OLG Frankfurt vom 28.07.2016 (4 WF 112/16)

Stichworte: Anwaltsbeiordnung, auswärtig ansässiger Rechtsanwalt, stillschweigendes Einverständnis
Normenkette: FamFG 78 Abs. 3, ZPO 121 Abs. 3
Orientierungssatz:
  • Der Senat gibt seine Rechtsprechung, dass es für die Beiordnung eines nicht im Bezirk des Gerichts ansässigen Anwalts zu den Bedingungen eines im Bezirk des Gerichts ansässigen Anwalts dessen ausdrücklicher Zustimmung bedarf (vergl. SenatsBeschluss vom 24.04.2013, 4 WF 102/13) auf; vielmehr ist anzunehmen, dass derjenige auswärtige Anwalt, der das ihn betreffende Beiordnungsgesuch seines Mandanten übermittelt, stillschweigend sein Einverständnis zu einer eingeschränkten Beiordnung erklärt.
  • 72 F 308/16
    AG Groß-Gerau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 28.07.2016 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 2. vom 06.05.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Groß-Gerau vom 08.03.2016, Az. 72 F 308/16, in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.05.2016 teilweise abgeändert; insoweit wird dem Antragsteller zu 2. Verfahrenskostenhilfe ratenfrei aus einem Verfahrenswert von € 1.357,31 bewilligt. Ihm wird Rechtsanwältin, , zu den Bedingungen einer im Bezirk des Familiengerichts ansässigen Rechtsanwältin beigeordnet.

    Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

    Das Familiengericht hat über den Verfahrenskostenhilfeantrag der Mutter/ Vertreterin der Antragsteller vom 29.06.2016 in eigener Zuständigkeit zu befinden.

    Gründe:

    Die Antragsteller begehren Verfahrenskostenhilfe für in der Hauptsache zu verfolgen beabsichtigte Zahlungsanträge gegen den Antragsgegner, ihren Vater, gestützt darauf, dieser besitze ihr Vermögen und sei zur Herausgabe bzw. zur Gewährung von Schadenersatz verpflichtet.

    Die Vertreterin der Antragsteller und der Antragsgegner waren Ehegatten, die die Sorge für beide Kinder gemeinsam ausübten. Sie wurden durch Beschluss des AG Mainz vom 17.06.2014 rechtskräftig geschieden. Durch weiteren Beschluss vom 05.02.2015 des AG Mainz, Az. 33 F 251/13, wurde die elterliche Sorge für beide Antragsteller auf die Mutter/Vertreterin der Antragsteller zur alleinigen Ausübung übertragen.

    Zur Zeit der Trennung der Eltern der Antragsteller im März 2012 bestanden zu einer vom Antragsgegner bei der Sparda-Bank Südwest eG unterhaltenen Kontoverbindung mindestens drei Unterkonten, eines davon lautend auf die Antragstellerin zu 1. mit einem Guthabensbetrag von € 2.261,12 und zwei lautend auf den Antragsteller zu 2. mit Guthabensbeträgen von € 2.797,31 und € 1.500,00. Diese Unterkonten wurden für die Antragsteller auf gemeinsamem Entschluss der Eltern unterhalten.

    Seit 2013 fordern die Antragsteller die Herausgabe dieser Beträge an sie; der Antragsgegner wies Anfang 2014 den Antragstellern nach, dass für beide Antragsteller nunmehr je ein Unterkonto mit einem jeweiligen Guthaben von € 2.940,00 bestehe.

    Am 03.07.2015 begehrten die Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Hauptsacheverfahren, in dem sie den Antragsgegner auf Zahlung von € 2.261,12 an die Antragstellerin zu 1. und von € 4.297,31 an den Antragsteller zu 2. in Anspruch nehmen wollen. Mit dem angefochtenen Beschluss, den Antragstellern zugestellt am 21.04.2016, wies das Familiengericht dieses Gesuch zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 06.05.2016, der das Familiengericht am 09.05.2016 nicht abhalf.

    Nach Hinweis des Senatseinzelrichters vom 07.06.2016 hielten die Antragsteller einerseits an ihrer Beschwerde fest (eine Beschränkung erfolgte nur bedingt), andererseits beantragte die Mutter der Antragsteller ebenfalls Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptsacheantrag, den Antragsgegner auf Zahlung von € 5.201,12 in Anspruch zu nehmen.

    Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    Die zulässige, §§ 113 I 2 FamFG, 127 II, 567 ff. ZPO, sofortige Beschwerde der Antragsteller hat teilweise Erfolg. Denn die vom Antragsteller zu 2. beabsichtigte Rechtsverfolgung hat im Umfang von € 1.357,31 die nach den §§ 113 I 2 FamFG, 114 ZPO nötige Erfolgsaussicht. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde, die infolge einer am 29.06.2016 genannten Bedingung nicht wirksam beschränkt wurde (Verfahrenserklärungen sind grundsätzlich bedingungsfeindlich), unbegründet und war deswegen zurückzuweisen.

    Denn der Antragsteller zu 2. hat Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen, der Antragsgegner sei ihm zum Schadenersatz über € 1.357,31 verpflichtet, §§ 1664, 1642 BGB. Hierbei handelt es sich nicht nur um die Festlegung eines Verschuldensmaßstabes, sondern um eine Anspruchsgrundlage (vergl. OLG Frankfurt FamRZ 2016, 147-148 m.w.N.). Einerseits hat er pauschal, aber unwidersprochen vorgetragen, zur Zeit der Trennung seiner Eltern über Vermögen von € 2.797,31 und € 1.500,00 verfügt zu haben, welches sich – aufgrund des Sorgeverhältnisses – im Zugriff des Antragsgegners auf den zwei benannten Unterkonten zu einer vom Antragsgegner unterhaltenen Kontoverbindung zur Sparda – Bank Südwest eG befand. Nach den eigenen vorgerichtlichen Darlegungen des Antragsgegners andererseits beträgt dieses Vermögen in Form eines Unterkontoguthabens des Antragstellers zu 2. aber nur noch € 2.940,00, so dass es nahe liegt, dass die Minderung um € 1.357,31 auf pflichtwidrigen Verhalten des Antragsgegners beruht. Denn der Antragsgegner, der mit diesem Nachweis grundsätzlich einräumte, auf den Unterkonten Kindesvermögen verwahrt zu haben (warum sollte er sonst diesen Nachweis hätte führen sollen?), hat ebenfalls nicht erklärt, warum diese Minderung eintrat.

    Einen weitergehenden Anspruch in eigener Person haben die Antragsteller aber nicht hinreichend deutlich dargelegt. So vermag der Senat aus ihrem Vorbringen nicht zu erkennen, es habe jenseits des Sorgerechtsverhältnisses der Eltern zu den Antragstellern – und damit den ehemaligen Absprachen der Eltern im Innenverhältnis – ein besonderes vertragliches Treuhandverhältnis gegeben, welches den Antragsgegner zur Verwahrung des Vermögens der Antragsteller und zur Herausgabe desselben an sie nach Beendigung des Verhältnisses verpflichtete. Insofern bleibt schon unklar, wann und wie ein solches Treuhandverhältnis zustande gekommen sein sollte. Vielmehr liegt es nahe, das undokumentierte Verhalten der Eltern als eine Tätigkeit in Ausübung des ehemals gemeinsamen Sorgerechts aufzufassen.

    Insofern besteht, nachdem die Mitsorge des Antragsgegners aufgrund des Beschlusses des AG Mainz vom 05.02.2015 geendet hatte, seine Verpflichtung, vorgehaltenes Vermögen der Kinder an den neuen (alleinigen) Inhaber der elterlichen Sorge herauszugeben, § 1698 BGB. Dies will die Mutter/Vertreterin der Antragstellerin nun offenbar (hilfsweise) geltend machen und beantragt hierfür die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Über diesen neuerlichen Antrag vom 29.06.2016, der nicht Gegenstand des Ausgangsbeschlusses war, hat das Familiengericht aber in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

    An der Bedürftigkeit des Antragstellers zu 2., § 115 ZPO, gibt es im Hinblick auf die Erklärung seiner Mutter nach § 117 II ZPO keinen Zweifel; hiernach ist der Antragsteller zu 2. auch nicht in der Lage, von der Mutter einen Verfahrenskostenvorschuss zu erlangen und als Teil seines Vermögens zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen. Sollte der Antragsteller indes den in der Hauptsache zu verfolgen beabsichtigten Anspruch tatsächlich realisieren können, wird das Familiengericht zu prüfen haben, ob eine Änderung der Bewilligungsbedingungen nach § 120a ZPO in Betracht kommt, ihm insbesondere eine Zahlung aus seinem Vermögen zuzumuten ist. Auch das Bestehen eines Verfahrenskostenvorschussanspruches des Antragstellers zu 2. gegen den Antragsgegner ist im Hinblick auf dessen Einkommen nach bestenfalls der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle nicht erkennbar.

    Dem Antragsteller zu 2. war die gewählte Rechtsanwältin beizuordnen, §§ 113 I 2 FamFG, 121 ZPO, weil Anwaltszwang besteht, Familienstreitsache nach §§ 112 Nr. 3, 266 I Nr. 4, 114 FamFG. Dabei dürfen Mehrkosten durch die auswärtige Ansässigkeit der gewählten Anwältin nicht entstehen, vergl. § 121 III ZPO. Ihre Beiordnung hat daher mit der Einschränkung zu erfolgen, dass diese zu den Bedingungen einer im Bezirk des Familiengerichts ansässigen Anwältin erfolgt, und zwar ohne dass die gewählte Anwältin ausdrücklich hierzu ihre Bereitschaft erklärte. Insoweit gibt der Senat seine gegensätzliche Rechtsprechung (vergl. u.a Senatsbeschluss vom 24.04.2013, 4 WF 102/13, www.hefam.de) auf und schließt sich der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung an, dass jedenfalls die vom gewählten Rechtsanwalt wiedergegebene Wahl des Verfahrenskostenhilfe beantragenden Beteiligten einen konkludenten Mehrkostenverzicht des Gewählten enthält.

    Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1912 KV FamGKG.

    Dr. Fritzsche