OLG Frankfurt vom 17.10.2019 (4 UF 52/19)

Stichworte: Aussetzung; Kürzung, dynamisch; Regelversorgung
Normenkette: VersAusglG 33; VersAusglG 32
Orientierungssatz:
  • Übersteigt der vom Ausgleichspflichtigen (unter Außerachtlassung der Kürzung der Regelversorgungen iSd § 32 VersAusglG fiktiv) geschuldete gesetzliche Unterhalt die mit dem Versorgungsausgleich einher gehende Kürzung der Regelversorgungen des Ausgleichspflichtigen, ist die Kürzung bis zum Renteneintritt des Ausgleichsberechtigten in voller Höhe auszusetzen.
  • Die Aussetzung der Kürzung der gesetzlichen Rente ist dabei dynamisch dergestalt zu tenorieren, dass sich der auszusetzende Kürzungsbetrag aus Multiplikation der in Folge des durchgeführten Versorgungsausgleichs gekürzten Entgeltpunkte mit dem für den Ausgleichspflichtigen maßgeblichen Rentenartfaktor, dem für ihn maßgeblichen Zugangsfaktor und dem aktuellen Rentenwert ergibt (im Anschluss an BGH FamRZ 2012, 853, Rn. 30; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4.4.2012 – 3 UF 423/11:Beschluss vom 2.12.2013 – 2 UF 293/13; Beschluss vom 11.9.2019 – 4 UF 122/19; entgegen OLG Hamm FamRZ 2018, 754).
  • Nach oben hin ist die Aussetzung durch den geschuldeten gesetzlichen Unterhalt zu begrenzen.
  • 472 F 18190/17
    AG Frankfurt am Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Versorgungsausgleichssache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See vom 19.09.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 18.5.2018 am 17. Oktober 2019 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Kürzung der Rente des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See in Folge des mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 3.6.2005, Aktenzeichen 35 F 8161/03-59 VA, durchgeführten Versorgungsausgleichs wird mit Wirkung ab dem 1.10.2017 in Höhe eines sich aus der Multiplikation von 15,6253 Entgeltpunkten der allgemeinen Rentenversicherung und von 0,1006 Entgeltpunkten der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Zugangsfaktor von 1,0, einem Rentenartfaktor von 1,0 für die Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,3333 für die knappschaftlichen Entgeltpunkte und dem jeweiligen aktuellen Rentenwert ergebenden monatlichen Rentenbetrags, höchstens jedoch in Höhe eines monatlichen Rentenbetrags von 1.463,- Euro, ausgesetzt.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten für den zweiten Rechtszug wird abgesehen. Die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs werden den Beteiligten zu 1) und 2) je hälftig auferlegt. Von der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für beide Rechtszüge abgesehen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Mit ihrer am 19.9.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den auf Antrag des Antragstellers erlassenen, ihr am 22.8.2018 zugestellten Beschluss, mit welchem das Amtsgericht die Kürzung der vom Antragsteller seit dem 1.10.2017 bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab dem 1.10.2017 in Höhe eines Betrags von 546,12 Euro ausgesetzt hat. Der Entscheidung lag eine entsprechende Auskunft der Beschwerdeführerin vom 12.3.2018 vor, mit welcher diese die mit dem im Tenor genannten Beschluss vom 3.6.2005 zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 2), seiner geschiedenen Ehefrau, durchgeführten Versorgungsausgleich einher gehende Kürzung seiner monatlichen Rente auf 546,12 Euro beziffert hatte. Darin enthalten war auch die Kürzung in Folge des im Beschluss vom 3.6.2005 im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 VAHRG übertragenen, auf den 31.5.2003 bezogenen monatlichen Rentenbetrags von 47,60 Euro. Bereits mit Schreiben vom 20.4.2018 hatte die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass sich der aus dem Splitting der gesetzlichen Rentenanwartschaften ergebende Kürzungsbetrag nur auf 489,01 Euro beläuft. Wie sich aus dem Beschluss vom 3.6.2005 und dem vom Antragsteller vorgelegten Rentenbescheid vom 10.8.2017 ergibt, entspricht dieser Betrag, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.5.2003, einem monatlichen Rentenbetrag von 407,54 Euro, der sich wiederum zusammensetzt aus einem monatlichen Rentenbetrag von 404,07 Euro (= 407,54 x 451,26 : 455,14) aus der allgemeinen Rentenversicherung und von 3,47 Euro (= 407,54 x 3,88 : 455,14) aus der knappschaftlichen Rentenversicherung. Der Antragsteller zahlt der Beteiligten zu 2) auf Grund einer gerichtlich protokollierten Scheidungsfolgenvereinbarung vom 15.11.2004 monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt von 2.000,- Euro. Wegen dessen Berechnung wird auf die vorgelegte Abschrift der Sitzungsniederschrift vom 15.11.2004 Bezug genommen, wegen der aktuellen Einkommensverhältnisse der Beteiligten auf deren Angaben in der mündlichen Erörterung vor dem Amtsgericht am 18.5.2018. Das Amtsgericht hat den vom Antragsteller weiterhin geschuldeten Unterhalt in der angefochtenen Entscheidung mit 1.463,- Euro berechnet.

    Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrer Beschwerde eine Beschränkung der Aussetzung der Kürzung der Rente des Antragstellers auf einen (statischen) monatlichen Rentenbetrag von 489,01 Euro. Die übrigen Beteiligten sind der Beschwerde nicht entgegen getreten.

    II.

    Die zulässige Beschwerde ist in der Sache weitgehend begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Lediglich soweit die Beschwerdeführerin die Festsetzung eines statischen Aussetzungsbetrags begehrt, ist die Beschwerde unbegründet und daher zurückzuweisen.

    Das Amtsgericht und die seiner Entscheidung zu Grunde liegende Auskunft der Beschwerdeführerin vom 12.3.2018 haben übersehen, dass eine Aussetzung der Rentenkürzung gemäß § 33 Abs. 3 VersAusglG höchstens in Höhe der Differenz der beiderseitigen Anrechte im Sinne des § 32 VersAusglG erfolgt. Anrechte der betrieblichen Altersversorgung wie die im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 VAHRG (nUrteilweise) ausgeglichenen Anrechte des Antragstellers fallen nicht unter die in § 32 VersAusglG genannten Regelversorgungen. Die Aussetzung der Kürzung ist daher im vorliegenden Fall auf den sich aus der Differenz der Anrechte beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung ergebenden Splittingbetrag nach § 1587b Abs. 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung begrenzt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 853). Dieser belief sich, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.5.2003, auf 407,54 Euro monatlich. Ordnet man diesen Betrag mit den sich aus dem Rentenbescheid vom 10.8.2017 ergebenden Faktoren der allgemeinen und der knappschaftlichen Rentenversicherung zu, erhält man einen monatlichen Rentenbetrag von 404,07 Euro (= 407,54 x 451,26 : 455,14) in der allgemeinen Rentenversicherung und von 3,47 Euro (= 407,54 x 3,88 : 455,14) in der knappschaftlichen Rentenversicherung. Umgerechnet in Entgeltpunkte ergeben diese beiden Beträge unter Zugrundelegung eines aktuellen Rentenwerts von 25,86 Euro am Ende der Ehezeit und eines Rentenartfaktors von 1,0 in der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,33 in der knappschaftlichen Rentenversicherung 15,6253 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung und 0,1006 Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung.

    Der vom Amtsgericht unter Außerachtlassung der Kürzung der Rente des Antragstellers bedenkenfrei errechnete monatliche Unterhaltsanspruch der Beteiligten zu 2) von 1.463,- Euro übersteigt den sich daraus (für den Zeitraum vom 1.10.2017 bis zum 30.6.2018) ergebenden monatlichen Kürzungsbetrag von 489,01 Euro. Übersteigt der ermittelte Unterhaltsanspruch die mit dem Versorgungsausgleich einher gehende Kürzung der Regelversorgungen des Unterhaltspflichtigen, ist die Kürzung in voller Höhe auszusetzen. Dem Bestimmtheitsgebot wird in diesem Fall bei der Aussetzung einer Kürzung der gesetzlichen Rente dadurch genügt, dass sich der auszusetzende Kürzungsbetrag durch Multiplikation der im Tenor genannten Entgeltpunkte und des dort genannten Zugangs- und Rentenartfaktors mit dem jeweiligen, im Bundesgesetzblatt veröffentlichten aktuellen Rentenwert ermitteln lässt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 853, dort Rn. 30; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 11.9.2019 – 4 UF 122/19; so auch OLG Frankfurt (2. Familiensenat), Beschluss vom 2.12.2013 – 2 UF 293/13; OLG Frankfurt (3. Familiensenat), Beschluss vom 4.4.2012 – 3 UF 423/11). Durch die gleichzeitige Begrenzung der dynamischen Aussetzung auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ist gewährleistet, dass die durch § 33 VersAusglG gezogene Grenze für die Aussetzung der Kürzung auch im Falle zukünftiger Rentenwertanpassungen nicht überschritten wird.

    Entgegen der Auffassung des OLG Hamm (FamRZ 2018, 754) steht § 48 FamFG der Festsetzung eines dynamischen Aussetzungsbetrags nicht entgegen. Dass eine Abänderung der Entscheidung über die Anpassung wegen Unterhalts gemäß § 48 Abs. 1 FamFG nur im Falle einer wesentlichen nachträglichen Änderung der zu Grunde liegenden Sach- und Rechtslage abgeändert werden darf, sagt nichts darüber aus, ob der Aussetzungsbetrag statisch oder dynamisch festzusetzen ist. Eine dynamische Festsetzung wird der sich aus § 33 VersAusglG ergebenden gesetzgeberischen Wertung besser gerecht als eine statische Festsetzung und ist dieser daher vorzuziehen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 FamFG. Im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht die Auskunft der Beschwerdeführerin vom 20.4.2018 bei seiner Entscheidung übersehen hat, entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten für den zweiten Rechtszug abzusehen. Hinsichtlich der Gerichtskosten des ersten Rechtszugs entspricht es billigem Ermessen, diese den geschiedenen Ehegatten zu gleichen Teilen aufzuerlegen, weil der Antragsteller erst durch die Aussetzung der Kürzung zur Fortzahlung des titulierten oder zumindest des vom Amtsgericht errechneten Unterhalts in die Lage versetzt wird und somit beide geschiedenen Ehegatten von der Aussetzung der Kürzung profitieren. Veranlassung zur Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander besteht nicht.

    Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG wegen der abweichenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zur Zulässigkeit einer dynamischen Tenorierung des Aussetzungsbetrags zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

    Rechtsbehelfsbelehrung: …

    Reitzmann Dr. Schweppe Schmidt