OLG Frankfurt vom 29.05.2015 (4 UF 382/14)

Stichworte: Gesamtschuldnerausgleich, Verjährung, Anerkenntis
Normenkette: BGB 426, 488, 214, 217, 199, 212
Orientierungssatz:
  • Zu den Darlegungsvoraussetzungen für einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch der Höhe nach.
  • Ein Anerkenntnis eines Gesamtschuldners nach § 212 BGB in Bezug auf den Ausgleichanspruch eines anderen Gesamtschuldners im Innenverhältnis kann nicht darin erblickt werden, dass der erste Gesamtschuldner Teilzahlungen im Außenverhältnis erbrachte.
  • 72 F 1143/13AG Groß-Gerau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Diehl und die Richter am Oberlandesgericht Fischer und Dr. Fritzsche im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 15.05.2015 einzureichenden Schriftsätze beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26.11.2014 wird der am 29.10.2014 vom Amtsgerichts – Familiengericht – Groß-Gerau, Az. 72 F 1143/13 RI, verkündete Beschluss abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden dem Antragsteller auferlegt.

    Der Beschwerdewert wird auf € 6.620,12 festgesetzt.

    Dem Antragsteller wird ratenfrei Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Groos, Rüsselsheim, bewilligt.

    Gründe:

    1.

    Die Beteiligten streiten um die Frage fort, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragsteller von einer gemeinsamen Verbindlichkeit der Beteiligten, für die sie gesamtschuldnerisch haften, umfänglich freizustellen.

    Im Jahr 2003 nahmen die damals miteinander verheirateten Beteiligten gemeinsam ein Darlehen über € 40.770,43 (inklusive Zinsen) bei der Citibank Privatkunden AG, jetzt Targobank AG und Co KGaA, und verpflichteten sich dieser gegenüber, beginnend ab Oktober 2003, 83 Monatsraten á € 488,00 und am 08.09.2010 eine Rate von € 266,43 zu erbringen.

    Die Beteiligten trennten sich im November 2004; ab da trugen sie zunächst die Darlehensbelastung je hälftig. Zum Januar 2006 reduzierte die Antragsgegnerin ihre Rückzahlungen auf mtl. € 25,00, zum Februar 2007 auf mtl. € 10,00.

    Durch am 17.10.2007 verkündetes Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau, Az. 77 F 767/06 S, wurde die Ehe der Beteiligten geschieden; Rechtskraft trat infolge Rechtsmittel- und Anschlussrechtsmittelverzicht der Beteiligten am gleichen Tage ein.

    Mit Schreiben vom 18.10.2010, 12.11.2010, 13.04.2011 und 30.08.2011 forderte der Antragsteller bzw. sein Vertreter die Antragsgegnerin auf, sich an der Rückzahlung des Darlehens zu beteiligen bzw. Lösungsvorschläge für eine Rückführung zu unterbreiten. Am 15.12.2010 wies diese derartige Ansinnen zurück.

    Aus einer seitens der Targobank zum 14.03.2014 erstellten Kontoabrechnung, Bl. 77 ff. d.A., ergibt sich, dass ab 07.09.2009 u.a. „fällige Zinsen“ dem Darlehenssaldo zugebucht wurden.

    Die Antragsgegnerin hat die Einrede der Verjährung erhoben.

    Der Antragsteller behauptet, die Beteiligten seien im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren vom 17.10.2007 übereingekommen, künftig die Darlehensrate je hälftig aufzubringen.

    Der Antragsteller beantragte aufgrund seines der Antragsgegnerin am 10.02.2014 zugestellten Antrages, nachdem ihm am 28.01.2014 aufgrund seines Antrages vom 13.07.2013 Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war,

    der Antragsgegnerin zu gebieten, den Antragsteller von weiteren Leistungen an die Targobank AG & Co KGaA aus dem Darlehen Nr. 7526145263 hinsichtlich einer Restschuld von € 6.620,12 freizustellen.

    Die Antragsgegnerin beantragte,

    den Antrag zurückzuweisen.

    Mit am 29.10.2014 verkündetem Beschluss verpflichtete das Familiengericht die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Freistellung; dies wurde der Antragsgegnerin am 04.11.2014 zugestellt.

    Hiergegen richtet sich die am 27.11.2014 beim Familiengericht eingegangene und gegenüber dem Senat aufgrund Verfügung vom 23.12.2014 bis 05.02.2015 verlängerter Frist am 05.02.2015 begründete Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie beantragt,

    unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag abzuweisen.

    Der Antragsteller beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Der Senat hat am 16.03.2014 umfassend auf die fehlende Schlüssigkeit des Antrages und den mutmaßlichen Eintritt der Verjährung unter Anordnung des schriftlichen Verfahrens nach den §§ 117 III, 68 III FamFG hingewiesen; eine Reaktion erfolgte nicht.

    2.

    Die zulässige, §§ 58 ff., 117 FamFG, Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 29.10.2014 verkündeten Beschluss des Familiengerichts führt zu dessen Abänderung und zur Zurückweisung des Antrages vom 13.07.2013.

    a.

    Denn der Kläger ist bereits für einen Anspruch auf Freistellung seiner Person durch die Antragsgegnerin in Höhe einer Darlehensrestforderung der Targobank AG & Co KGaA trotz des Senatshinweises vom 16.03.2015 darlegungsfällig geblieben, § 426 I 1 BGB:

    Zwar hat der Antragsteller unwidersprochen und damit zugestanden, §§ 113 I 2 FamFG, 138 III ZPO, vorgetragen, dass die Beteiligten ehedem gesamtschuldnerisch haftend ein Darlehen über € 40.770,43 (inklusive Zinsen) bei der jetzigen Targobank aufnahmen, welches in 83 Monatsraten á € 488,00 ab Oktober 2003 und einer Monatsrate von € 266,43 im September 2010 zu tilgen war.

    Auch wenn dem Antragsteller ferner zuzugeben ist, dass die Antragsgegnerin keine hinreichenden Gesichtspunkte vortrug, die ein Abweichen von der hälftigen Verteilungsregel des § 426 I BGB rechtfertigten, also ein Freistellungsanspruch dem Grunde nach bestände, so ist doch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin für die gesamte Restschuld von € 6.620,12 zum 14.03.2014 allein einzustehen hätte.

    Insofern hatte der Antragsteller darzulegen, welche Restschuld für das zu damaliger Zeit ungekündigte Darlehen bestand, als die Beteiligten noch paritätisch mtl. € 244,00 aufbrachten, und wie sich der Saldo seither infolge der beiderseitigen Leistungen entwickelte, was aber nicht erfolgte.

    Zudem legt der Saldonachweis zum 14.03.2014 nahe, dass das Darlehen zwischenzeitlich gekündigt wurde (es ist vom Anfall sich ändernder (Verzugs-?) Zinsen die Rede), so dass sich die Frage stellt, wer dadurch bedingte und im Außenverhältnis tatsächlich eingetretene Saldoerhöhungen zu verantworten hat; zugleich ergibt sich hieraus, dass diese Saldoerhöhungen nicht Teil der ursprünglichen Darlehensschuld sind, so dass sich zumindest ein Teil des Saldos nicht als Teil dieser Darlehensrückzahlungsverpflichtung, § 488 BGB, darstellen kann und vom originären Freistellungsanspruch erfasst wäre.

    Es kommt zwar in Betracht, dass sich diese Mehrkosten als Teil eines Schadenersatzanspruches im Innenverhältnis darstellten (vergl. Palandt-Grüneberg, § 426 BGB, Rz. 5 m.w.N.), weil einer der Gesamtschuldner seiner Aufbringungspflicht nicht (rechtzeitig) nachkam, indes ergibt der Vortrag des Antragstellers nicht, dass der Anfall derartiger Kosten allein auf das Verhalten der Antragsgegnerin zurückzuführen ist.

    Daher kann an dieser Stelle der bestrittene Vortrag des Antragsgegnerin dahingestellt bleiben, die Beteiligten seien am 17.10.2007 übereingekommen, künftig hälftig für die Darlehensraten aufzukommen, da dies nicht weiter als die Grundregel des § 426 I 1 BGB geht.

    b.

    Zudem ist die Antragsgegnerin infolge der erhobenen Einrede der Verjährung berechtigt, die Leistung gegenüber dem Antragsteller infolge Verjährungseintritts zu verweigern, § 214 BGB.

    aa) Hinsichtlich des aus § 426 I BGB abzuleitenden Freistellungsanspruch ist anerkannt, dass dieser unmittelbar mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses als Mitwirkungs-, Freistellungs- oder nach Zahlung durch einen Gesamtschuldner als Zahlungsanspruch fällig wird und somit im Sinne von § 199 I Nr. 1 BGB entsteht. Von den übrigen Voraussetzungen (Kenntnis des Antragstellers von Umständen der Gläubigerschaft der Bank gegenüber beiden Beteiligten, des Bestehens der Gesamtschuld und des Innenverhältnisses) ist infolge des beiderseitigen Vertragsschlusses mit der Bank auszugehen, vergl. zum Ganzen BGH NJW 2010, S. 60ff.. Dieser somit während der gemeinsamen Ehe im September 2003 begründete Anspruch war sodann bis zur Rechtskraft der Ehescheidung (17.10.2007) gehemmt und lief ab dem Folgetag weiter, §§ 207, 209 BGB, so dass das Leistungsverweigerungsrecht der Antragsgegnerin mit Ablauf des 17.10.2010 eintrat.

    Vorherige – und auch spätere – Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB sind nicht erkennbar, zumal die Antragsgegnerin bereits am 15.12.2010 jegliche Forderungen des Antragsteller zurückgewiesen hatte.

    Auch der Eingang des Verfahrenskostenhilfeantrages für hiesigen Hauptsacheantrag am 15.07.2013 – ebenso wie ein am 21.08.2012 schon einmal eingereichter und abschlägig beschiedener Verfahrenskostenhilfeantrag – konnten daher nicht zur Hemmung der bereits eingetretenen Verjährung führen, § 204 I Nr. 14 BGB.

    Es fand zuvor auch kein vorheriger Neubeginn der Verjährung statt, § 212 I Nr. 1 BGB: Es fehlt an einem Anerkenntnis der Antragsgegnerin als Schuldnerin gegenüber dem Antragsteller als Gläubiger. Denn die Antragsgegnerin hat nur Teilzahlungen im Außenverhältnis von mtl. € 25,00 bzw. € 10,00 getätigt, aus denen gerade nicht ableitbar ist, dass sie überhaupt eine weitergehende Verpflichtung im Innenverhältnis bestätigen wollte. Daher sind Zahlungen an einen Dritten regelmäßig insoweit bedeutungslos (BGH NJW-RR 2009, 455ff.), zumal die Anerkenntniserklärung, auch in Gestalt von Zahlungen, gerade für den Berechtigten bestimmt sein muss (Ermann-Schmidt=Räntsch, § 212 BGB, Rz. 5), was bei Zahlungen an den Außengläubiger nicht erkannt werden kann.

    bb) Gemäß § 217 BGB besteht mit dem Eintritt der Verjährung des Hauptanspruches auch ein Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf etwaige Ansprüche auf Ersatz von Saldoerhöhungen, der auf einem Verzug der Antragsgegnerin mit der rechtzeitigen Erbringung der auf sie entfallenden Ratenteile beruhte, §§ 280 I, II, 286 II Nr. 1, 249 ff. BGB, so dass der Antragsteller auch einen ggf. Schadenersatzanspruch nicht mehr durchsetzen kann.

    c.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 I 2 FamFG, 91 I ZPO; die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 42 FamGKG im Hinblick auf die Höhe des Darlehensrestsaldos. Die Verfahrenskostenhilfebewilligung zu Gunsten des Antragstellers ergibt sich aus den §§ 113 I 2 FamFG, 114 ff., 119 II ZPO.

    Diehl Fischer Dr. Fritzsche