OLG Frankfurt vom 05.04.2019 (4 UF 35/19)

Stichworte: Scheidung, „talaq“-Scheidung; Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen; ordre public; Morgengabe
Normenkette: BGB 1565 Abs. 1; FamFG 137 Abs. 2; Brüssel IIa-VO Art. 3 a), VO-EG 2201/2003 Art. 3 a); Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen Art. 8 Abs. 3; Rom III-VO Art. 19; iranZGB 1133, 1134; EGBGB Art. 17 Abs. 3
Orientierungssatz:
  • Für die Scheidung von ausschließlich iranischen Staatsangehörigen ist gem. Art. 19 Rom III-VO weiterhin Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.02.1929 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll vom 04.11.1954 maßgeblich und gelangt damit materielles iranisches Recht zur Anwendung.
  • Sofern auch nach deutschem Scheidungsrecht die Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen, kann die Frage eines Verstoßes einer sog. „talaq“-Scheidung gegen den deutschen ordre public dahinstehen.
  • Der nach iranischem Verfahrensrecht als Voraussetzung einer Scheidung notwendige Nachweis der Zahlung der Morgengabe ist nach dem maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht nicht erforderlich.
  • Sofern ein Versorgungsausgleich bei ausländischen Staatsangehörigen nur gem. Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB auf Antrag stattfinden kann, darf bei fehlendem Antrag nicht endgültig festgestellt werden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
  • 477 F 23065/18
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 17.01.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 07.12.2018 im schriftlichen Verfahren auf Grund der bis zum 27. März 2019 eingegangenen Schriftsätze beschlossen:

    Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Beschluss im Tenor zu Ziffer II abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:

    Ein Versorgungsausgleich findet derzeit nicht statt.

    Im Übrigen bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.600 € festgesetzt.

    Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Die Antragsgegnerin wendet sich mit dem Rechtsmittel gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Ehescheidung.

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner, beide ausschließlich iranische Staatsangehörige und Angehörige der schiitischen Rechtsschule, heirateten am 26.09.2015 im iranischen X und lebten zuletzt gemeinsam in Y, wo die Antragsgegnerin heute noch wohnt. Nach ihrer Trennung am 14.03.2017 (Flucht der Antragsgegnerin in ein Frauenhaus nach häuslichen Gewalttätigkeiten) und Zustellung des Scheidungsantrags an die Antragsgegnerin am 28.08.2018 wiederholte der Antragsteller im Verhandlungstermin vom 21.11.2018 vor dem Familiengericht seinen Scheidungsantrag und sprach vor den beiden Beteiligtenbevollmächtigten als Zeugen dreimal das Wort „talaq“ aus. Die Antragsgegnerin trat dem Scheidungsantrag mit der Begründung entgegen, der Antragsteller habe ihr bislang noch nicht die ehevertraglich vereinbarte Morgengabe von xxx Goldstücken, Spiegel und Kerzenhalter sowie xxx „M.“ Gold mit einem Wert von insgesamt ca. 425.000 € ausgezahlt. Einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs haben beide Beteiligte nicht gestellt.

    Mit Beschluss vom 07.12.2018 hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden und angeordnet, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den erstinstanzlichen Beschluss verwiesen.

    Mit ihrer am 17.01.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gegen den am 18.12.2018 zugestellten erstinstanzlichen Beschluss strebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an und macht im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen für eine Ehescheidung nach iranischem Recht lägen nicht vor, weil nach iranischer Rechtspraxis die Feststellung der durch den Ehemann ausgesprochenen Scheidung durch ein Gericht erst dann erfolge, wenn zuvor die Erfüllung der auf dem Ehevertrag beruhenden Verpflichtungen nachgewiesen sei. Zudem stelle sich die Frage nach der Ordre public-Widrigkeit der Scheidung nach iranischem Recht („talaq“-Scheidung). In einem von ihr persönlich abgefassten Schreiben vom 28.01.2019 macht die Antragstellerin darüber hinaus geltend, sie habe die familiengerichtliche Sitzung verlassen, so dass die Entscheidung in ihrer Abwesenheit ergangen sei, sie habe ferner um eine Scheidung nach iranischem Recht gebeten, da dann Unterhalt gezahlt werden müsse, und schließlich müsse der Antragsteller für die Unterdrückungen und Drangsale büßen, die er ihr ehezeitlich zugefügt habe. Daher verlange sie die Hälfte „all unseres Vermögens während der Ehe außer den oben erwähnten Unterhaltsleistungen“.

    Der Senat hat den Beteiligten Hinweise zur Frage des anwendbaren Eherechts erteilt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

    II.

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig, aber unbegründet.

    Das Amtsgericht und der Senat sind gem. Art. 3 a) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Brüssel IIa-VO) für die Entscheidung über den Ehescheidungsantrag des Antragstellers international zuständig. Beide Eheleute hatten zwischen Zustellung des Scheidungsantrags und letzter mündlicher Verhandlung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO) steht nicht entgegen. Denn Art. 2 der Rom III-VO bestimmt, dass diese die Anwendung der Brüssel II a-VO unberührt lässt.

    Die angefochtene Entscheidung ist auch verfahrensfehlerfrei ergangen. Soweit die Antragsgegnerin mit dem von ihr persönlichen verfassten Schreiben vom 28.01.2019 demgegenüber meint, sie habe die familiengerichtliche Sitzung verlassen und damit impliziert, dem Beschluss liege ein wesentlicher Verfahrensfehler iSd. §§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugrunde, bezieht sie sich erkennbar nur auf den Umstand, dass sie bei der Verkündung der Entscheidung in dem dazu eigens anberaumten Termin vom 7. Dezember 2018 nicht zugegen war. Dies steht der Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses jedoch nicht entgegen; Rechte der Antragsgegnerin sind durch ihre Abwesenheit nicht beeinträchtigt worden.

    Des Weiteren hat das Familiengericht seiner Würdigung zutreffend das materielle iranische Scheidungsrecht zugrunde gelegt und das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen danach auch zu Recht bejaht.

    Nach Art. 8 Abs. 3 des hier gem. Art. 19 Rom III-VO nach wie vor maßgeblichen Niederlassungsabkommens vom 17.02.1929 zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien in Verbindung mit dem Schlussprotokoll vom 04.11.1954 gelangt materielles iranisches Recht zur Anwendung, denn beide Beteiligte sind - ausschließlich - iranische Staatsangehörige.

    Entsprechend den insoweit zutreffenden Feststellungen des Familiengerichts liegen die Scheidungsvoraussetzungen nach dem iranischen Recht (Art. 1133, 1134 iran. ZGB) vor. Der Antragsgegner hat die Scheidungsformel „talaq“ (sinngemäß: „ich verstoße dich“) im Rahmen der amtsgerichtlichen Anhörung vom 21.11.2018 in Gegenwart der Antragsgegnerin und zweier „gerechter Männer“ (der beiden Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten) als Zeugen ausgesprochen.

    Da der Senat auch nach deutschem Scheidungsrecht die Voraussetzungen für die vom Antragsgegner beantragte Ehescheidung bejaht, stellt sich die Frage eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public im Ergebnis nicht. Nach deutschem Recht liegen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Beteiligten ebenfalls vor, da diese gescheitert ist, § 1565 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Unstreitig leben die Beteiligten spätestens seit dem 14.03.2017, also seit mehr als einem Jahr, räumlich getrennt voneinander, §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs.1, 1567 BGB. Das Trennungsjahr war bei Verkündung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung am 07.12.2018 bereits abgelaufen. Zwar stimmt die Antragsgegnerin der Scheidung weiterhin nicht zu, sondern beantragt auch im Beschwerdeverfahren weiterhin die Zurückweisung des Scheidungsantrages des Antragstellers. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten jedoch fest, dass eine nicht nur einseitige Zerrüttung der Ehe vorliegt, die die Annahme rechtfertigt, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen den Beteiligten nicht mehr zu erwarten ist (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 78. A., § 1565 Rz. 3 und 4 mwN.). Die Antragsgegnerin trägt vor, der Antragsteller habe sie ehezeitlich körperlich und seelisch misshandelt; in ihrem Schreiben vom 18.01.2019 spricht sie explizit von Unterdrückungen und Drangsalen, die sie während ihrer Ehe aushalten musste. Sie begehrt von ihrem Ehemann eine „Sühne“, wünscht aber keineswegs die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft. Zudem lässt die Antragsgegnerin sinngemäß vortragen, sie sei zur Scheidung bereit, wenn die Frage der Morgengabe geklärt sei. Umgekehrt musste die Antragsgegnerin infolge der in einem von dem Antragsteller gegen sie angestrengten Gewaltschutzverfahren ergangenen Anordnungen räumlichen Abstand von ihm halten. Die Ehe war demnach geprägt von wechselseitiger Gewalt, so dass - ungeachtet des vom Antragsteller ohnehin weiterverfolgten Scheidungsantrags - auch auf seiner Seite davon auszugehen ist, dass eine Fortsetzung der Ehe von ihm nicht gewünscht wird. Vor diesem Hintergrund wäre die Ehe durch das Familiengericht auch bei Anwendung deutschen Scheidungsrechts aufgrund ihres endgültigen Scheiterns geschieden worden.

    Zutreffend hat das Familiengericht auch den dem Scheidungsausspruch einredeweise entgegen gehaltenen Anspruch der Antragsgegnerin auf Zahlung der Morgengabe im - für die Entscheidung nicht relevanten - iranischen Verfahrensrecht verortet und daher letztlich bei seiner Entscheidungsfindung als unmaßgeblich nicht berücksichtigt. Art. 1133 iranZGB als materiell-rechtlich relevante Norm stellt den gerichtlichen Scheidungsausspruch (ebenso Art. 1134 ff. iranZGB) gerade nicht unter die Bedingung einer vorherigen Klärung güterrechtlicher Fragen (anders im Bereich der sunnitischen Rechtsschule, vgl. OLG Hamm FamRZ 2018, 51-53). Sofern die Antragsgegnerin von einem davon regelhaft abweichenden Verfahren iranischer Gerichte berichtet, nach dem die Scheidung erst nach Nachweis der Zahlung der Morgengabe ausgesprochen wird, trifft dies zwar zu. Nach Anm. 3 zu § 1 des iranischen ScheidungsG soll die - zuvor vom Mann ausgesprochene - Scheidung grundsätzlich erst dann vollzogen und registriert werden, wenn die Ansprüche der Frau auf die Morgengabe („mahr“), auf ihren nachehelichen Unterhalt, auf die Mitgift („djahis“) und auf ihre Abfindung geregelt sind (vgl. Rieck, Ausländisches Familienrecht, 17. EL, Juli 2018, Bl. 13, 14). Dabei handelt es sich aber um prozessuale und nicht um materielle Scheidungsvoraussetzungen, die für das deutschem Recht folgende inländische Verfahren unmaßgeblich sind, denn materiell-rechtlich ist für die Wirksamkeit der Scheidung nur der Scheidungsausspruch („talaq“) selbst maßgeblich.

    Das deutsche Verfahrensrecht kennt eine Abhängigkeit des Scheidungsausspruchs von der Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen zwischen den Eheleuten nur in Form des Scheidungsverbunds, §§ 137, 126 Abs. 2 FamFG (vgl. MüKoFamFG-Lugani, 3. A., § 126, Rz. 6 mwN.). Bei dem Anspruch auf Zahlung der Morgengabe handelt es sich jedoch nicht um eine Folgesache iSd. § 137 FamFG (zur Qualifikation des iranischen mahr als allgemeine Ehewirkung iSv. Art. 14 EGBGB vgl. BGH FamRZ 2010, 533-537). Nach Art. 1082 iranZGB wird die Ehefrau mit der Eheschließung Eigentümerin des mahr. Der Anspruch ist deshalb grundsätzlich sofort fällig und nicht vom Bestand der Ehe abhängig. Die vom Gesetz vorgesehene Vorleistungspflicht des Mannes ergibt sich auch aus dem Zurückbehaltungsrecht des Art. 1085 iranZGB. Der Anspruch auf den mahr hängt deshalb nicht von der Beendigung der Ehe ab; die Art der Beendigung der Ehe hat nach Art. 1146, 1147 iranZGB lediglich Einfluss darauf, ob der Anspruch auf den noch nicht geleisteten mahr insgesamt oder teilweise erhalten bleibt (zum Ganzen vgl. Senat FamRZ 2014, 357-359; KG FamRZ 2005, 1685 und OLG Hamburg FamRZ 2004, 459). Da es sich bei dem Anspruch der Antragsgegnerin somit nicht um eine für den Fall der Scheidung iSv. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG zu treffende Entscheidung handelt, kann er nicht im Verbund mit der Scheidung geltend gemacht und daher dem Scheidungsbegehren auch nicht als prozessuale Einrede entgegengehalten werden (vgl. KG aaO. und OLG Hamm FamRZ 2004, 551). Im Ergebnis das Gleiche gilt im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin persönlich in ihrem Schreiben vom 28.01.2019 erwähnten - sich vermeintlich aus iranischem Scheidungsverfahrensrecht ergebenden - Ansprüche gegen den Antragsteller auf Unterhalt und Zahlung des hälftigen Vermögens, die im vorliegenden Verfahren darüber hinaus auch nicht in den Verbund eingeführt worden sind.

    Schließlich hat das Familiengericht zu Recht angeordnet, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, da das iranische Eherecht diesen nicht kennt und bislang kein Ehegatte die Durchführung nach deutschem Recht beantragt hat (vgl. - hier vorrangig - Art. 17 Abs. 3 und 4 EGBGB). Lediglich klarstellend war der Tenor zu Ziffer II. neu zu fassen („derzeit“).

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Verfahrenswerts auf §§ 40 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 FamGKG. Veranlassung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.

    Die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags der Antragstellerin findet seine Grundlage in dem Umstand, dass der Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründe:n die erforderlichen Erfolgsaussichten fehlen, §§ 113 Abs. 1 S. 1 FamFG, 114 ZPO.

    Reitzmann Schmidt Dr. Kischkel