OLG Frankfurt vom 17.09.2018 (4 UF 62/18)

Stichworte: Billigungsbeschluss; Rechtsmittel; offene Umgangsregelung
Normenkette: FamFG 58 Abs. 1; FamFG 156 Abs. 2; BGB 1696 Abs. 1 S 1
Orientierungssatz:
  • Familiengerichtliche Beschlüsse, mit denen eine einvernehmliche Regelung über den Umgang des Kindes nach § 156 Abs. 2 FamFG familiengerichtlich gebilligt wird, unterliegen der Beschwerde (Anschluss an OLG Hamm FamRZ 2015, 273-274; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2015 zu Az. II-5 UF 51/15; Abgrenzung zu OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1533). Die familiengerichtliche Billigungsentscheidung hat bereits deshalb eine konstitutive und nicht lediglich deklaratorische Wirkung, weil sie nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG auf dem Ergebnis einer vorhergehenden materiellen (negativen) Kindeswohlprüfung des Gerichts beruht.
  • Eine gerichtliche Umgangsregelung kann in ihrer weiteren Gestaltung nach Abschluss der geregelten Zeiträume zumindest dann offen bleiben, wenn die Kindeseltern künftig erkennbar in der Lage sein werden, den Umgang konfliktfrei und kindeswohlentsprechend selbst zu regeln. Ist damit bereits der gesamte regelungsbedürftige Zeitraum von der Entscheidung des Gerichts erfasst, handelt es sich auch nicht um eine im Umgangsverfahren uU. unzulässige Teilentscheidung.
  • 21 F 39/18
    AG Alsfeld

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend die Regelung des Umgangs

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Kindesmutter vom 28.03.2018 gegen den Billigungsbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Alsfeld vom 01.03.2018 am 17. September 2018 beschlossen:

    Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der Umgang des Kindesvaters mit dem Kind X, geb. am … , wie folgt geregelt:

    Der Kindesvater ist berechtigt und verpflichtet, mit dem Kind zu folgenden Zeiten begleiteten Umgang zu haben:

    - am 24. September 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    - am 9. Oktober 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    - am 22. Oktober 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    - am 6. November 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    - am 20. November 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    - am 4. Dezember 2018 von 16.00 bis 18.00 Uhr

    Zum Umgangsbegleiter wird Herr Y, Mitarbeiter des …. , bestimmt.

    Beiden Kindeseltern wird aufgegeben, am 11. Dezember 2018 um 9.00 Uhr an einem Nachgespräch mit Herrn Y teilzunehmen.

    Der Umgang sowie das begleitende Gespräch finden statt in den Räumen des….

    Nach Beendigung der begleiteten Umgangskontakte soll der Umgang nach individueller Absprache der Kindeseltern unbegleitet stattfinden.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die sich aus vorstehenden Anordnungen zur Durchführung des begleiteten Umgangs ergebenden Pflichten wird den beteiligten Eltern die Verhängung eines Ordnungsgelds von bis zu 25.000 €, oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder seine Festsetzung keinen Erfolg verspricht, von Ordnungshaft bis zu sechs Monate angedroht.

    Die Gerichtskosten beider Rechtszüge tragen die beteiligten Eltern je zur Hälfte. Ihre Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst.

    Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.000,- Euro.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Die beteiligten Eltern streiten um den Umgang des Kindesvaters mit seinem seit Trennung der Eltern im Juli 2015 bei der Mutter lebenden fünfjährigen Sohn X. Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts und des Ergebnisses der vom Familiengericht vorgenommenen Anhörung der Beteiligten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Sitzungsniederschrift vom 27.02.2018 und die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

    Mit dem angefochtenen, der Kindesmutter am 05.03.2018 zugestellten Beschluss hat das Familiengericht einen im dortigen Anhörungstermin vom 27.02.2018 geschlossenen Vergleich gebilligt, mit dem die Eltern den Umgang des Kindesvaters mit X geregelt haben.

    Die Mutter begehrt mit ihrer am 28.03.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde in Abänderung des gebilligten Vergleichs eine dem Kindeswohl entsprechende Umgangsregelung. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die nach dem Vergleichsschluss vereinbarungsgemäß durchzuführenden Umgangskontakte seien überwiegend an der nachhaltigen Weigerung X´ gescheitert, seinen Vater zu begleiten, teils aber auch an vorherigen Absagen des Kindesvaters. Im Anhörungstermin vor dem Senat vom 8. August 2018 haben die Kindeseltern mit Zustimmung der vom Senat bestellten Verfahrensbeiständin und der fallzuständigen Mitarbeiterin des Jugendamts eine Übereinkunft erzielt, nach der zunächst begleitete Kontakte zwischen Vater und Sohn stattfinden sollen, die bei Erfolg in einen von beiden Eltern selbstständig zu regelnden unbegleiteten Umgang münden sollten.

    Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der zuvor erfolgten Anhörung des Kindes durch den beauftragten Berichterstatter des Senats wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.08.2018 sowie den Anhörungsvermerk vom 06.07.2018 Bezug genommen.

    II.

    Die Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    Nach § 58 Abs. 1 FamFG findet die Beschwerde gegen im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidungen der Familiengerichte statt. Dazu zählen nach Ansicht des Senats auch Beschlüsse, mit denen die einvernehmliche Regelung über den Umgang des Kindes nach § 156 Abs. 2 FamFG familiengerichtlich gebilligt wird (ebenso OLG Hamm FamRZ 2015, 273-274; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 29. April 2015 zu Az. II-5 UF 51/15 und vom 23. März 2015 zu Az. II-5 UF 51/15, jew. zit. n. juris; Erman-Döll, BGB, 15. A., § 1684, Rz. 17; Zöller-Lorenz, ZPO, 32. A., § 156 FamFG, Rz. 3; Hammer FamRZ 2011, 1268; Cirullies ZKJ 2011, 448; a. A. OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1533; MüKoFamFG-Schumann, 2. A., FamFG § 156, Rz. 27).

    Soweit demgegenüber vertreten wird, bei der gerichtlichen Billigung nach § 156 Abs. 2 FamFG handele es sich nur um die deklaratorische Bestätigung eines vorangegangenen Vergleichsschlusses der Eltern, also nicht um eine Endentscheidung iSd. §§ 38, 58 Abs. 1 FamFG (vgl. OLG Nürnberg aaO; MüKoFamFG-Schumann aaO), vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Endentscheidungen sind nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG Entscheidungen, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird, d. h. Beschlüsse, durch die die Instanz zumindest für einen Verfahrensgegenstand abgeschlossen wird (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 32. A., § 58 FamFG, Rz. 3). Diese Voraussetzung ist für die gerichtliche Billigung eines Vergleichs nach § 156 Abs. 2 FamFG zu bejahen, weil dieser gem. § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG erst durch die Billigung zu einem vollstreckungsfähigen Titel wird. Nur durch sie wird das Umgangsverfahren als Amtsverfahren, über dessen Regelungsgegenstand die Eltern weder materiell- noch verfahrensrechtlich verfügen können, der Erledigung zugeführt (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2014, 2019-2020; Hammer aaO.). Die gerichtliche Billigungsentscheidung hat auch deshalb nicht lediglich deklaratorische, sondern konstitutive Wirkung, weil sie nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG auf dem Ergebnis einer vorhergehenden materiellen Kindeswohlprüfung beruht, denn das Gericht billigt die Umgangsregelung nur dann, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung, vgl. BeckOKFamFG-Schlünder, 27. Edition, Stand: 02.04.2018, § 156 FamFG, Rz. 18). Durch die Billigung stellt das Gericht zudem fest, dass das gesetzliche Verfahren eingehalten wurde, insbesondere die – im vorliegenden Verfahren teils unterbliebenen - erforderlichen Anhörungen erfolgt sind. Schließlich spricht auch die separate Anfechtbarkeit des Unterlassens einer Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG im Billigungsbeschluss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 957) dafür, dass es sich bei der gerichtlichen Billigung selbst erst recht um eine rechtsmittelfähige Endentscheidung handelt (OLG Hamm aaO.).

    Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist nach § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des betroffenen Kindes nachhaltig berührenden Gründe:n angezeigt ist. Zweck der Änderungsbefugnis ist daher nicht die erneute Überprüfung der Grundlagen der ursprünglichen Regelung, sondern die Anpassung der getroffenen Anordnungen an eine Änderung der für die ursprüngliche Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1990, 1135-1137). Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit der Einschränkung der Abänderungsbefugnis bezweckte Erziehungskontinuität müssen die für eine Abänderung sprechenden Umstände dabei deutlich gegenüber den damit verbundenen Nachteilen überwiegen (vgl. Senat FamRZ 2011, 1875-1876; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 1120-1122; KG FamRZ 2016, 1780-1784; Palandt-Götz, BGB, 77. A., § 1696, Rz. 11).

    Eine Abänderung ist hier bereits im Hinblick auf die inzwischen fast sechsmonatige Unterbrechung des Umgangs zwischen Vater und Sohn veranlasst (vgl. KG aaO), aber auch wegen der von X selbst im Rahmen seiner vor dem Senat erstmalig durchgeführten Anhörung geäußerten Vorbehalte gegen die bisher durchgeführten Kontakte und schließlich auch angesichts der von den Kindeseltern im Anhörungstermin vom 08.08.2018 getroffenen – geänderten – Übereinkunft über die Durchführung des Umgangs.

    Entsprechend der von den Eltern selbst im Anhörungstermin vom 08.08.2018 getroffenen Vereinbarung waren zunächst zur Wiederanbahnung der Kontakte zwischen X und seinem Vater sechs begleitete Umgangskontakte anzuordnen. Diese Einschränkung des Umgangsrechts ist angesichts der Dauer des Kontaktabbruchs, aber auch der von X im Rahmen seiner Anhörung geäußerten Vorbehalte gegen Besuche bei seinem leiblichen Vater für einen Übergangszeitraum erforderlich (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1792; OLG Köln FamRZ 20109, 129; OLG Jena FamRZ 2007, 661; Heilmann-Gottschalk, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 1684 BGB, Rz. 72).

    Durchgreifende Bedenken gegen die Durchführung des Umgangs selbst bestehen unter den insoweit allein maßgeblichen Kindeswohlgesichtspunkten (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB) dagegen nicht und werden auch von den Beteiligten nicht vorgebracht. Soweit die Kindesmutter im Hinblick auf die von ihr angenommene Suchterkrankung des Kindesvaters zunächst Bedenken hinsichtlich der Sicherheit ihres Sohnes bei der Durchführung der einzelnen Kontakte geäußert hatte, greifen diese angesichts der Anordnung begleiteter Umgänge einerseits, der bereits erstinstanzlich erklärten Bereitschaft des Kindesvaters andererseits, sich jeweils vor und nach den – späteren – unbegleiteten Umgängen einer freiwilligen Atemalkoholkontrolle zu unterwerfen, die er auch in zweiter Instanz ausdrücklich bestätigt hat, nicht durch. Dem entgegenstehenden Willen X´ selbst kommt demgegenüber nur insoweit Bedeutung zu, als sie die Anordnung eines begleiteten Umgangs (mit) veranlasst (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.07.2010 zu Az. 10 UF 25/10; zit. n. BeckRS 2010, 17507; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 1585-1588; Erman-Döll, BGB, 15. A., § 1684 BGB, Rz. 22). Zwar stellt sich die Abneigung des Kindes gegenüber Besuchen bei seinem leiblichen Vater nach dem Ergebnis der Kindesanhörung als Resultat einer autonomen Willensbildung dar und ist objektiv – aus kindlicher Perspektive nachvollziehbar – mit einer eingeschränkten Fähigkeit des Vaters begründet worden, die Zeit mit X sinnvoll und kindesangemessen zu verbringen, ferner mit dem Streit der Eltern. Gerade die Begleitung der Umgangskontakte ist jedoch geeignet, dem Vater die Erkenntnis der Notwendigkeit und zugleich die Fähigkeit zu vermitteln, die Zeit mit seinem Sohn sinnvoll, d. h. den wohlverstandenen Bedürfnissen des Kindes entsprechend als Qualitätszeit zu gestalten. Auch wird die Anbahnung regelmäßiger, vom Kindesvater verlässlich wahrgenommener und konfliktfrei verlaufender Kontakte dazu führen, dem Jungen die Erkenntnis zu vermitteln, dass er seinen leiblichen Vater ohne Furcht vor erneuten Streitereien seiner Eltern besuchen kann.

    Für eine über die von den Beteiligten selbst vereinbarte Zahl begleiteter Umgangskontakte hinausgehende Einschränkung des Umgangs des Vaters mit X sieht der Senat gemeinsam mit den Kindeseltern, aber auch mit Verfahrensbeiständin und Jugendamt, keine Veranlassung. Die zunächst gerichtlich vorgegebene Umgangsregelung kann in ihrer weiteren Gestaltung nach Abschluss der begleiteten Umgänge offen bleiben (vgl. Staudinger-Rauscher (2014) BGB § 1684, Rz. 173). Der Senat geht angesichts des weitgehend kooperativen Verhaltens der Eltern im Rechtsmittelverfahren und der von ihnen im Anhörungstermin überzeugend vermittelten Einsicht in die Bedürfnisse ihres gemeinsamen Kindes sowie schließlich im Hinblick auf die vereinbarten Beratungsgespräche davon aus, dass sie künftig in der Lage sein werden, X aus dem elterlichen Konflikt herauszuhalten und ihm so die Möglichkeit zu geben, den Kontakt zu seinem Vater uneingeschränkt zu genießen. Einer gerichtlichen Regelung bedarf es danach nicht mehr. Da damit bereits der gesamte regelungsbedürftige Zeitraum von der Entscheidung des Senats erfasst wird, stellt sich vorliegend auch nicht die umstrittene Frage nach der Zulässigkeit einer Teilentscheidung im Umgangsverfahren (vgl. zum Meinungsstand Erman-Döll, BGB, 15. A., § 1684 BGB, Rz. 20 mwN.).

    Vorsorglich weist der Senat jedoch darauf hin, dass das Umgangsrecht nach § 1684 BGB nicht lediglich als Elternrecht konzipiert ist, sondern vielmehr ein Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil besteht; umgekehrt ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Dabei stehen die aus dem natürlichen Elternrecht erwachsenden Rechtspositionen der Eltern unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, hat demgemäß den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen und an einer den Bedürfnissen des Kindes entsprechenden Regelung mitzuwirken und den Umgang zu fördern (§ 1684 Abs. 2 BGB; vgl. BVerfG NJW 2002, 1103-1111).

    Die Androhung von Ordnungsmitteln folgt aus § 89 Abs. 2 FamFG.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG. Sie entspricht im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens und die erfolgte Abänderung des angefochtenen Beschlusses billigem Ermessen.

    Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde findet ihre Grundlage in § 70 FamFG. Die Frage der Anfechtbarkeit familiengerichtlicher Billigungsentscheidungen nach § 156 Abs. 2 FamFG ist höchstrichterlich nicht geklärt.

    Rechtsbehelfsbelehrung: …

    Diehl Schmidt Dr. Kischkel