OLG Frankfurt vom 29.06.2016 (4 WF 11/15)

Stichworte: Übernahmeschuldner, außergerichtlicher Vergleich
Normenkette: FamGKG 21 I 1, 24 Nr. 2, 26 II; GNotKG 27 Nr. 2; GKG 29 Nr. 2
Orientierungssatz:
  • Eine Übernahmeschuldnerschaft nach § 24 Nr. 2 FamGKG entsteht im Falle eines außergerichtlichen Vergleiches/Vertrages gegenüber der Staatskasse erst dadurch, dass dieser Vertrag durch den Übernehmenden selbst oder auf seine dokumentierte Veranlassung durch einen Dritten dem Gericht übermittelt wird, es sei denn, dass die Auslegung der Vereinbarung ergibt, dass aus dieser heraus der Staatskasse ein unmittelbarer Anspruch erwachsen soll (Vertrag zu Gunsten Dritter); dann genügt die Übermittlung durch den Versprechensempfänger.
  • 532 F 189/12
    AG Wiesbaden

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main, durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 29. Juni 2016 beschlossen:

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21.12.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wiesbaden vom 10.12.2014, Az. 532 F 189/12, wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 21.12.2014 gegen einen Beschluss des Familiengerichts vom 10.12.2014, mit dem ihre Erinnerung gegen den am 30.09.2014 korrigierten Kostenansatz des Familiengerichts zu ihren Lasten über € 1.305,00 zurückgewiesen worden war.

    Hintergrund dieses Kostenansatzes zu Lasten der Antragsgegnerin war, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin in einem Familienstreitverfahren, §§ 112 Nr. 3, 266 I Nr. 3 FamFG auf Zahlung von € 4.800,00 in Anspruch genommen hatte, während dessen die Antragsgegnerin Widerantrag über € 50.000,00 stellte. Mit am 04.06.2013 verkündetem Beschluss wies das Familiengericht beide Anträge ab, ohne eine Entscheidung über die Verfahrenskosten zu treffen. Gegen die Zurückweisung seines Antrages richtete sich die Beschwerde des Antragstellers, die beim Senat zu Az. 4 UF 308/13 geführt wurde.

    Im Laufe des Beschwerdeverfahrens schlossen die Beteiligten am 19.05.2014 zu UR.-Nr. … des Notars …, einen Vertrag, in dem sie unter X. 5. vereinbarten, dass „… die Kosten der von den Beteiligten geführten Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Wiesbaden, Az. 532 F 189/12, und vor dem OLG Frankfurt /Main, Az. 4 UF 308/13, … gegeneinander aufgehoben…“ werden; dieser Vertrag wurde dem Senat durch die Antragsgegnerin abschriftsweise vorgelegt. Der Antragsteller nahm daraufhin vereinbarungsgemäß seine Beschwerde zurück.

    Mit (korrigiertem) Kostenansatz vom 30.09.2014 nahm das Familiengericht, ausgehend von einem Verfahrenswert von € 54.800,00, die Antragsgegnerin als Veranlassungsschuldnerin für die Verfahrensgebühren der ersten Instanz von € 1.668,00 mit einer Quote von 9124/10000 in Anspruch, wobei es zu ihren Gunsten einen – entsprechend seiner Quote von 876/10000 – überzahlten Vorschuss des Antragstellers von € 216,88 in Abzug brachte. Es verblieben € 1.305,00 zu ihren Lasten.

    Hiergegen richtete sich die Erinnerung der Antragsgegnerin, die das Familiengericht am 10.12.2014 zurückwies. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21.12.2014, der das Familiengericht nicht abhalf und die den Gegenstand vielfältiger Hinweise des Senats bildete.

    Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige, § 57 II 1 FamGKG, Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Erinnerungsentscheidung des Familiengerichts ist im Ergebnis unbegründet und war daher durch das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, § 57 V 1 FamGKG, zurückzuweisen, wobei keine Veranlassung bestand, das Verfahren auf den Senat zu übertragen, § 57 V 2 FamGKG.

    Im Einzelnen:

    Zu Recht hat das Familiengericht die Antragsgegnerin mit einer Quote von 9124/10000 als Veranlassungsschuldnerin der für das Familienstreitverfahren erster Instanz entstandenen Gerichtsgebühren über € 1.668,00 herangezogen, § 21 I 1 FamGKG.

    Da der am 04.06.2013 verkündete Beschluss keine Kostenregelung enthält, aber infolge der Beschwerderücknahme des Antragstellers in formeller Rechtskraft erwuchs, gibt es keinen vorrangig in Anspruch zu nehmenden, § 26 II FamGKG, Entscheidungsschuldner, § 24 Nr. 1 FamGKG.

    Es gibt aber infolge des Vertrages vom 19.05.2014 auch keinen vorrangig in Anspruch zu nehmenden Übernahmeschuldner, §§ 26 II, 24 Nr. 2 FamGKG.

    Nach dieser Vorschrift ist Übernahmeschuldner, „…wer (die Kosten) durch eine vor Gericht abgegebene oder dem Gericht mitgeteilte Erklärung oder in einem vor Gericht abgeschlossenen oder dem Gericht mitgeteilten Vergleich übernommen hat; dies gilt auch, wenn bei einem Vergleich ohne Bestimmung über die Kosten diese als von beiden Teilen je zur Hälfte übernommen anzusehen sind …“; diese Norm entspricht wörtlich identisch den §§ 27 Nr. 2 GNotKG, 29 Nr. 2 GKG. Sie entspricht in ihren beiden ersten Alternativen auch § 3 Nr. 2 KostO a.F. In der Literatur zu allen drei aktuellen Kostengesetzen wird unter wechselseitiger Bezugnahme im Falle eines außergerichtlichen Vergleichs für das Entstehen einer Übernahmeschuldnerschaft gefordert, dass die Übermittlung des Vergleichs an das Gericht mit Willen des Übernehmenden geschieht (so beispielhaft so auch Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, § 24 FamGKG, Rz. 4), also von ihm veranlasst bzw. gebilligt erfolgt.

    Vorliegend hat aber nicht der Antragsteller den Vertrag vom 19.05.2014, aus dem sich seine Übernahmeschuldnerschaft ergeben könnte, vorgelegt, sondern die Antragsgegnerin; sein Wille zur Übermittlung an das Gericht, den auch der Senat aus nachstehenden Gründe:n für erforderlich erachtet, müsste sich daher aus sonstigen Umständen des Einzelfalles ergeben.

    Die Notwendigkeit einer solchen Veranlassung durch den künftigen Übernahmeschuldner ergibt sich für den Senat auch im Hinblick auf § 24 Nr. 2 4. Alt. FamGKG daraus, dass in den drei anderen Alternativen eine unmittelbare Handlung des künftigen Schuldners gegenüber dem Gericht tatbestandlich vorausgesetzt wird, in dem es heißt, dass die Schuldnerschaft dadurch eintritt, dass eine (einseitige) Übernahmeerklärung des künftigen Schuldners vor Gericht abgegeben oder diesem übermittelt wird (setzt beides eine an das Gericht gerichtete Erklärung voraus) oder ein Vergleich vor dem Gericht abgeschlossen wird – auch hier erfolgt unmittelbar eine Erklärung einer bestimmten Rechtsfolge gegenüber dem Gericht und seiner Mitwirkung. Anders die Situation bei Abschluss eines außergerichtlichen, wenngleich notariell beurkundeten Vertrages, der zunächst nur Innenwirkung zwischen den Vertragsbeteiligten besitzt. Dieser kann auch durch einen Dritten, namentlich den Vertragspartner übermittelt werden. Es ist aber auch in diesem Fall nicht erkennbar, warum nur der Abschluss eines Vergleiches außerhalb der gerichtlichen Sphäre eine Einstandspflicht eines Vertragspartners unmittelbar gegenüber dem Gericht begründen sollte. Insofern hat das OLG Frankfurt, MIttBayNot 2007, 244f., zu § 3 Nr. 2 KostO entschieden, dass sich eine Kostenübernahmeerklärung eines Urkundsbeteiligten im Zweifel nicht an den beurkundenden Notar, sondern an den sonstigen Vertragsbeteiligten richtet; ebenso weist das OLG München ZNotP 2008, 135f., ebenfalls zu § 3 Nr. 2 KostO darauf hin, dass eine Kostenübernahmeerklärung einem beurkundenden Notar ausdrücklich mündlich oder schriftlich gegenüber abgegeben werden muss und eine Vereinbarung der Vertragsbeteiligten grundsätzlich nur die Kostenübernahme in ihrem Innenverhältnis regelt, wenn nicht im Einzelfall die Auslegung der Erklärung etwas anderes ergibt. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2005, 721f.).

    Eine Ausnahme kann nach Ansicht des Senats nur dann vorliegen, wenn der Vertrag selbst einen Anspruch der Staatskasse begründen sollte, etwas im Sinne eines Vertrages zu Gunsten Dritter, § 328 BGB; dann wäre es auch interessengerecht, wenn der Vertragspartner, der den Anspruch auf Erfüllung hat zu Gunsten des Dritten hat, vergl. § 335 BGB, den Dritten, d.h. die Staatskasse, von diesem Vertrag in Kenntnis setzt, um dieser eine eigenständige Durchsetzung des Rechts, vergl. § 328 I BGB, zu ermöglichen.

    Beides liegt aber hier nicht vor:

    Weder ergibt sich für den Senat nachvollziehbar, dass (ausnahmsweise) die Vorlage des Vertrages vom 19.05.2014 durch die Antragsgegnerin seitens des Antragstellers gebilligt war, die Antragsgegnerin sozusagen für ihn als Botin handeln sollte, noch dass der Staatskasse unmittelbar aus dem Vertrag ein eigenes Forderungsrecht erwuchs. Denn die gewählte Formulierung hat, auch wenn sie den Wortlaut des § 92 II ZPO aufgreift, zunächst und im Zweifel in Anlehnung an die o.g. Rechtsprechung nur rein internen Charakter. Besondere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung sind nicht erkennbar, insb. wurden im Vertrag im Übrigen, sofern dessen Offenlegung zu seinem Vollzug Dritten gegenüber nötig war, jeweils Offenlegungsregeln getroffen, vergl. VI., XII. 4. und 5. des Vertrages. Auch für ein eigenständiges Forderungsrecht eines Dritten gibt die gewählte Formulierung nichts her, zumal kein Dritter genannt wird.

    Es bleibt nur die Veranlassungshaftung der Antragsgegnerin aufgrund ihres Widerantrages über € 50.000,00, der – gemessen am Verfahrensgesamtwert von € 54.800,00, vergl. Wertfestsetzung vom 04.06.2013 – zu einer Haftungsquote ihrerseits von 9124/10000 führt. Zudem sind für die vorliegende Familienstreitsache, vergl. §§ 112 Nr. 2, 266 Nr. 3 FamFG, Verfahrenskosten über € 1.668,00 insgesamt angefallen (3,0-fache Gerichtsgebühr aus € 54.800,00 nach Nr. 1220 KV FamGKG i.V.m. Anlage 2 zum FamGKG in der bis 31.07.2013 gültigen Fassung), so dass auf die Antragsgegnerin € 1.521,88 entfallen. Unter Beachtung der Vorschusszahlung des Antragstellers von € 363,00, soweit er nicht zur Deckung seines Kostenanteils von 876/10000 benötigt wird, verbleibt eine seit Eingang des Widerantrages, § 9 I FamGKG, fällige Restforderung von € 1.305,00 zu Lasten der Antragsgegnerin.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 57 VIII 2 FamGKG.

    Dr. Fritzsche