OLG Frankfurt vom 25.05.2022 (4 UF 43/19)

Stichworte: interne Teilung, vergleichbare Wertentwicklung
Normenkette: VersAusglG 10 Abs. 3; VersAusglG 11
Orientierungssatz:
  • Zur internen Teilung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung beim BVV (Fortschreibung von OLG Frankfurt am Main vom 23.09.2016 - 4 UF 64/15 - FamRZ 2017, 878).
  • Sehen die Teilungsordnung des Versorgungsträgers bzw. der von ihm vorgeschlagene Ausgleichstarif eine Teilhabe des Ausgleichsberechtigten an der Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts im Zeitraum zwischen dem Ende der Ehezeit und dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht vor, ist eine entsprechende Teilhabe durch geeignete gerichtliche Anordnungen vorzusehen (Anschluss an BGH, FamRZ 2015, 1869).
  • 478 F 24143/17
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. vom 12.9.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 5.9.2018 am 25.5.2022 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird im Ausspruch zum Wertausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin (Absatz 3 des Beschlusstenors) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. (Vers. Nr.) zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6.159,60 Euro, bezogen auf den 30.11.2017, nach Maßgabe des Leistungsplans ARLEP/oG-V 2007 (Interner Versorgungsausgleich) in Verbindung mit den Besonderen Versicherungsbedingungen Tarif R-ARLEP/oG-V 2007 (Interner Versorgungsausgleich) übertragen. Die Übertragung erfolgt mit der Maßgabe, dass sich die versicherte Jahresrente (ohne Berücksichtigung der in § 9 des Leistungsplans zugesagten Überschussbeteiligung) aus der Multiplikation des für den Antragsgegner im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft vorliegender Entscheidung nach § 6 des Leistungsplans ARLEP/oG-V 2007 (Interner Versorgungsausgleich) maßgeblichen Verrentungsfaktors mit dem oben genannten Ausgleichswert zuzüglich dessen Wertentwicklung im Zeitraum zwischen dem 1.12.2017 und dem Eintritt der Rechtskraft vorliegender Entscheidung ergibt, also einschließlich der auf den Ausgleichswert im genannten Zeitraum entfallenden Verzinsung mit dem Rechnungszins von 2,25 Prozent p.a. zuzüglich einer etwaigen darüber hinausgehenden Überschussbeteiligung nach § 12 Abs. 3 des Leistungsplans N 2007 in Verbindung mit Art. 12 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen Tarif RN 2007 und § 12 der Tarifbedingungen Tarif RN 2007 sowie der auf den Ausgleichswert im genannten Zeitraum entfallenden biometrischen Wertentwicklung des Deckungskapitals des auszugleichenden Anrechts.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten und der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für den zweiten Rechtszug abgesehen. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.

    Gründe:

    I.

    Mit dem angefochtenen Beschluss schied das Familiengericht auf den am 18.12.2017 zugestellten Scheidungsantrag hin die am 11.8.2008 geschlossene Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners und führte den Versorgungsausgleich durch.

    Dabei ordnete es unter anderem die interne Teilung des Anrechts der Antragstellerin aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin mit dem von dieser in ihrer Auskunft vom 4.6.2018 mitgeteilten Ausgleichswert „nach Maßgabe des Leistungsplans N 2007, § 16, in Verbindung Versicherungsbedingungen Tarif RN 2007, § 16, bezogen auf den 30.11.2017,“ an. Bei den genannten Bestimmungen handelt es sich um einzelne, die Kürzung des Anrechts in Folge des Versorgungsausgleichs betreffende Bestimmungen der Rechtsgrundlagen des auszugleichenden Anrechts der Antragstellerin (im Folgenden: Ausgangstarif). Als Rechtsgrundlage für das zu übertragende Anrecht des Antragsgegners (im Folgenden: Ausgleichstarif) war von der Beschwerdeführerin hingegen der von ihr hierfür begründete „Leistungsplan ARLEP/oG-V 2007 in Verbindung mit den Versicherungsbedingungen Tarif R-ARLEP/oG-V 2007“ vorgeschlagen worden.

    Mit ihrer am 17.9.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 11.9.2018 zugestellten Beschluss begehrt die Beschwerdeführerin die Anordnung einer internen Teilung nach dem von ihr vorgeschlagenen Ausgleichstarif. Sie verweist darauf, dass der für den Ausgangstarif und der für den von ihr verwendeten Ausgleichstarif verwendete Rechnungszins (2,25 Prozent p..a.) identisch ist. Auf die mit den Schreiben der Beschwerdeführerin vom 19.10.2018 und 1.2.2022 übermittelten Versicherungsbedingungen des Ausgangstarifs und des vorgeschlagenen Ausgleichstarifs wird Bezug genommen.

    Sämtlichen Beteiligten ist rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Entscheidung gewährt worden.

    II.

    Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    Die gebotene interne Teilung des auszugleichenden Anrechts der betrieblichen Altersversorgung der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin hat – mit den aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabeanordnungen – unter Zugrundelegung des von der Beschwerdeführerin für das zu übertragende Anrecht vorgesehenen Tarifs ARLEP/oG-V 2007 zu erfolgen.

    Maßgeblich für die Durchführung der internen Teilung sind gemäß § 10 Abs. 3 VersAusglG grundsätzlich die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht, hier also die Versicherungsbedingungen des Leistungsplans N 2007 (in Verbindung mit den die Rückdeckungsversicherung betreffenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen des Tarifs RN 2007) auf der einen und des Leistungsplans ARLEP/oG-V 2007 (in Verbindung mit den die Rückdeckungsversicherung betreffenden Besonderen Versicherungsbedingungen des Tarifs R-ARLEP/oG-V 2007) auf der anderen Seite.

    Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der Entscheidung über den Wertausgleich sind die Familiengerichte allerdings gehalten, die rechtliche Vereinbarkeit der untergesetzlichen Bestimmungen der Versorgungsträger mit höherrangigem Recht, insbesondere mit den gesetzlichen Vorgaben des § 11 VersAusglG, zu prüfen. Genügen die Bestimmungen der Versorgungsträger den gesetzlichen Anforderungen nicht oder sind sie unklar oder mehrdeutig, sind sie vom Gericht durch geeignete Anordnungen bei Aufrechtechterhaltung im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen (vgl. BGH, FamRZ 2021, 1955; FamRZ 2015, 1869; FamRZ 2011, 547; OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2020, 676; FamRZ 2017, 878).

    Gemäß § 11 Abs. 1 VersAusglG muss die interne Teilung eine gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen. Diese ist gewährleistet, wenn im Vergleich zum Anrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten für den ausgleichsberechtigten Ehegatten ein eigenständiges und entsprechend gesichertes Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung und grundsätzlich gleichem Risikoschutz übertragen wird, was in der Regel durch eine Kalkulation des Anrechts mit demselben Rechnungszins und denselben Sterbe- bzw. Richttafeln erreicht wird (vgl. BGH, FamRZ 2021, 1955; FamRZ 2015, 1869; OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2020, 676; FamRZ 2018, 96; OLG Nürnberg, FamRZ 2019, 876).

    Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VersAusglG kann der Versorgungsträger den Risikoschutz des zu übertragenden Anrechts auf eine reine Altersversorgung beschränken, wenn er eine damit einhergehende Verringerung des Risikoschutzes durch eine Erhöhung der Altersversorgung kompensiert. Eine ausreichende Kompensation ist stets dann anzunehmen, wenn - wie im vorliegenden Fall - der vorhandene, unter Einschluss aller Leistungsbestandteile ermittelte ehezeitliche Barwert halbiert und aus dem auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten entfallenden hälftigen Anteil eine reine – im Vergleich zur Altersrente des ausgleichspflichtigen Ehegatten höhere - Altersrente errechnet wird (vgl. BGH, FamRZ 2015, 911).

    Wegen des sich aus §§ 1 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 bis 3, 10 Abs. 1 VersAusglG ergebenden Gebots der stichtagsbezogenen Halbteilung führt die vom Gericht zu treffende Gestaltungsentscheidung dazu, dass die Begründung des Anrechts des ausgleichsberechtigten Ehegatten und die Belastung des Anrechts des ausgleichspflichtigen Ehegatten auf das sich aus § 3 Abs. 1 VersAusglG ergebende Ende der Ehezeit, hier also auf den 30.11.2017, zurückwirken (vgl. BGH, FamRZ 2015, 1869; OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2020, 676; Beschluss vom 30.11.2016 – 6 UF 115/16, juris). Daraus folgt, dass eine gleichwertige Teilhabe des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts nicht erst ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Anordnung der internen Teilung, sondern schon im Zeitraum zwischen dem Ende der Ehezeit und dem Eintritt der Rechtskraft gewährleistet sein muss. Dies betrifft sowohl die Teilhabe am Zinsertrag oder - bei fondsgebundenen Versorgungen - an der Wertentwicklung der dem Ausgleichswert zu Grunde liegenden Fondsanteile als auch die Teilhabe an etwaigen biometrischen Gewinnen oder Verlusten, die dadurch entstehen, dass ein versichertes Risiko eintritt oder nicht eintritt (vgl. BGH, FamRZ 2015, 1869; BGH, NZFam 2014, 1040).

    Den vorstehend dargelegten Anforderungen genügt der vom Beschwerdeführer für das zu übertragende Anrecht vorgesehene Ausgleichstarif ARLEP/oG-V 2007 nicht in vollem Umfang.

    Ihm liegen nach Angaben der Beschwerdeführerin zwar dieselben Rechnungsgrundlagen zu Grunde wie dem Ausgangstarif N 2007. Allerdings weist der Ausgleichstarif anders als der Ausgangstarif geschlechtsspezifische Leistungsmerkmale auf. Ob damit eine nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige und nicht nach § 33 Abs. 5 AGG gerechtfertigte Benachteiligung derjenigen Ausgleichsberechtigten verbunden ist, die als Folge der Verwendung geschlechtsspezifischer Leistungsmerkmale eine geringere Ausgleichsrente erhalten als im Falle der Verwendung geschlechtsneutraler Leistungsmerkmale, bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Klärung, weil der Antragsgegner als männlicher Ausgleichsberechtigter wegen seiner geringeren statistischen Lebenserwartung sogar von der Verwendung geschlechtsspezifischer Leistungsmerkmale profitiert, während die Kürzung des Anrechts der Antragstellerin in Höhe des geschlechtsneutral ermittelten Ausgleichswerts erfolgt. Eine mit der Verwendung geschlechtsspezifischer Tarife verbundene Diskriminierung eines der beiden Ehegatten ist daher im vorliegenden Fall ausgeschlossen.

    Die Verwendung des Tarifs ARLEP/oG-V 2007 als Ausgleichstarif begegnet daher jedenfalls in der vorliegenden Konstellation keinen grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die gebotene vergleichbare Wertentwicklung des zu übertragenden Anrechts in der Zukunft (so in einem gleich gelagerten Fall bereits der Beschluss des Senats vom 9.2.2022 – 4 UF 63/19, nicht veröffentlicht).

    Allerdings gewährleistet der vorgesehene Ausgleichstarif nicht die ebenfalls gebotene Teilhabe an der Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts im Zeitraum zwischen dem Ende der Ehezeit und dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Es reicht insoweit nicht aus, dass die Beschwerdeführerin in anderen Beschwerdeverfahren eine entsprechende, von ihren Versicherungsbedingungen nicht vorgesehene Teilhabe zugesichert hat, weil sich Umfang und Inhalt des zu Gunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu übertragenden Anrechts hinreichend bestimmt aus der gerichtlichen Gestaltungsentscheidung und den darin gegebenenfalls in Bezug genommenen Bestimmungen ergeben müssen (vgl. OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2017, 878).

    Abweichend von der vorstehend zitierten Entscheidung ist dabei durch geeignete Maßgabeanordnungen sicherzustellen, dass der Ausgleichswert bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich an der Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts im Ausgangstarif und nicht im Ausgleichstarif teilnimmt, weil die Versicherung zum Ausgleichstarif erst mit Eintritt der Rechtskraft begründet wird. Der zu übertragende Ausgleichswert erhöht sich durch die aus dem Tenor ersichtlichen Anordnungen um die auf ihn im Ausgangstarif im Zeitraum zwischen dem Ende der Ehezeit und dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich entfallende Verzinsung und laufende Überschussbeteiligung und erhöht oder mindert sich um etwaige im genannten Zeitraum auf den Ausgleichswert entfallende biometrische Gewinne oder Verluste, die dadurch entstehen, dass der Versicherungsfall auf Seiten der ausgleichspflichtigen Person eingetreten oder nicht eingetreten ist (vgl. BGH, FamRZ 2015, 1869).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 150 Abs. 1 bis 4 FamFG. Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde wäre eine Belastung der Beteiligten mit Gerichtskosten oder mit außergerichtlichen Kosten anderer Beteiligter im zweiten Rechtszug unbillig.

    Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FamFG).

    Einer Wertfestsetzung bedarf es wegen des Absehens von der Erhebung von Gerichtskosten und mangels Vorliegens eines Antrags nach § 33 Abs. 1 RVG zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

    Reitzmann Dr. Kischkel Schmidt