Höhe ist ausweislich des Bescheids vom 11.12.2018 für den Monat Januar 2019 Unterhaltsvorschuss bewilligt worden.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 S. 1 und 2 Ziffer 1 FamFG. Nach billigem Ermessen waren dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens wegen seines Unterliegens alleine aufzuerlegen.

    Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 55 Abs. 2 und 3 Nr. 2, 40 Abs. 1 und 2, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist zunächst der für den Zeitraum von Juli bis Oktober 2018 geforderte rückständige Unterhalt von 1.092 €, sodann nicht der Unterhalt für 12 Monate, sondern lediglich der mit dem ersten Antrag vom 08.10.2018 für den Zeitraum vom 1. November 2018 bis zum 4. Januar 2019 geforderte laufende Unterhalt von 546 € (2 Monate á 467 € [3. Altersstufe DT 2018, da erstmalige Antragstellung in 2018] - 194 € [volles Kindergeld] zzgl. 38 € für den Monat Januar 2019). Denn ungeachtet der insoweit missverständlichen Formulierung des Sachantrags werden laufende Unterhaltszahlungen nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des unterhaltsberechtigten Kindes geltend gemacht (s. o.).

    Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 113 Abs. 1 FamFG, 574 Abs. 2, 3 ZPO) besteht nicht, da das Rechtsmittel nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wurde (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2017, 230). Daher ergibt sich aus den Ausführungen des Senats zur Nichtanwendbarkeit des § 117 Abs. 1 FamFG im vereinfachten Unterhaltsverfahren für keinen der Beteiligten eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigende Beschwer.

    Reitzmann Schmidt Dr. Kischkel