OLG Frankfurt vom 17.05.2013 (4 UF 45/13)

Stichworte: Zurückverweisung, begleiteter Umgang, mitwirkungsbereiter Dritter, objektive Feststellunglast;
Normenkette: FamFG 69 I 2; BGB 1684 III 4; SGB VIII 18 III 3;
Orientierungssatz:
  • Die Rechte eines Umgangspflegers ergeben sich abschließend aus § 1684 III 4 BGB, so dass dieser nur berechtigt ist, für die Dauer des Umgangs die Herausgabe des Kindes zu verlangen und dessen Aufenthalt insoweit zu bestimmen. Infolge dessen stellt es eine ungenügende Sachentscheidung in Form einer verdeckten Teilentscheidung des Familiengerichts dar, wenn dieses nur einen Umgangspfleger bestellt, ohne den Umgang in zeitlicher Hinsicht auszugestalten. Eine solche Teilentscheidung berechtigt das Beschwerdegericht zur Zurückverweisung, Anschluss an OLG Hamm, BeckRS 2012, 18153.
  • Erachtet das Familiengericht eine Umgangsbegleitung für notwendig, hat es die Person eines mitwirkungsbereiten und fachlich geeigneten Dritten von Amts wegen zu ermitteln, wobei die Beteiligten eine Mitwirkungsobliegenheit trifft. Diese geht soweit, einen solchen Dritten selbst zu finanzieren oder aber gegenüber dem Jugendamt durch Verfolgung des Anspruchs aus § 18 III 3 SGB VIII einen Dritten benannt zu erhalten Erhält das Familiengericht auch dadurch keine Kenntnis von einem solchen Dritten, hat es eine andere Sachentscheidung anhand der objektiven Feststellungslast zu treffen.
  • 457 F 6243/10
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend den Umgang mit

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main auf die Beschwerde der Kindesmutter vom 23.01.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Frankfurt/Main vom 08.12.2012, Az. 457 F 6243/10 UG, am 17.05.2013 beschlossen:

    Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und selbiges an das Familiengericht zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.

    Ausgenommen hiervon sind die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens, die nicht zu erheben sind.

    Beschwerdewert: Euro 3.000,00

    Gründe:

    1. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der am ... geborenen Tochter ..., die bei der Mutter lebt und zu der der Kindesvater seit 2007 keinen Kontakt mehr hatte, so dass Tochter und Vater einander nicht kennen.

    Im Rahmen einer Vereinbarung vom 13.08.2009, geschlossen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Verfahren 5 UF 284/08, kamen die Kindeseltern überein, Bl. 3 ff. d.A., dass eine Kontaktanbahnung zwischen Tochter und Vater im Rahmen eines betreuten Umgangs erfolgen soll, wobei diese Anbahnung in der ... Erziehungsberatungsstelle ... stattfinden soll.

    Eine Umsetzung dieser Vereinbarung scheiterte zunächst, so dass der Kindesvater am 29.06.2010 beim Familiengericht anregte, den Umgang zwischen Tochter und Vater gerichtlich zu regeln. Das Familiengericht nahm im Folgenden Ermittlungen auf, bestellte dem Kind am 02.08.2010 einen Verfahrensbeistand und hörte die Eltern zunächst am 27.08.2010 persönlich an, Bl. 28 d.A.. Diese Anhörung endete mit der Auflage an die Eltern, Erziehungsberatung in Anspruch zu nehmen. Nach einer Erstberatung für die Kindesmutter am 02.09.2010, Bl. 34 d.A., teilte diese mit, nicht in der Lage zu sein, weitere Gespräche bei Beratungsstellen wahrzunehmen.

    Am 08.02.2012 bescheinigte die involvierte Beratungsstelle, Bl. 107 d.A., dass im zweiten Halbjahr 2011 weitere Beratungsgespräche mit den Eltern stattgefunden haben, wobei ein Konzept für die Kontaktanbahnung entwickelt worden sei, so dass nunmehr mit der Durchführung derselben begonnen werden könne. In der Folgezeit unterzeichnete die Kindesmutter eine von der ... Erziehungsberatungsstelle ... entworfene Vereinbarung über die Kontaktanbahnung nicht, weil diese aus Sicht der Kindesmutter die wahre Vereinbarung nicht wiedergebe. Nach einer ersten Vorstellung der Tochter in der ... Erziehungsberatungsstelle ... stellte diese daher im Sommer 2012 ihre weitere Mitwirkung ein.

    Am 08.11.2012 hörte das Familiengericht die Beteiligten erneut persönlich an, wobei das Jugendamt ausführte, dass aus seiner fachlichen Sicht ein weiterer durch das Jugendamt begleiteter Umgang nicht zielführend sei, es vielmehr erforderlich wäre, dass das Kind alsbald Kontakt zu dem Vater habe und dies kontinuierlich fortgeführt werde.

    Mit dem angefochtenen Beschluss entzog das Familiengericht beiden Eltern das Sorgerecht im Bereich der Umgangsregelung und ordnete eine Umgangspflegschaft an, ernannte eine Umgangspflegerin und bestimmte, dass der Entzug der elterlichen Sorge auch den Bereich beinhalte, Anträge nach dem SGB VIII zu stellen, soweit eine professionelle Begleitung erforderlich ist; auch diese Befugnis wurde der Umgangspflegerin übertragen. Zur Begründung der Entscheidung wird ausschließlich auf § 1684 BGB abgestellt.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter vom 23.01.2013, beim Familiengericht eingegangen am 24.01.2013, nachdem der Kindesmutter der Beschluss am 09.01.2013 zugestellt worden war.

    Am 15.02.2013 beantragte das Jugendamt seine Beteiligung am Verfahren.

    Der Senat hat mit Beschluss vom 08.04.2013 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, in Anwendung von § 69 I 2 FamFG den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren an das Familiengericht zurückzuverweisen.

    2.

    Die zulässige, §§ 58 ff. FamFG, Beschwerde der Kindesmutter hat vorläufigen Erfolg, da das Familiengericht mit der bloßen Anordnung einer Umgangspflegschaft eine unzulässige (verdeckte) Teilentscheidung traf und damit das bei ihm anhängige Verfahren nicht der gebotenen umfassenden Sachentscheidung zuführte. Dies berechtigt den Senat, § 69 I 2 FamFG, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und des zugrundeliegenden Verfahrens selbiges zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (vergl. Keidel-Sternal, § 69 FamFG, Rz. 13).

    Im Einzelnen:

    Zunächst ist festzuhalten, dass Umgangs- als Amtsverfahren, die zu ihrer Einleitung keines Verfahrensantrages im Sinne von § 23 FamFG benötigen (zu diesem allgemeinen Grundsatz: Keidel-Sternal, § 24 FamFG, Rz. 3 m.w.N.), ihren Abschluss entweder dadurch finden, dass ein gerichtlich gebilligter Vergleich zustande kommt oder aber das Gericht eine eigene, den Verfahrensgegenstand umfassend erledigende Sachentscheidung trifft (für das Umgangsverfahren: BGH NJW 1994, 312; OLG Celle, NJW-RR 1990, 1290f. mit vielen weiteren Nachweisen). Dies entspricht zudem ständiger Senatsrechtsprechung, vergl. u.a. Beschluss vom 20.06.2011, Az. 4 UF 165/11, vom 17.01.2013, 4 UF 143/12.

    Vorliegend gab es weder einen gerichtlich protokollierten Vergleich noch wurde am 08.12.2012 eine in diesem Sinne umfassende Sachentscheidung getroffen. Nach Ansicht des Senats ist der Tenor des angefochtenen Beschlusses trotz des auch benannten Sorgerechtsentzugs zu Lasten der Eltern als bloße Anordnung einer Umgangspflegschaft zu verstehen, da nach der gewählten Begründung die getroffenen Anordnungen ausschließlich auf § 1684 III BGB gestützt werden, zumal nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst ein Vorgehen nach § 1684 III BGB und erst bei einer Erfolglosigkeit insoweit ein Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB mit anschließender Pflegerbestellung nach § 1909 BGB geboten ist. Untermauert wird dies durch den Umstand, dass die Anordnungen des Familiengerichts auch ihrem äußeren Gewande nach in einem Umgangs-, nicht in einem gegen die Eltern nach § 1666 BGB eingeleiteten Sorgerechtsverfahren getroffen wurden.

    Diese Anordnung ist ungenügend, den vom Kindesvater im Juni 2010 angeregten und durch anschließende Ermittlungen des Familiengerichts zur gerichtlichen Prüfung eingeleiteten Verfahrensgegenstand der Regelung des Umgangs zwischen Tochter und Vater zu erledigen. Denn nach § 1684 III 4 BGB hat der Umgangspfleger ausschließlich das Recht, die Herausgabe des Kindes zum Zwecke des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Der Umgangspfleger bestimmt damit die Details der Durchführung des Umgangs, nicht dagegen Häufigkeit und Dauer des Umgangs sowie den Umstand einer ggf. Begleitung durch einen Dritten; hierbei handelt es sich um originäre Aufgaben des Familiengerichts, § 1684 III 1, IV 3 BGB, die dieses nicht delegieren kann und bisher nicht ausgefüllt hat. Dies rechtfertigt nach Ansicht des Senats im Anschluss an OLG Hamm, BeckRS 2012, 18153, Beschluss vom 02.05.2012, II 9 UF 105/12, auch die Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht, zumal nachhaltige weitere Ermittlungen notwendig sind. Denn nach der übereinstimmenden Ansicht der Kindeseltern, die der Senat aktuell teilt, wird sich die Anbahnung des Umgangs zwischen Tochter und Vater nicht ohne professionelle Begleitung, wie sie im zweiten Halbjahr 2011 vorbereitet wurde, bewerkstelligen lassen. Dafür, dass ein solcher mitwirkungsbereiter Dritter im Sinne von § 1684 IV BGB aktuell zur Verfügung steht, ist nichts erkennbar, zumal das beteiligte Jugendamt am 08.11.2012 bekundete, hierfür keine fachliche Notwendigkeit mehr zu sehen, und die ... Erziehungsberatungsstelle ... im Sommer 2012 ihre Mitwirkung einstellte. Der Senat geht daher aktuell davon aus, dass das Jugendamt deshalb kurzfristig keine materiellen Ressourcen hierfür zur Verfügung stellen wird. Das Familiengericht wird daher zu ermitteln haben, inwieweit anderweitig mitwirkungsbereite, zur Kontaktanbahnung kompetente Dritte zur Verfügung stehen, wobei der Senat darauf hinweist, dass die Beteiligten hier eine Mitwirkungsobliegenheit haben, solche Dritte mit den zeitlichen und örtlichen Details ihrer Mitwirkungsbereitschaft zu benennen, anderenfalls das Familiengericht gehalten wäre - wenn ihm solche Dritten selbst ebenfalls nicht bekannt sind -, eine anderweitige Entscheidung nach objektiven Feststellungslastgesichtspunkten zu treffen (vergl. Senatsbeschluss vom 19.03.2012, 4 UF 261/12).

    In diesem Zusammenhang fällt auf, dass auch der Kindesvater offenbar bisher keine Bemühungen unternahm, einen solchen Dritten zu benennen. Weder hat er einen solchen Dritten - ggf. eigenfinanziert - benannt, noch ist klar, ob er seinen aus § 18 III 3 SGB VIII resultierenden Anspruch auf Unterstützung des Jugendamtes bei der Durchführung des Umgangs (hier möglicherweise gerichtet auf Zurverfügungstellung eines Umgangsbegleiters) bisher überhaupt verfolgte. Im Hinblick darauf, dass den Elternteilen die Geltendmachung dieses Unterstützungsanspruchs ohne Sorgerechtsinhaberschaft möglich ist, also hier auch dem Umgang begehrenden Kindesvater, bedurfte es keines Sorgerechtsentzugs insoweit, da die Verfolgung dieses eigenen Anspruchs im ureigenen Interesse des Kindesvaters belegen ist.

    Die Nichterhebung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 81 I 2 FamFG, 20 FamGKG, im Hinblick auf die Verfahrensfehlerhaftigkeit der Ausgangsentscheidung; der Verfahrenswert ergibt sich aus den §§ 40, 45 I Nr. 2 FamGKG.

    Diehl Fischer Dr. Fritzsche