OLG Frankfurt vom 08.07.2013 (4 UF 53/13)

Stichworte: Bevollmächtigte, Widerruf, Rechtsmittelrücknahme;
Normenkette: FamFG 11, ZPO 84, 87
Orientierungssatz:
  • ... Wird ein Beteiligter von mehreren Bevollmächtigten vertreten, hat jeder von ihnen Einzelvertretungsmacht. Erfolgt die Bestellung und Legitimation gegenüber dem Gericht nacheinander, ist besonders kenntlich zu machen, wenn der später bestellte Bevollmächtigte den Beteiligten anstelle des Früheren vertritt, anderenfalls ist vom parallelen Auftreten mehrerer Bevollmächtigter auszugehen...
  • 22 F 45/12
    AG Alsfeld

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21.01.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Alsfeld vom 12.12.2012, Az. 22 F 45/12 S, am 08.07.2013 beschlossen:

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

    Beschwerdewert: EUR 1.440,00

    Gründe:

    I.

    Mit dem angefochtenen Beschluss, verkündet am 12.12.2012, hat das Amtsgericht auf den am 08.02.2012 an die Antragsgegnerin zugestellten Scheidungsantrag die am 12.08.1976 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich dergestalt durchgeführt, dass es die beiderseitigen, in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Beteiligten bei der DRV Bund jeweils hälftig intern teilte.

    Gegen den ihr am 20.12.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.01.2013 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin vom gleichen Tag, gefertigt von Rechtsanwalt B., .... Dieser erbat zugleich Akteneinsicht, die am 24.01.2013 seitens des Familiengerichts gewährt wurde. Mit Schreiben vom 12.02.2013, beim Familiengericht eingegangen am 13.02.2013, zeigten die Rechtsanwälte S., ..., an, "... nunmehr die Interessen der Antragsgegnerin zu vertreten", Bl. 82 d.A.. Sie baten ebenfalls um Akteneinsicht, worauf hin die Vorsitzende des Senats die Gewährung von Akteneinsicht an Rechtsanwalt B. bewilligte, was ausgeführt wurde. Nachdem die Rechtsanwälte S., ..., am 20.02.2013 und 26.02.2013 an das Akteneinsichtsgesuch erinnert hatten, wurde auch ihnen diese gewährt. Am 18.03.2013 teilte Rechtsanwalt B. mit, die bei ihm angeforderte Aktenversendungspauschale für die zweite ihm gewährte Akteneinsicht sei nicht zu erheben, da er diese Akteneinsicht nicht beantragt habe.

    Am 03.04.2013 begründeten die Rechtsanwälte S., ..., die Beschwerde. Am 19.04.2013 wurde diese seitens des Rechtsanwalts B. zurückgenommen.

    Auf Nachfrage des Senats erklärte Rechtsanwalt B. am 02.05.2013, dass er die Beschwerdeführerin nicht weiter vertrete und er eine als Mandatsbeendigung gemeinte Mitteilung als Auftrag zur Rücknahme der Beschwerde aufgefasst (und missverstanden) habe.

    Auf den Hinweis des Senatsberichterstatters vom 13.06.2013, dass der Senat von einer wirksamen Beschwerderücknahme ausgehe, erklärten die Rechtsanwälte S., ..., Rechtsanwalt B. sei nur mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt gewesen.

    II.

    Der Senat hat nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 81 I 3 FamFG, und die Wertfestsetzung, § 55 I FamGKG, zu befinden, nachdem die Antragsgegnerin ihre am 21.01.2013 eingelegte Beschwerde mit Schriftsatz des Rechtsanwalt B. vom 19.04.2013, beim Senat eingegangen am 22.04.2013, zurückgenommen hat.

    Die Rücknahme der Beschwerde erfolgte wirksam in Einzelvertretung der Antragsgegnerin seitens Rechtsanwalt B., Hamburg, da anerkannt ist, dass jeder (von mehreren) bestellte Vertreter ein eingeleitetes Rechtsmittelverfahren durch entsprechende Rücknahmeerklärung beenden kann (BGH FamRZ 2007, 1313f. mit Verweis auf BFH BFH/NV 1988, 453):

    Zunächst ist festzuhalten, dass nach § 11 S. 4 FamFG die Vollmacht eines Rechtsanwaltes vermutet wird, so dass von einer am 21. bzw. 22.01.2013 wirksam erfolgten Beschwerdeeinlegung auszugehen ist. Nach § 11 S. 5 FamFG finden indes auch die §§ 81 - 87 ZPO entsprechende Anwendung. Nach § 84 ZPO hat jeder für einen Beteiligten auftretende Rechtsanwalt Einzelvertretungsmacht. Nach § 87 I ZPO endet diese Einzelvollmacht im Außenverhältnis gegenüber dem Gericht erst dann, wenn das Erlöschen derselben angezeigt wurde, in Anwaltsverfahren erst durch die Bestellung eines anderen Rechtsanwalts. Vorliegend kann dahinstehen, ob es sich bei dem Beschwerdeverfahren in der Folgesache Versorgungsausgleich um ein Verfahren mit Anwaltszwang oder nicht handelt: Denn weder wurde vor dem Eingang der seitens Rechtsanwalt B. erklärten Beschwerderücknahme am 22.04.2013 eine Beendigung seines Mandats angezeigt noch hat sich ein neuer Rechtsanwalt für die Antragsgegner anstelle des Rechtsanwalts B. bestellt gehabt.

    Weder den Schriftsätzen der Rechtsanwälte S., ..., noch denen des Rechtsanwalts B. war bis zu diesem Zeitpunkt zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin das Mandatsverhältnis zu Rechtsanwalt B. - wie von diesem am 02.05.2013 dargelegt - bereits vor dem 22.04.2013 gekündigt hatte bzw. dass mit substituierender Wirkung ein neuer Rechtsanwalt für die Antragsgegnerin auftrat. Dabei begründet zunächst allein der Umstand, dass sich ein anderer Verfahrensbevollmächtigter für einen Verfahrensbeteiligten legitimiert im Hinblick auf § 84 ZPO nicht automatisch, dass dieser anstelle des bisherigen tätig ist; dies muss vielmehr besonders zum Ausdruck kommen (BGH a.a.O. mit Verweis auf BGH FamRZ 2004, 865; NJW 1980, 2309, 2310).

    Letzteres vermag der Senat nicht der Einleitung des Schriftsatzes vom 12.02.2013 zu entnehmen, wonach die Rechtsanwälte S. "...nunmehr die Interessen der Antragsgegnerin (zu) vertreten." Denn diese Erklärung gibt nicht eindeutig zu erkennen, ob diese nun die Antragsgegnerin neben oder anstelle von Rechtsanwalt B. vertreten. Hierbei ist von Bedeutung, dass Rechtsanwalt B. nach der Legitimation der Rechtsanwälte S. vom 12.02.2013 noch Akteneinsicht gehabt hat, Bl. 93 d.A., so dass ihm diese Legitimation bekannt war, ohne dass von ihm in der Folgezeit die Beendigung seines Mandats angezeigt wurde, so dass offenbar auch er bis dato nicht von einer Beendigung seines Mandats ausging.

    Auch war vor dem 04.07.2013 nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin nur eine auf die Einlegung des Rechtsmittels beschränkte Vollmacht an Rechtsanwalt B. erteilt haben will, was im Widerspruch zu dessen Darlegung vom 02.05.2013 steht, er habe eine als Mandatsbeendigung gemeinte Erklärung missverstanden, da es bei einem beschränkten Mandat einer Beendigungserklärung nicht bedurfte.

    Soweit im Schreiben des Rechtsanwalts B. vom 02.05.2013 auf einen Verständnisirrtum einer von der Antragsgegnerin verfassten Erklärung abgestellt wird, ist dies unerheblich, da die Rücknahmeerklärung grundsätzlich unanfechtbar ist (BGH a.a.O. mit Verweis auf BGH FamRZ 2006, 375; FamRZ 1988, 496; Keidel-Sternal, § 67 FamFG, Rz. 17). Die Voraussetzungen einer anerkannten Ausnahme (vergl. BGH VersR 1977, 574), nämlich dass der Irrtum sowohl für das Gericht als auch die übrigen Beteiligten ganz offensichtlich gewesen wäre, sind ebenfalls nicht erkennbar.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Senat sieht im Hinblick auf den Nichterfolg der Beschwerde keine Veranlassung, von dem dortigen Grundsatz abzuweichen.

    Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus den §§ 40 I und II, 50 I FamGKG und orientiert sich an der nicht zu beanstandenden Wertfestsetzung des Familiengerichts vom 12.12.2012.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da im Hinblick auf die Entscheidung des BGH in FamRZ 2007, 1313f. die wesentlichen Fragen zum Umfang der Vertretungsmacht mehrerer Verfahrensbevollmächtigter und der Reichweite der von ihnen abgegebenen Rücknahmeerklärungen beantwortet sind; hieran hat sich der Senat umfänglich orientiert.

    Diehl Fischer Dr. Fritzsche