OLG Frankfurt vom 26.04.2017 (4 UF 313/16)

Stichworte: Beschwerdegegenstand, geringfügige Anrechte, Klammerwirkung
Normenkette: FamFG 9 Abs. 3, 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 11 S. 1 und 4, 64, AktG 78, 80, VersAusglG 18
Orientierungssatz:
  • Zu den formalen Voraussetzungen einer Beschwerdeeinlegung für eine juristische Person des Privatrechts.
  • Die Beschwerde eines Ausgangsversorgungsträgers erfasst nicht nur das bei ihm bestehende Anrecht eines Ehegatten, sondern auch gegenläufige Anrechte des anderen Ehegatten, wenn auf alle diese § 18 I VersAusglG zur Anwendung gelangen kann („Klammerwirkung“).
  • 63 F 2160/15
    AG Hanau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    Beteiligte:

    D… Lebensversicherungsverein a.G., …

    Beschwerdeführerin

    A… Lebensversicherung AG, …

    hat das Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main am 26.04.2017 beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 01.12.2016 wird der am 26.09.2016 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hanau, Az. 63 F 2160/15 S, dahingehend abgeändert, dass im Tenor unter Nr. 2.

    a) der 2., 4. und 5. Absatz entfallen,

    b) der 3. Absatz an 2. Stelle rückt und

    c) folgender 3. Absatz angefügt wird:

    Hinsichtlich der Anrechte der Antragstellerin bei dem D… Lebensversicherungsverein a.G. und des Antragsgegners bei der A… Lebensversicherung AG findet kein Versorgungsausgleich statt.

    Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

    Gründe:

    I.

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner, beide deutsche Staatsangehörige, schlossen am 08.11.2008 die Ehe miteinander. Diese Ehe wurde auf am 07.01.2016 an den Antragsgegner zugestellten Antrag der Antragstellerin - unter Regelung der von Amts wegen eingeleiteten Folgesache Versorgungsausgleich – durch am 26.09.2016 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hanau geschieden.

    Dabei hat das Familiengericht in der Folgesache Versorgungsausgleich eine Endentscheidung getroffen, wonach es sowohl die beiderseitigen Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung als auch Anrechte der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin aus einer betrieblichen Zusage im Rahmen einer Direktversicherung mit einem ehezeitlichen Deckungskapitalanteil von € 5.849,38 sowie des Antragsgegners bei der A… Lebensversicherung AG ebenfalls aus betrieblichen Zusagen in Form dortiger Rentenversicherungen mit ehezeitlichen Deckungskapitalanteilen von € 3.904,50 und € 2.207,69 jeweils intern teilte. Dabei legte es – nach je hälftigem – Abzug der Teilungskosten von insgesamt € 200,00, € 117,14 und € 66,23 Ausgleichswerte von € 2.824,69 zu Gunsten des Antragsgegners sowie € 1.893,68 und € 1.070,73 zu Gunsten der Antragstellerin zu Grunde.

    Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 24.11.2016 zugestellt. Hiergegen richtet sich ihre Beschwerde vom 01.12.2016, die beim Familiengericht am 05.12.2016 eingegangen ist und mit der sie geltend macht, die interne Teilung des bei ihr bestehenden Anrechts der Antragstellerin habe wegen Geringfügigkeit zu unterbleiben.

    Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 20.02.2017 und 16.03.2017 sowohl die Vertretungsmacht ihrer bei Beschwerdeeinlegung handelnden Mitarbeiterin S. M. nachgewiesen als auch bestätigt, dass diese auch sonst in (nahezu) identischer Weise wie mit dem von dieser unter der Beschwerdeeinlegung verwendeten, nahezu unleserlichen Schriftzug zeichnet.

    Der Senatsberichterstatter hat am 03.02.2017 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde „Klammerwirkung“ für alle drei betrieblichen Anrechte der Ehegatten haben dürfte und der Senat das ihm eingeräumte Ermessen dahingehend auszuüben gedenkt, den Ausgleich aller drei Anrechte auszuschließen.

    Die Beteiligten hatten rechtliches Gehör.

    II.

    Die zulässige, §§ 58 ff. FamFG, Beschwerde der Beschwerdeführerin führt zu einer Neuregelung der versorgungsausgleichsrechtlichen Entscheidung des Familiengerichts vom 26.09.2016 insoweit, als Nr. 2. des Tenors dahingehend abzuändern ist, dass der 2., 4. und 5. Absatz entfallen, der bisher 3. Absatz der 2. Absatz wird und als neuer 3. Absatz die Entscheidung anzufügen ist, dass für die drei Anrechte bei der Beschwerdeführerin und der A… Lebensversicherung AG kein Versorgungsausgleich stattfindet.

    Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 01.12.2016 ist – nach ihren Nachbesserungen vom 20.02.2017 und 16.03.2017 – zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt und von einer mit Vertretungsmacht für die Beschwerdeführerin (als juristische Person) ausgestatteten natürlichen Person unterzeichnet.

    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Beschwerdeführerin als juristische Person in Form eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, § 171 VAG, nach § 9 III FamFG durch ihren Vorstand als Organ, §§ 188 I 1 VAG, 78 AktG, gerichtlich vertreten wird. Dies hatte die Beschwerdeführerin zunächst nicht beachtet, indem die Beschwerdeeinlegung für sie – durch Schreiben vom 20.02.2017 aufgeklärt – von ihrer Mitarbeiterin und Prokuristin S. M. im Sinne von § 64 II 4 FamFG unterzeichnet wurde. Deren Bevollmächtigung, die der Senat nach § 11 S. 4 FamFG von Amts wegen zu prüfen hat, wurde ihm, ohne dass es eines Rückgriffs auf die für die Beschwerdeführerin erfolgten Handelsregistereintragungen bedürfte, letztlich durch die am 20.02.2017 vorgelegte und auf Frau S. M. lautende Vollmacht des Vorstands der Beschwerdeführerin nachgewiesen.

    Die Beschwerde war auch ordnungsgemäß unterzeichnet, obgleich der Senatsberichterstatter hieran anfänglich Zweifel hatte: Denn es ist anerkannt, dass die Unterschrift im Sinne des § 64 II 4 FamFG ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug zu sein hat, der – u.a. – individuelle und charakteristische Merkmale aufweisen muss, die eine Nachahmung erschweren und den Namen des Unterschreibenden wiedergeben (Keidel-Sternal, § 64 FamFG, Rz. 31), wobei bei nicht vollständig lesbarem Unterschriftszug – wie hier – von Bedeutung ist, dass einzelne Buchstaben des Namens erkennbar sind und ob die handelnde Person sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterzeichnet (BGH Beschluss vom 09. Februar 2010 – VIII ZB 67/09 –, juris; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZB 504/15 –, juris, Rz. 13).

    Gemessen hieran ist der am 01.12.2016 verwendete Schriftzug hinreichend, lässt er doch sowohl als Anfangsbuchstaben ein „M“ und als mittleren Buchstaben ein „…“ erkennen/erahnen; die Üblichkeit der Unterschriftsleistung der Prokuristin M. wurde durch den Vorstand der Beschwerdeführerin am 16.03.2017 dem Senat bestätigt.

    Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdebefugt, § 59 I FamFG, weil sie geltend macht und geltend machen kann, dass der Ausgleich eines bei ihr bestehenden Anrechts wegen Geringfügigkeit zu unterbleiben hat (vergl. BGH FamRZ 2013, 612-614, Rz. 14).

    Die Beschwerde erfasst nun aber nicht nur das bei der Beschwerdeführerin bestehende Anrecht, sondern erstreckt sich auch auf die beiden Anrechte des Antragsgegners bei der A… Lebensversicherung AG, weil der Senat zuvörderst eine Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 I VersAusglG vorzunehmen hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01. August 2011 – 18 UF 3/11 –, juris). Denn den Regelungen des § 18 I und II VersAusglG liegt ein Stufenverhältnis zu Grunde, wonach eine Prüfung der Geringfügigkeit eines Anrechts nach § 18 II VersAusglG erst dann eröffnet ist, wenn der Anwendungsbereich des § 18 I VersAusglG nicht gegeben ist (grundlegend: BGH FamRZ 2012, 192-197, Rz. 29ff.).

    Insofern ist die Beschwerde begründet, weil letztlich keine besonderen Gründe:für den Senat erkennbar sind, trotz der Soll-Regelungen des § 18 VersAusglG einen Ausgleich aller drei Anrechte vorzunehmen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die gegenseitigen Anrechte gleichartig im Sinne des § 18 I VersAusglG sind, weil sowohl die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte als auch die Ausgleichswerte aller einzelnen Anrechte selbst geringfügig im Sinne der §§ 18 III VersAusglG, 18 SGB IV sind. Die Bezugsgröße nach § 18 SGB IV betrug zum Ende der Ehezeit am 31.12.2015 € 2.835,00 (vergl. SozVers-Rechengrößen-VO), 120% hiervon sind € 3.402,00. Dahinter bleiben – nach (wie nachstehend genannt) und ohne Abzug der Teilungskosten von € 200,00, € 117,14 und € 66,23 – die nicht zu beanstandenden Ausgleichswerte von € 2.824,69 zu Gunsten des Antragsgegners sowie € 1.893,68 und € 1.070,73 zu Gunsten der Antragstellerin auch in ihrer Differenz (€ 1.893,68 + € 1.070,73 - € 2.824,69 = € 142,72) deutlich zurück.

    Die dem Senat als Beschwerdegericht damit uneingeschränkt obliegende (vergl. BGH FamRZ 2017, 97-98) Ermessenentscheidung führt vorliegend dazu, mit der gesetzlichen Soll-Regelung von einem Wertausgleich aller drei (grundsätzlich intern zu teilenden, §§ 9, 10ff. VersAusglG) Anrechte abzusehen. Denn der grundgesetzlich geschützte Halbteilungsgrundsatz wird nicht dadurch verwirklicht, dass drei Anrechte mit einer Kapitalwertdifferenz von nur € 142,72 jeweils geteilt werden, wenn hierdurch den Ehegatten Ersparnisse im Umfang der anderenfalls vom Versorgungsträger zu erhebenden Teilungskosten im Sinne des § 13 VersAusglG von (€ 200,00, € 117,14 und € 66,23, zusammen) € 383,37 genommen werden. Dies ist extrem unwirtschaftlich und schafft keinem Ehegatten einen Vorteil. Hinzu tritt, dass durch die jeweils interne Teilung drei Kleinstanrechte der Ehegatten neu geschaffen würden, was nicht nur (unnötigen) Verwaltungsaufwand bei den Versorgungsträgern, sondern auch bei den Ehegatten selbst verursacht. Andere Gesichtspunkte, die für einen Ausgleich sprächen, wie sie insbesondere bei der externen Teilung denkbar sind (vergl. BGH FamRZ 2016, 1658-1660), liegen hier nicht vor.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 I FamFG und berücksichtigt, dass das Familiengericht, welches keine Ausführungen zur Ermessensausübung tätigte, den Rahmen des durch § 18 VersAusglG eröffneten Ermessens deutlich überschritt und damit letztlich die Beschwerde verursachte. Für die Anordnung einer Auslagenerstattung ist kein Raum.

    Infolge der Nichterhebung von Gerichtskosten bedarf es auch keiner Wertfestsetzung von Amts wegen, § 55 II FamGKG.

    Diehl Dr. Schweppe Dr. Fritzsche