OLG Frankfurt vom 21.10.2009 (4 WF 107/09)

Stichworte: Fahrtkosten, Prozeßkostenmhilfe, Pauschale pauschale Fahrtkosten, Prozeßkostenhilfe
Normenkette: ZPO 115 Abs. 1 Nr. 1, SGB XII 82 Abs. 2 Nr. 4 und 3 Abs. 6 Nr. 2 a
Orientierungssatz:
  • Die im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung vom Einkommen absetzbaren Fahrtkosten sind nach der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 28.11.1962, zuletzt geändert durch Art. 12 zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, und nicht entsprechend der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte zu bestimmen (vgl. OLG Karlsruhe 5.ZS FamRZ 2009, 1424 f; FamRZ 2008, 69; OLG Karlsruhe 16. ZS FamRZ 2008, 2288 f; OLG Nürnberg FamRZ 2008, 1961 f)
  • Bei der Ratenberechnung werden monatliche berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 114,40 EUR abgezogen, ausgehend von der angegebenen einfachen Entfernung zum Arbeitsplatz von 22 km und einer Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 01.09.2009 gegen den Beschlussdes Amtsgerichts - Familiengerichts - Wiesbaden vom 31.08.2009 - Nichtabhilfe-Beschlussvom 04.09.2009 - durch Richterin am Oberlandesgericht Adomeit als Einzelrichterin am 21.10.2009 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe:

    I. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.08.2009 hat das Amtsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und auf die Prozesskosten Raten in Höhe von 30 EUR monatlich festgesetzt. Bei der Ratenberechnung hat das Amtsgericht monatliche berufsbedingte Fahrtkosten des Antragstellers in Höhe von 114,40 EUR von seinem Einkommen abgezogen, ausgehend von der angegebenen einfachen Entfernung zum Arbeitsplatz von 22 km und einer Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer.

    Mit seiner sofortigen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, die Fahrtkosten seien mit monatlich 264 EUR zu berücksichtigen, auf der Basis einer Pauschale von 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer.

    II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 3 ZPO zulässig, insbesondere fristgemäß. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die berufsbedingten Fahrtkosten des Antragstellers zu Recht auf der Basis eines Betrages von 5,20 EUR je Entfernungskilometer anerkannt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (vgl.Beschlussvom 02.03.2007 Az. 1 WF 280/06;Beschlussvom 19.09.2007 Az. 1 WF 159/07;Beschlussvom 16.06.2006, Az. 4 WF 55/06).

    Die Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer ergibt sich aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII und § 3 Abs. 6 Nr. 2 a der dazu erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 28.11.1962, zuletzt geändert durch Art. 12 zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022, 3059).

    Soweit teilweise vertreten wird, die im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung vom Einkommen absetzbaren Fahrtkosten seien nicht nach dieser Verordnung, sondern entsprechend der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte zu bestimmen (vgl. OLG Karlsruhe 5.ZS FamRZ 2009, 1424 f; FamRZ 2008, 69; OLG Karlsruhe 16. ZS FamRZ 2008, 2288 f; OLG Nürnberg FamRZ 2008, 1961 f;), folgt der Senat dieser Auffassung nicht.

    § 115 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO verweist hinsichtlich der vom Einkommen absetzbaren Beträge ausdrücklich auf § 82 Abs. 2 SGB XII. Gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben in Abzug zu bringen. Hierzu gehören die berufsbedingten Fahrtkosten. Die Höhe der insoweit anzuerkennenden Kosten bestimmt sich für den Bereich des Sozialhilferechts nach der obengenannten Durchführungsverordnung, die auf der Verordnungsermächtigung des § 96 Abs. 1 SGB XII beruht. Zwar verweist § 115 ZPO lediglich auf § 82 SGB XII, nicht aber auf § 96 SGB XII. Dies hindert die Gerichte im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung jedoch nicht, sich an dieser Verordnung zu orientieren. Der Gesetzesbegründung lässt sich zwar entnehmen, dass Hintergrund der mangelnden Verweisung auf die entsprechende Verordnungsermächtigung und die darauf beruhenden Verordnungen die ausdrückliche Absicht des Gesetzgebers war, die Zivilgerichte nicht mehr als unbedingt nötig an das abweichend strukturierte Sozialhilferecht zu binden (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6963, Seite 12). Ausdrücklich nicht ausgeschlossen wurde jedoch, dass die Gerichte in den ergehenden näheren Bestimmungen der Bundesregierung Anhaltspunkte (hier: für die Bemessung des Freibetrages) finden (vgl. BT-Drs 12/6963, S.12; so auch Musielak ZPO 7.Aufl. § 115 Rn 11). Es ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Prozesskostenhilfe ihrem Wesen nach um eine Sozialleistung handelt, so dass die Anwendung sozialrechtlicher Vorschriften nahe liegt (vgl. OLG Karlsruhe 2.ZS FamRZ 2009, 1165, 1166). Wenn damit die Gerichte auch nicht an im Bereich des Sozialhilferechts erlassene Verordnungen gebunden sind, so bleibt es ihnen doch unbenommen, sich an diesen zu orientieren.

    Dagegen ist die Heranziehung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien zu Bestimmung der absetzbaren Fahrtkosten im Hinblick auf den Charakter der Prozesskostenhilfe als Sozialleistung nahezu systemwidrig. Im Unterhaltsrecht orientiert sich die Bedürftigkeit am Lebensstandard des Berechtigten und Verpflichteten. Das SGB XII ist hingegen dadurch geprägt, dass es eine Mindestsicherung garantiert, falls der Betreffende sich nicht selbst helfen kann. Damit bestehen grundlegende Unterschiede im Verständnis des Einkommensbegriffs (vgl. OLG Karlsruhe 2.ZS a.a. O.). Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung der Durchführungsverordnung zur Rechtssicherheit bei trägt, da zum einen die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte in puncto Fahrtkosten voneinander abweichen und zum anderen Gerichte anderer Rechtszweige bei der Prüfung der im Rahmen der Prozesskostenhilfe absetzbaren Fahrtkosten unterhaltsrechtliche Grundsätze nicht heranziehen.

    Soweit darauf hingewiesen wird, dass die Fahrtkostenpauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer, die zudem auf 40 Entfernungskilometer begrenzt ist, den in den vergangenen Jahren tatsächlich gestiegenen Fahrtkosten nicht mehr gerecht wird, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kilometerpauschale der unterhaltsrechtlichen Leitlinien auch die Kosten der Wiederbeschaffung eines Pkw enthalten. Je nach Entfernung des Wohnorts der Partei von der Arbeitsstelle werden ihr über die Pauschale nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien Anschaffungskosten zuerkannt, die möglicherweise tatsächlich nicht anfallen, da der PKW abgezahlt ist und die Partei weder Geld für eine Neuanschaffung zurücklegt noch eine solche in absehbarer Zeit beabsichtigt (vgl. hierzu die Berechnungsbeispiele in der zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 1166 f). Zudem ist es möglich, im Rahmen der Prozesskostenhilfe tatsächlich bestehende Darlehensbelastungen für die Anschaffung eines Pkw ebenso vom Einkommen des Antragstellers abzuziehen wie die Kosten der Kfz-Versicherung und die Kfz- Steuer.

    Die Ratenberechnung des Amtsgerichts ist auch im übrigen nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nr. 1812 KV zum Gerichtskostengesetz. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

    Adomeit