OLG Frankfurt vom 20.11.2020 (4 WF 112/20)

Stichworte: Kosten, Vergleich, Unterhaltssache
Normenkette: FamFG 243, 83; ZPO 98
Orientierungssatz:
  • Erledigt sich eine Unterhaltssache im Sinne des § 231 Abs. 1 FamFG durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der keine Regelung über die Kostentragung enthält, entscheidet das Gericht durch Beschluss über die Verteilung der Kosten. Maßstab für die vom Gericht nach billigem Ermessen zu treffende Kostengrundentscheidung ist § 243 FamFG, in dessen Rahmen auch der sich aus §§ 98 ZPO, 83 Abs. 1 FamFG ergebende Rechtsgedanke berücksichtigt werden kann.
  • Enthält der gerichtliche Vergleich Regelungen über nicht gerichtlich anhängig gewordene Gegenstände, finden die §§ 113 Abs. 1 FamFG, 98 ZPO bzw. § 83 Abs. 1 FamFG auf die hierauf entfallenden Kosten des Abschlusses des Vergleichs unmittelbare Anwendung.
  • Enthält der gerichtliche Vergleich Regelungen über anderweitig gerichtlich anhängige Gegenstände, finden auf die hierauf entfallenden Kosten des Abschlusses des Vergleichs die für das entsprechende Verfahren geltenden Kostenbestimmungen Anwendung.
  • 92 F 1206/14 UE
    AG Bad Homburg v.d.H.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Schmidt als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerden der Antragstellerin vom 29.05.2020 und des Antragsgegners vom 16.07.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg vor der Höhe vom 26.05.2020 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 7.7.2020 am 20. November 2020 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerden der Beteiligten im Ausspruch zur Kostengrundentscheidung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Kosten des ersten Rechtszugs einschließlich der Kosten des gerichtlichen Vergleichs vom 30.7.2019, soweit diese nicht auf die Folgesache nachehelicher Unterhalt und damit auf das Verfahren mit dem Aktenzeichen 92 F 528/14 entfallen, werden gegeneinander aufgehoben.

    Von der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für den zweiten Rechtszug ebenfalls abgesehen. Die für die sofortigen Beschwerden beider Beteiligter fällige Gerichtsgebühr nach Ziffer 1912 KV FamGKG wird jeweils auf die Hälfte ermäßigt.

    Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin für den zweiten Rechtszug wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten schlossen am 30.7.2019 vor dem Familiengericht einen gerichtlichen Vergleich, in welchem sie sich über den im vorliegenden Verfahren von der Antragstellerin geltend gemachten Trennungsunterhalt, über den von ihr im Scheidungsverbundverfahren mit dem Aktenzeichen 92 F 528/14 geltend gemachten nachehelichen Ehegattenunterhalt sowie über mehrere nicht gerichtlich anhängig gewordene Gegenstände einigten. Der Antragsgegner verpflichtete sich zur Abgeltung des in Höhe von 1.115,- Euro monatlich geltend gemachten nachehelichen Unterhaltsanspruchs und des für den Zeitraum von August 2014 bis zu der am 30.7.2019 eingetretenen Rechtskraft der Scheidung geltend gemachten Trennungsunterhaltsanspruchs in Höhe von insgesamt 52.944,- Euro zur Zahlung eines Betrags von 50.000,- Euro, zahlbar in einer zum 15.8.2019 fälligen Rate von 10.000,- Euro und drei jeweils zum 1.1. der Jahre 2020, 2021 und 2022 fälligen Raten von 13.335,- Euro. Wegen des Inhalts des Vergleichs im Übrigen, der keine Kostenregelung enthielt, wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.7.2019 Bezug genommen.

    Den Verfahrenswert setzte das Familiengericht für das vorliegende Verfahren auf 13.968,- Euro fest, den Gegenstandswert des Vergleichs einschließlich der nicht gerichtlich anhängig gewordenen Unterhaltsansprüche auf 51.500,- Euro. Den Wert der Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt setzte es im Scheidungsverbundverfahren auf 13.380,- Euro fest.

    Vor Abschluss des Vergleichs waren im vorliegenden Verfahren auf Grund der Beschlüsse des Familiengerichts vom 17.3.2015, vom 2.9.2015, vom 8.12.2016 und vom 28.12.2017 zur Frage der von der Antragstellerin behaupteten Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit ein orthopädisches Gutachten vom 16.1.2016, ein psychosomatisches Gutachten vom 15.4.2016, ein neurologisches Gutachten vom 9.6.2016 und ein rheumatologisches Gutachten vom 4.6.2018 eingeholt worden, außerdem ein schriftliches gynäkologisches Zeugnis vom 11.1.2018. Für die Tätigkeit der Sachverständigen entstanden dem Familiengericht Auslagen in Höhe von insgesamt 6.617,17 Euro.

    Bereits am 28.5.2019 beantragte der Antragsgegner eine Niederschlagung der mit der Einholung der Sachverständigengutachten verbundenen Gerichtskosten. Der hierauf ergangene Beschluss des Familiengerichts vom 28.10.2019 wurde vom Einzelrichter des Senats auf die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners mit Beschluss vom 9.4.2020, 4 WF 206/19, aufgehoben mit der Maßgabe, dass zunächst eine Kostengrundentscheidung zu treffen ist.

    Mit dem angefochtenen, auf den 26.5.2020 datierten und am 27.5.2020 zur Geschäftsstelle gelangten Beschluss erlegte das Familiengericht daraufhin die Kosten des Verfahrens zu 82 Prozent der Antragstellerin und zu 18 Prozent dem Antragsgegner auf und lehnte eine Niederschlagung der Sachverständigenkosten ab. Zur Begründung seiner Kostengrundentscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Beteiligten hätten durch den Vergleich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Verteilung der Kosten nicht nach den Wertungen des § 98 ZPO zu richten hat, sondern nach billigem Ermessen. Es entspreche der Billigkeit, die Kosten nach der Quote des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen. Ausgehend von einem geltend gemachten Trennungsunterhalt von insgesamt 56.451,50 Euro und einer vereinbarten Abgeltung von 10.000,- Euro ergebe sich die angeordnete Kostenquote.

    Mit ihrer am 29.5.2020 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den ihr am selben Tag zugestellten Beschluss begehrt die Antragstellerin eine dahingehende Abänderung der Kostengrundentscheidung, dass dem Antragsgegner 88,57 Prozent und ihr 11,43 Prozent der Verfahrenskosten auferlegt werden. Zur Begründung führt sie aus, die Beteiligten hätten sich nicht auf die Zahlung eines Betrags von 10.000,- Euro, sondern auf die Zahlung eines Betrags von 50.000,- Euro geeinigt. Daraus ergebe sich eine Obsiegensquote der Antragstellerin von 88,57 Prozent.

    Das Familiengericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und den angefochtenen Beschluss mit auf den 7.7.2020 datierten und am 8.7.2020 zur Geschäftsstelle gelangten Beschluss dahingehend abgeändert, dass es die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner zu 60 Prozent und der Antragstellerin zu 40 Prozent auferlegt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligten hätten sich auf eine Zahlung von 50.000,- Euro zur Abgeltung von Trennungsunterhalt und nachehelichem Ehegattenunterhalt verständigt. Es erscheine billig, für den mit einem Jahresbetrag von 13.380,- Euro begehrten nachehelichen Unterhalt einen Zeitraum von zwei Jahren anzusetzen. Damit sei es der Antragstellerin um einen Betrag von insgesamt 83.211,50 Euro gegangen. Mit dem titulierten Betrag sei sie mit ihrem Begehren in Höhe von 40 Prozent unterlegen. Da die Beteiligten sich bei Abschluss des Vergleichs an den vermutlichen Erfolgsaussichten ihrer Anträge orientiert hätten, entspreche es der Billigkeit, die Kostentragungspflicht nach der so ermittelten Quote festzusetzen.

    Mit seiner am 16.7.2020 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den ihm am 14.7.2020 zugestellten Teilabhilfebeschluss vom 7.7.2020 begehrt der Antragsteller eine Wiederherstellung der ursprünglichen Kostengrundentscheidung vom 26.5.2020. Er führt zur Begründung aus, Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei nur der Trennungsunterhalt gewesen, der mit 1.015,- Euro monatlich geltend gemacht worden sei. Unter Berücksichtigung der Einkommenssituation des Antragsgegners und des Ergebnisses der Sachverständigengutachten wäre der Antragstellerin allenfalls ein monatlicher Trennungsunterhalt von 550,- Euro zuzusprechen gewesen, woran sich die Beteiligten bei ihrem Vergleichsschluss orientiert hätten. Bei ordnungsgemäßem Ablauf des Verfahrens hätte der Antragsgegner vielleicht ein oder zwei Jahre Trennungsunterhalt und höchstens drei Jahre nachehelichen Ehegattenunterhalt zahlen müssen. Durch die fünfjährige Verfahrensdauer und den Umstand, dass das Familiengericht der ermittelten Kostenquote zu Grunde gelegt habe, dass die Antragstellerin den unbefristet beantragten nachehelichen Ehegattenunterhalt nur für die Dauer von zwei Jahren fordert, werde die Kostenquote verzerrt. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin wegen der ihr ratenfrei bewilligten Verfahrenskostenhilfe von jeglichen Kosten befreit bleibe, während der Antragsteller den auf ihn entfallenden Anteil, also auch 60 Prozent der verauslagten Gutachterkosten von fast 7.000,- Euro, in voller Höhe tragen müsse.

    Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners nicht abgeholfen und beide Beschwerden mit Beschluss vom 15.9.2020 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligten hätten in dem parallel anhängigen Verbundverfahren mit dem Aktenzeichen 92 F 528/14 UE vereinbart, dass die Sachverständigengutachten im vorliegenden Verfahren auch im Verbundverfahren gelten sollten. Deswegen sei es auch billig, bei der Kostenquote den Zahlbetrag für den Trennungsunterhalt und den nachehelichen Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen. Die Höhe der Verfahrenskosten und der Umstand, dass ein Beteiligter Verfahrenskostenhilfe erhalte, seien für die Kostenquote ohne Belang.

    II.

    Die wechselseitig eingelegten Beschwerden sind zulässig.

    Kostenentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen, die nach streitloser Hauptsacheregelung - beispielsweise durch Vergleich - erfolgen, sind mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2, 567 ff ZPO anfechtbar. Dies gilt auch für Unterhaltssachen im Sinne der §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG. Die für diese maßgebliche Kostenvorschrift des § 243 FamFG verdrängt ausschließlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verteilung der Kosten. Sie verhält sich damit allein zum „wie“ der Kostenentscheidung, nicht dagegen zu der Frage, „ob“ überhaupt eine Kostenentscheidung erfolgen kann und nach welchen Vorschriften eine solche Kostenentscheidung anzufechten ist (BGH, Beschluss vom 28.9.2011 - XII ZB 2/11, FamRZ 2011, 1933, NJW 2011, 3654).

    Die demnach statthaften sofortigen Beschwerden sind im vorliegenden Fall innerhalb der in § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO vorgeschriebenen Frist in der von § 569 Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Form beim Amtsgericht eingelegt worden. Der Verfahrenswert der Hauptsache übersteigt den in §§ 91 a Abs. 2 Satz 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genannten Betrag von 600,- Euro. Der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO ist ebenfalls erreicht. Mit ihren Beschwerden begehren beide Beteiligte eine Herabsetzung der von ihm zu tragenden Kosten um mehr als 200,- Euro.

    Die Beschwerde des Antragsgegners ist in der Sache teilweise begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der von ihm angefochtenen Abhilfeentscheidung des Familiengerichts, was im Ergebnis einen teilweisen Erfolg beider Beschwerden begründet. Im Übrigen sind die wechselseitigen Beschwerden unbegründet und daher zurückzuweisen.

    Gegenstand der vom Familiengericht zu treffenden Kostengrundentscheidung sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) des erstinstanzlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen 92 F 1206/14 UE und die mit diesem Verfahren verbundenen notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Zu den hiervon erfassten Gerichtsosten und Aufwendungen zählen im Hinblick auf Ziffer 1500 KV FamGKG auch die mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 30.7.2019 verbundenen Kosten, soweit diese auf nicht gerichtlich anhängig gewordene Gegenstände des Vergleichs entfallen.

    Nicht von der im Verfahren mit dem Aktenzeichen 92 F 1206/14 UE zu treffenden Kostengrundentscheidung erfasst sind hingegen die mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 30.7.2019 verbundenen Kosten, soweit diese auf den Gegenstand der beim Familiengericht unter dem Aktenzeichen 92 F 528/14 UE anhängig gewesenen Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt entfallen. Diese unterliegen der dort zu treffenden Kostengrundentscheidung, für die § 150 FamFG gilt.

    Hinsichtlich der nicht gerichtlich anhängig gewordenen Gegenstände des gerichtlichen Vergleichs vom 30.7.2019, also hinsichtlich eines Gegenstandswerts von 24.152,- Euro, ergibt sich die Kostenverteilung unmittelbar aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 98 ZPO bzw. aus § 83 Abs. 1 FamFG, d.h. die Kosten sind insoweit mangels anderweitiger Bestimmung der Beteiligten gegeneinander aufzuheben (vgl. Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 243, Rn. 12).

    Auf die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die hierauf entfallenden Kosten des Abschlusses des gerichtlichen Vergleichs finden hingegen weder § 98 ZPO noch § 83 FamFG unmittelbare Anwendung. Maßgebliche Bestimmung für die Verteilung der Kosten in einer Unterhaltssache im Sinne des § 231 Abs. 1 FamFG ist § 243 FamFG. Nach § 243 S. 1 FamFG entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Dabei sind nach Satz 2 insbesondere zu berücksichtigen: das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung (Nr. 1), das Befolgen einer Aufforderung zur Auskunftserteilung vor Beginn des Verfahrens (Nr. 2), der Umstand, dass ein Beteiligter seiner gerichtlichen Auskunftspflicht gemäß § 235 Abs. 1 FamFG nicht hinreichend nachgekommen ist (Nr. 3) sowie ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO (Nr. 4). Durch die Verwendung des Worts „insbesondere“ ist klargestellt, dass die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in § 243 Satz 2 FamFG nicht abschließend aufgezählt sind. Neben den dort aufgeführten Gesichtspunkten kommen beispielsweise auch die Rechtsgedanken der durch § 243 FamFG verdrängten Vorschriften der Zivilprozessordnung zum Tragen, hier also insbesondere der Rechtsgedanke des § 98 ZPO, wonach die Kosten eines durch Vergleich erledigten Rechtsstreits als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind, wenn die Beteiligten nichts Abweichendes vereinbart haben. Insgesamt ermöglicht § 243 FamFG, dass die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen flexibler und weniger formal gehandhabt werden kann, um namentlich dem – von der Streitwertermittlung nicht hinreichend zu erfassenden – Dauercharakter der Unterhaltsverpflichtung Rechnung tragen zu können (BGH, Beschluss vom 28.9.2011 - XII ZB 2/11, FamRZ 2011, 1933, NJW 2011, 3654, unter Verweis auf BT-Druck.16/6308 S. 259).

    Das dem Familiengericht durch § 243 FamFG eingeräumte Ermessen unterliegt dabei der vollständigen Überprüfung durch das Beschwerdegericht, d.h. das Beschwerdegericht ist berechtigt und verpflichtet, selbst an Stelle des Familiengerichts Ermessen auszuüben (vgl. BGH, FamRZ 2017, 97; seitdem ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 2.1.2020 – 4 WF 175/18).

    Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, auch die Kosten des gerichtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen 92 F 1206/14 UE des Amtsgerichts einschließlich der hierauf entfallenden Kosten des Abschlusses des gerichtlichen Vergleichs vom 30.7.2019 gegeneinander aufzuheben.

    Der Inhalt des geschlossenen Vergleichs rechtfertigt es, dem sich aus § 98 ZPO bzw. § 83 Abs. 1 FamFG ergebenden Rechtsgedanken den Vorrang einzuräumen vor einer am Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten mit ihrer Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung in der Unterhaltssache ausgerichteten Verteilung der Kosten. Dies ergibt sich zum Einen daraus, dass die im Vergleich enthaltene Einigung der Beteiligten über den Trennungsunterhalt eingebettet ist in eine umfassende Einigung über die Scheidungsfolgen, die geprägt ist von einem wechselseitigen Nachgeben bzw. Entgegenkommen der Beteiligten. Es ergibt sich zum Anderen daraus, dass sich weder dem Inhalt des Vergleichs noch dem sonstigen Akteninhalt oder dem Vortrag der Beteiligten entnehmen lässt, in welcher Höhe überhaupt von einem Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten mit ihren auf die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente für den Zeitraum der Trennung gerichteten Anträgen ausgegangen werden kann. Statt über die Höhe des monatlich zu zahlenden Trennungsunterhalts haben sich die Beteiligten nämlich auf eine Abfindung sowohl des Trennungsunterhalts als auch des nachehelichen Ehegattenunterhalts geeinigt. Dieser Umstand spricht schon für sich gesehen für eine Kostenaufhebung, was aber umso mehr gilt, als sich weder dem Inhalt des Vergleichs noch dem Inhalt der Sitzungsniederschrift oder dem Vortrag der Beteiligten entnehmen lässt, welchen monatlichen Unterhaltsanspruch und welche Bezugsdauer des (von der Antragstellerin unbefristet geltend gemachten) nachehelichen Ehegattenunterhalts die Beteiligten der Berechnung der vereinbarten Abfindung zu Grunde gelegt haben. Es lassen sich daher auch keine verlässlichen Feststellungen dazu treffen, welcher Teil der Abfindung der Abgeltung des Trennungsunterhaltsanspruchs und welcher Teil der Abfindung der Abgeltung des nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruchs dienen soll. Soweit der Antragsgegner selbst den monatlichen Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.5.2019 mit Beträgen zwischen 547,- Euro und 608,- Euro berechnet hat, entspricht dies zwar etwas mehr als der Hälfte des von der Antragstellerin geforderten Trennungsunterhalts, rechtfertigt vor dem Hintergrund der Vereinbarung einer Abfindung des Trennungsunterhaltsanspruchs und des Anspruchs auf nachehelichen Ehegattenunterhalt im Rahmen einer umfassenden Scheidungsfolgenvereinbarung jedoch keine Abweichung von einer Kostenaufhebung. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Beteiligten in dem Vergleich weder die Grundlagen der vereinbarten Abfindung angegeben haben noch sich gegen die Kostenlast verwahrt haben, dafür, dass die Beteiligten selbst bei Abschluss des Vergleichs von einer Aufhebung sowohl der Kosten des Vergleichs als auch der durch den Vergleich erledigten Rechtsstreite ausgingen. Andernfalls hätte es nahegelegen, dass die Beteiligten den Vergleich so formulieren, dass sich daraus die Quote des Obsiegens bzw. Unterliegens in den durch den Vergleich erledigten Rechtsstreiten ermitteln lässt. Da die vereinbarte Abfindung auch nicht so bemessen ist, dass von einem eindeutig überwiegenden Obsiegen oder Unterliegen eines Beteiligten auszugehen wäre, sieht der Senat keine Veranlassung, von dem sich aus § 98 ZPO ergebenden Rechtsgedanken abzuweichen.

    Die Höhe der entstandenen Auslagen für die gerichtlich beauftragten Sachverständigen rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Kostenverteilung, weil nach dem Ergebnis der eingeholten Gutachten und im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Unterhaltsabfindung nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Antragstellerin mit ihrem Sachvortrag in vollem Umfang beweisfällig geblieben ist

    Der Umstand, dass der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, ist für die Bemessung der Kostenquote ohne Belang, zumal die Antragstellerin im Hinblick auf den ihr bis zum Jahr 2022 zufließenden Unterhalt ohnehin mit der Anordnung von Ratenzahlungen rechnen muss.

    Im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der wechselseitigen Beschwerden erachtet der Senat eine Ermäßigung der von beiden Beteiligten kraft Gesetzes zu tragenden Gerichtsgebühren des zweiten Rechtszugs auf die Hälfte für geboten (§§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG i. V. m. Ziffer 1912 KV FamGKG). Die Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander ist auch für den zweiten Rechtszug, über dessen Kosten ebenfalls nach § 243 FamFG zu entscheiden ist, im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der wechselseitigen Beschwerden nicht veranlasst.

    Die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags der Antragstellerin beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1, 2 und 4 ZPO. Die Höhe einer von der Antragstellerin zu leistenden monatlichen Rate wäre höher als die Kosten ihrer Verfahrensführung. Diese belaufen sich auf die Gerichtsgebühr von 30,- Euro nach Ziffer 1912 KV FamGKG sowie die Anwaltsvergütung in Höhe einer 0,5-fachen Gebühr nach Ziffer 3500 VV RVG zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer.

    Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bemisst sich nach der begehrten Herabsetzung der Kostenlast. Ausgehend vom Kostenfestsetzungsantrag der Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 5.6.2020, der wegen der Einbeziehung auf das Scheidungsverbundverfahren entfallender Kosten der Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt etwas übersetzt ist, und den bei einem Verfahrenswert von 13.968,- Euro und einem Gegenstandswert der nicht rechtshängig gewordenen Vergleichsgegenstände von 24.152,- Euro anfallenden Gerichtsgebühren von 293,- Euro nach Ziffer 1221 KV FamGKG und von 92,75 Euro nach Ziffer 1500 KV FamGKG belaufen sich die Anwalts- und Gerichtskosten des ersten Rechtszugs insgesamt auf gerundet 10.000,- Euro. Hiervon möchte die Antragstellerin nur 11,43 Prozent statt der ihr vom Amtsgericht ursprünglich auferlegten 88 Prozent tragen. Sie begehrt also eine Herabsetzung ihrer Kostenschuld um rund 7.660,- Euro. Da der Antragsgegner mit seiner Beschwerde eine Wiederherstellung der ursprünglichen Kostenentscheidung des Amtsgerichts begehrt, entspricht dieser Betrag dem Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beteiligten im zweiten Rechtszug. Daraus ergibt sich eine dem Bevollmächtigten der Antragstellerin im zweiten Rechtszug geschuldete Vergütung von 295,12 Euro einschließlich Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer. Die Kosten der Verfahrensführung der Antragstellerin im zweiten Rechtszug belaufen sich damit auf insgesamt 325,12 Euro.

    Dieser Betrag unterschreitet eine von der Antragstellerin aus ihrem Einkommen aufzubringende Monatsrate. Zieht man den Erwerbstätigenfreibetrag von 228,- Euro und den Grundfreibetrag von 501,- Euro vom Erwerbseinkommen der Antragstellerin in Höhe von 450,- Euro und dem bis einschließlich 2022 bezogenen Unterhalt von umgerechnet 1.111,25 Euro ab, verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 832,25 Euro, aus welchem sich eine monatliche Rate von 532,25 Euro ergibt.

    Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 91a Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO).

    Schmidt