OLG Frankfurt vom 05.04.2013 (4 UF 249/12)

Stichworte: Kindesunterhalt, Bedarf, volljähriges behindertes Kind, Einrichtung; Mehrbedarf, volljähriges behindertes Kind, Einrichtung; Volljährigenunterhalt, Bedarf, Einrichtung;
Normenkette: BGB 1610, 1606 Abs. 3 S.1, 1603 Abs. 1
Orientierungssatz: Kosten, welche einem Elternteil anlässlich des regelmäßigen Umgangs mit einem volljährigen behinderten Kind entstehen, begründen keinen Bedarf des Kindes, es sei denn, für den Umgang besteht aus Sicht des Kindes eine zwingende medizinische oder sonstige Erforderlichkeit. Selbst dann sind die mit dem Umgang verbundenen Kosten in der Regel jedoch von dem Umgang ausübenden Elternteil als Naturalunterhalt zu tragen, wenn sein angemessener Selbstbehalt dadurch nicht gefährdet wird.

459 F 8421/11
AG Frankfurt/Main

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf vom 24.09.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 13.08.2012 auf Grund der bis zum 15.3.2013 eingegangenen Schriftsätze beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der gerichtliche Vergleich vom 10.8.2000, Aktenzeichen 10 F 476/99 des Amtsgerichts Königstein, wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab Oktober 2011 nur noch monatlichen Kindesunterhalt von 386,43 Euro zu zahlen hat.

Im Übrigen werden der Antrag des Antragstellers und der Widerantrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs trägt der Antragsteller zu acht Zehnteln, die Antragsgegnerin zu zwei Zehnteln. Die Kosten des zweiten Rechtszugs trägt die Antragsgegnerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 1.699,15 Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines bestehenden Kindesunterhaltstitels.

Die am 16.1.1981 geborene Antragsgegnerin ist die Tochter des Antragstellers aus dessen geschiedener Ehe mit der gerichtlich bestellten Betreuerin der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist schwerstbehindert und lebt seit 15.3.2009 in einer Einrichtung. Die Kosten der Unterbringung in der Einrichtung und der dortigen Betreuung und Verpflegung (151,29 Euro täglich) werden in voller Höhe von den von der Antragsgegnerin bezogenen Leistungen nach dem SGB XII abgedeckt. Zusätzlich erhält die Antragsgegnerin vom Landeswohlfahrtsverband als Träger der Leistungen nach dem SGB XII ein monatliches Taschengeld von 94,77 Euro sowie eine Bekleidungspauschale von 30,50 Euro. Des Weiteren bezieht sie Kindergeld in Höhe von 184,- Euro. Ein Rückgriff des Landeswohlfahrtsverbands auf die Eltern der Antragsgegnerin erfolgt nicht.

Tagsüber hält sich die Antragsgegnerin in der Tagesförderstätte der P. Werkstätten auf, erhält hierfür mangels erbrachter Arbeiten jedoch keine Vergütung. Der nur über kurze Strecken gehfähigen Antragsgegnerin stehen bei einem Eigenanteil von 4,50 Euro monatlich im Stadtgebiet F. insgesamt 36 Taxi-Freifahrten (jeweils Hin- und Rückfahrt) jährlich zu. Die Wochenenden verbringt die Antragsgegnerin überwiegend bei ihrer Mutter, welche sie an durchschnittlich 43 Wochenenden im Jahr mit ihrem Privatfahrzeug in der Einrichtung abholt und wieder dorthin zurückbringt. Von der Pflegekasse erhält die Mutter für die von der Antragsgegnerin bei ihr verbrachten Wochenenden das anteilige, für die Pflege der Antragsgegnerin gewährte Pfleggeld. Des Weiteren übernimmt die Mutter Fahrten zu Ärzten, Orthopäden, Geburtstagsfeiern, Veranstaltungen des Wohnheims, Freizeitaktivitäten etc. Wegen des Umfangs der anfallenden Fahrten und der hierdurch bedingten Fahrtkosten wird auf die Aufstellung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.3.2012, Bl. 196 - 198, Bezug genommen.

Bis zu ihrer Aufnahme in die Einrichtung lebte die Antragsgegnerin bei ihrer Mutter. Der Antragsteller zahlte auf Grund des im Tenor genannten gerichtlichen Vergleichs vom 10.8.2000 monatlichen Kindesunterhalt von 434,60 Euro (850,- DM). Der Antragsteller verfügt über ein gesetzliches Nettoeinkommen von rund 4.000,- Euro monatlich. Die zwischenzeitlich wiederverheiratete und erneut geschiedene Mutter der Antragsgegnerin bezieht nach Durchführung des Versorgungsausgleichs im Jahr 2012 eine monatliche Erwerbsminderungsrente von 836,98,- Euro netto; vor Durchführung des Versorgungsausgleichs belief sich die Höhe der Rente auf 757,52 Euro netto. Den Mietwert des von der Mutter der Antragsgegnerin bewohnten, in ihrem Eigentum stehenden Hauses hat die Antragsgegnerin unwidersprochen mit 750,- Euro monatlich angegeben. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Mutter der Antragsgegnerin dieser nicht zu Barunterhalt verpflichtet ist.

Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 16.6.2011 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 486,- Euro ab Juni 2011 aufgefordert hatte, forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin seinerseits mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 19.10.2011 auf, mit Wirkung ab Oktober 2011 auf ihre Rechte aus dem Vergleich vom 10.8.2000 zu verzichten. Mit seinem am 2.11.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Abänderungsantrag beantragte er eine entsprechende gerichtliche Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels, welche er mit der in Folge der Deckung des Bedarfs durch den Träger der Leistungen nach dem SGB XII weggefallenen Bedürftigkeit begründete.

Die Antragsgegnerin beantragte ihrerseits widerklagend eine Erhöhung des titulierten Unterhalts auf 486,- Euro monatlich ab Juni 2011 und begründete dies zunächst mit einem sich aus der Düsseldorfer Tabelle für unterhaltsbedürftige Kinder mit eigenem Hausstand ergebenden Unterhaltsbedarf von 670,- Euro, welcher lediglich um das von ihr bezogene Kindergeld zu bereinigen sei.

Mit entsprechenden Anträgen verhandelten die Beteiligten vor dem Amtsgericht anschließend mündlich zur Sache.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens machte die Antragsgegnerin folgenden konkreten, über die gewährten Leistungen nach dem SGB XII hinausgehenden monatlichen Unterhaltsbedarf geltend, auf welchen sie den geltend gemachten Unterhaltsanspruch nunmehr stützte:

Fahrtkosten (ausgehend von 450 km monatlich) 135,-- Euro anteilige Kosten Tiefgaragenstellplatz Betreuerin 12,40 Euro Medikamentenzuzahlungen 43,60 Euro Nähutensilien 10,-- Euro Haftpflichtversicherung 7,60 Euro Lebenshilfebeitrag 5,40 Euro Kleidung 100,-- Euro Matratzen, Tagesdecken, Wärmeunterbett 29,75 Euro Frisör, Mal- und Spielsachen, Schuhe, Eintrittsgelder u.ä. 108,-- Euro anteilige Hausnebenkosten der Betreuerin 70,-- Euro Verpflegung im Hause der Betreuerin 57,35 Euro Stützstrümpfe 13,35 Euro chemische Reinigung 6,65 Euro Ferienreisen 145,-- Euro Zuzahlungen zu zahnärztlichen Behandlungen 29,85 Euro Brillen 18,50 Euro gesamt 792,90 Euro

Auf den Schriftsatz vom 22.3.2012, Bl. 194ff. der Akte, wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, neben den ihrer Mutter anlässlich des Wochenendumgangs entstehenden Fahrtkosten seien auch die Kosten des von ihrer Mutter angemieteten Tiefgaragenstellplatzes von umgerechnet 1,73 Euro pro Tag für die Dauer ihrer Besuche bei der Mutter, also an 86 Tagen im Jahr, als Unterhaltsbedarf zu berücksichtigen, weil die Mutter sich ohne die für die Antragsgegnerin zu erbringenden Fahrdienste weder ein Fahrzeug angeschafft noch einen Tiefgaragenstellplatz angemietet hätte. Des Weiteren seien die monatlichen Hausnebenkosten der Mutter von 217,75 Euro für Grundsteuer, Energie- und Wasserversorgung , Abfallentsorgung und Straßenreinigung wegen der Wochenendbesuche der Antragsgegnerin zu etwa einem Drittel, also mit den geltend gemachten 70,- Euro, als Bedarf der Antragsgegnerin anzusetzen.

Der Antragsteller nahm seinen Abänderungsantrag daraufhin ohne ausdrückliche oder fingierte Einwilligung der Antragsgegnerin zurück, soweit er eine Abänderung auf einen 252,- Euro monatlich unterschreitenden Unterhaltsbetrag beantragt hatte.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.8.2012 gab das Amtsgericht dem Widerantrag der Antragsgegnerin nach erneuter mündlicher Verhandlung unter Zurückweisung des Antrags des Antragstellers in voller Höhe statt. Zu Begründung führte es aus, die Antragsgegnerin habe in Folge ihrer gesundheitlichen Verfassung einen erheblich erhöhten Bedarf, welchen sie mit Schriftsatz vom 22.3.2012 schlüssig dargelegt habe. Zwar sei es problematisch, Kosten der Betreuerin für einen Tiefgaragenstellplatz und Hauskosten dem Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin zuzurechnen. Die übrigen von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kosten seien aber jedenfalls in der Höhe des vorliegend geltend gemachten Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Die gesundheitliche Situation der Antragsgegnerin mache es dabei erforderlich, grundsätzlich dem Sonderbedarf zuzurechnende Positionen dem laufenden Bedarf zuzurechnen. Soweit ein entsprechender Bedarf in der Vergangenheit auf Grund in der Person der Betreuerin liegender Ursachen nicht immer konsequent geltend gemacht worden sei, müsse für die Zukunft eine Prognose getroffen werden, die sich nicht darauf beschränken dürfe, in der Vergangenheit getätigte Ausgaben in die Zukunft fortzuschreiben.

Mit seiner am 24.9.2012 beim Amtsgericht eingegangenen und innerhalb nachgelassener Frist begründeten Beschwerde gegen den seiner Bevollmächtigten am 24.8.2012 zugestellten Beschluss begehrt der Antragsteller neben einer Zurückweisung des Widerantrags nun noch eine Herabsetzung des titulierten Unterhalts auf 386,43 Euro ab Oktober 2011. Er erkennt mittlerweile folgenden, von der Unterbringung und Verpflegung in der Einrichtung nicht gedeckten monatlichen Bedarf der Antragsgegnerin an:

Eigenanteil Taxi 4,50 Euro
Fahrtkosten 50,-- Euro
Medikamentenzuzahlungen 43,60 Euro
Nähutensilien 9,84 Euro
Haftpflichtversicherung 7,58 Euro
Lebenshilfebeitrag 5,41 Euro
Kleidung 100,-- Euro
Matratzen, Tagesdecken, Wärmeunterbett 29,75 Euro
Frisör, Mal- und Spielsachen, Schuhe, Eintrittsgelder u.ä. 108,-- Euro
Stützstrümpfe 13,35 Euro
chemische Reinigung 6,65 Euro
Ferienreisen 145,-- Euro
Zuzahlungen zu zahnärztlichen Behandlungen 28,50 Euro
Brillen 18,52 Euro
Bad-/Hygieneartikel 25,-- Euro
zusätzliche Lebensmittel/Freizeitaktivitäten 100,-- Euro
gesamt 695,70 Euro

Auf diesen Bedarf rechnet er das Kindergeld von 184,- Euro, das Taschengeld von 94,77 Euro und das Kleidergeld von 30,50 Euro bedarfsdeckend an und gelangt so zu einem von ihm nunmehr anerkannten ungedeckten Bedarf von 386,43 Euro.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegen getreten. Sie stützt ihre weiter gehende Unterhaltsforderung nunmehr noch auf die vom Antragsteller nicht anerkannten Fahrtkosten von 85,- Euro monatlich, auf die anteiligen Kosten des Tiefgaragenstellplatzes von 12,40 Euro monatlich und die anteiligen Hausnebenkosten von 70,- Euro monatlich. Verpflegungskosten für die Aufenthalte im Haus ihrer Mutter und Betreuerin macht sie nicht mehr geltend; soweit die vom Antragsteller anerkannten übrigen Bedarfspositionen geringfügig von den von ihr ursprünglich in Ansatz gebrachten Beträgen abweichen, macht sie die Abweichungen nicht mehr als Bedarf geltend.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der gerichtliche Vergleich vom 10.8.2000, Aktenzeichen 10 F 476/99 des Amtsgerichts Königstein, unter Zurückweisung des Widerantrags der Antragsgegnerin dahingehend abgeändert wird, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab Oktober 2011 nur noch monatlichen Kindesunterhalt von 386,43 Euro zu zahlen hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, die Wochenendaufenthalte bei ihrer Mutter seien aus gesundheitlichen Erwägungen zwingend geboten. Sie lebe in der Einrichtung mit zwei autistischen jungen Frauen zusammen, die fast den ganzen Tag schrien und unruhig seien. Dies sei für die Antragsgegnerin unter der Woche nur zu ertragen, weil sie tagsüber in den P. Werkstätten beschäftigt werde und an Freizeitaktivitäten teilnehme. Bereits in der Nacht sei die Situation schwierig. An den Wochenenden stünden für acht Behinderte nur zwei Betreuer zur Verfügung; Freizeitaktivitäten seien nur selten möglich. Bei einem Verbleib in der Einrichtung wäre die Antragsgegnerin daher sich selbst überlassen und dem Lärm und Geschrei ihrer Mitbewohnerinnen ausgesetzt. Nur durch die Aufenthalte bei der Mutter sei eine ungestörte Nachtruhe gewährleistet. Im Übrigen gebiete auch das Recht der Antragsgegnerin auf ein menschenwürdiges Dasein den regelmäßigen Kontakt zu ihrer engsten Angehörigen.

Die Beteiligten sind vom Senat mit Beschluss vom 8.2.2013 darauf hingewiesen worden, dass dieser ohne erneute mündliche Verhandlung in der Sache zu entscheiden gedenkt. Für die Einreichung von Schriftsätzen ist den Beteiligten eine Frist bis zum 15.3.2013 gesetzt worden.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zu der vom Antragsteller mit ihr begehrten Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Nachdem der Antragsteller den von der Antragsgegnerin geltend gemachten monatlichen Barbedarf in Höhe eines Betrags von 386,43 Euro anerkannt hat, ist nur noch über den der Antragsgegnerin darüber hinaus vom Amtsgericht monatlich ab Juni 2011 zugesprochenen Betrag von 99,57 Euro zu befinden, welchen die Antragsgegnerin nunmehr noch auf folgende - den genannten Betrag übersteigende Bedarfspositionen - stützt:

nicht anerkannte Fahrtkosten der Betreuerin 85,-- Euro anteilige Kosten Tiefgaragenstellplatz Betreuerin 12,40 Euro anteilige Hausnebenkosten der Betreuerin 70,-- Euro

Unabhängig von der Frage, ob der Widerantrag der Antragsgegnerin nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil die Antragsgegnerin nicht angegeben hat, mit welchem Anteil bzw. in welcher Reihenfolge die den geltend gemachten Gesamtbedarf übersteigenden Einzelbedarfspositionen zu prüfen sind (vgl. zur Unzulässigkeit einer Teilklage bei fehlender Individualisierung des Streitgegenstands Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 253, Rdnr. 15 unter Verweis auf BGHZ 11, 192), ist die Beschwerde jedenfalls insgesamt schon deshalb begründet, weil ein gegen den Antragsteller gerichteter Barunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin hinsichtlich keiner der vorgenannten Bedarfspositionen gegeben ist.

Nach § 1610 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen und umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich eines etwaigen Mehrbedarfs in Folge einer Behinderung und einer daraus resultierenden Pflegebedürftigkeit (vgl. BGH, FamRZ 1983, 689; Born in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 75; Wendl/Dose, das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. 2011, § 2, Rdnr. 463, 484, 534).

Die zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall noch streitigen Bedarfspositionen werden hiervon allerdings nicht erfasst, weil es sich bei ihnen ausnahmslos nicht um Bedarf der Antragsgegnerin, sondern um Umgangskosten oder ohnehin anfallende Hausnebenkosten der Mutter der Antragsgegnerin handelt. Dies gilt auch für die geltend gemachten weiteren Fahrtkosten, entfallen diese doch ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Aufstellung mit einem Anteil von 4.518 km x 0,30 Euro = 1.355,40 Euro jährlich bzw. 112,95 Euro monatlich und damit mit einem den geltend gemachten Betrag von 85,- Euro monatlich übersteigenden Betrag auf die Kosten des Abholens und Bringens vom und zum Wohnheim und die Freizeitgestaltung mit der Mutter an den Besuchswochenenden.

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn für den Umgang mit der Mutter eine zwingende medizinische Notwendigkeit bestünde (vgl. insoweit zur Anerkennung von Besuchskosten als Bedarf des Geschädigten im Deliktsrecht OLG Bremen, Urteil vom 313.9.1999, 3 U 165/98, BeckRS 2000, 01626). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin dienen die Besuche der Aufrechterhaltung der Bindung zur engsten Verwandten und der Erholung von einem streckenweise anstrengenden und nervenzehrenden Alltag in der Einrichtung. Eine medizinische Notwendigkeit, insbesondere irgendwelche nachteiligen gesundheitlichen Folgen eines Verbringens der Wochenenden in der Einrichtung, lassen sich dem Vortrag nicht entnehmen.

Da der Bedarf der in einer Einrichtung lebenden Antragsgegnerin auch an den Wochenenden durch die ihr gewährten Sozialleistungen und den vom Antragsteller anerkannten Unterhaltsbetrag gedeckt ist (vgl. insoweit Wendl/Dose, § 2, Rdnr. 534 unter Verweis auf OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 625), sind die mit einem Wochenend- oder Ferienumgang verbundenen Aufwendungen daher - wie auch bei minderjährigen Kindern (vgl. insoweit BGH, NJW 1995, 717) - grundsätzlich (als Naturalunterhalt) von dem Elternteil zu tragen, der den Umgang mit der Antragsgegnerin ausübt, im vorliegenden Fall also von der Mutter der Antragsgegnerin.

Bei den dieser insoweit entstehenden Aufwendungen handelt es sich auch nicht um Aufwendungen, welche im Rahmen ihrer Betreuertätigkeit anfallen und einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) begründen, welcher gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil wiederum als behinderungsbedingter Mehrbedarf geltend gemacht werden könnte (vgl. Wendl/Dose, § 2, Rdnr. 534). Der Umgang dient nämlich eindeutig nicht der Ausübung der im Rahmen der Betreuung zugewiesenen Vertretungsaufgaben, sondern der Pflege der familiären Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und ihrer Mutter.

Im Übrigen wäre eine Erhöhung des gegen den Antragsteller gerichteten Barunterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin um die vom Antragsteller nicht anerkannten Bedarfspositionen selbst dann nicht angezeigt, wenn man die der Mutter im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangs anfallenden Aufwendungen dem Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin zuordnen würde.

Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften gleich nahe Verwandte für den Unterhalt anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Befriedigt ein Elternteil den Unterhaltsbedarf des Kindes durch Naturalleistungen, sind diese zu monetarisieren bzw. durch Aufrechnung auf den Barunterhaltsanteil dieses Elternteils anzurechnen (Brudermüller in Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 1606, Rdnr. 14 unter Verweis auf OLG Koblenz, FamRZ 1989, 307). Dem erhöhten Einsatz eines Elternteils für ein behindertes Kind kann durch eine wertende Veränderung des Verteilungsschlüssels Rechnung getragen werden (vgl. Brudermüller in Palandt; § 1606, Rdnr. 14 unter Verweis auf KG, FamRZ 2003, 1864; Wendl/Dose, § 2, Rdnr. 436 unter Verweis auf BGH, FamRZ 1985, 917).

Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen erscheint es - entsprechend der langjährigen Übung der Beteiligten - sachgerecht, der Mutter der Antragsgegnerin über den von ihr im Rahmen der Ausübung des Umgangs mit der Antragsgegnerin geleisteten Naturalunterhalt hinaus keinen Barunterhalt aufzubürden und den nicht durch Sozialleistungen abgedeckten Barunterhalt allein vom wirtschaftlich deutlich besser gestellten Antragsteller tragen zu lassen.

Für eine darüber hinausgehende Beteiligung des Antragstellers an dem von der Mutter der Antragsgegnerin geleisteten Naturalunterhalt bestünde nach Auffassung des Senats hingegen selbst dann keine Veranlassung, wenn man den Naturalunterhalt monetarisieren und dem Barbedarf der Antragsgegnerin zuschlagen würde.

Das der Mutter der Antragsgegnerin zuzurechnende Einkommen aus Rente und Wohnvorteil übersteigt den ihr zuzubilligenden angemessenen Selbstbehalt von mittlerweile 1.200,- Euro monatlich (vgl. Ziffer 21.3.1 der aktuellen Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, veröffentlicht unter www.hefam.de) deutlich. Der Selbstbehalt wird durch den von der Mutter erbrachten Naturalunterhalt nicht gefährdet, zumal es sich bei den zwischen den Beteiligten noch streitigen Bedarfspositionen mit einem Wert von insgesamt 167,40 Euro in nicht unerheblichem Umfang um Positionen handelt, welche bei der Mutter unabhängig von der Unterhaltsgewährung ohnehin anfallen - wie beispielsweise ein Großteil der geltend gemachten Hausnebenkosten. Da die Mutter außerdem für die von ihr an den Umgangswochenenden erbrachten Pflegeleistungen das anteilige Pflegegeld bezieht und Umgangskosten - wie dargestellt - grundsätzlich vom Umgang ausübenden Elternteil zu tragen sind, sind trotz des deutlich höheren Einkommens des Antragstellers im Ergebnis keine Umstände ersichtlich, welche es rechtfertigen könnten, den vom Antragsteller zu leistenden Barunterhalt um den Wert des von der Mutter im Rahmen der Umgangsausübung erbrachten Naturalunterhalts zu erhöhen.

Der von der Antragsgegnerin zusätzlich geltend gemachte Barbedarf rechtfertigt sich - losgelöst von den geltend gemachten konkreten Bedarfspositionen - auch nicht allein aus dem Einkommen des Antragstellers. Zum Einen hat die Antragsgegnerin mit ihrem Umzug in eine Einrichtung eine eigene, von der Lebensstellung des Antragstellers unabhängige Lebensstellung erreicht, weshalb auch ihr Bedarf unabhängig vom Einkommen des Antragstellers zu ermitteln ist (vgl. Wendl/Dose, § 2, Rdnr. 534). Zum Anderen hat die Antragsgegnerin bis zu ihrem Umzug in die Einrichtung fast zehn Jahre lang vom Naturalunterhalt ihrer Mutter, dem Kindergeld und den monatlichen Unterhaltsleistungen des Antragstellers von 434,60 Euro gelebt. Die Summe aus den nun bezogenen Leistungen nach dem SGB XII (151,29 Euro täglich zuzüglich Taschengeld und Bekleidungspauschale), dem Kindergeld (184,- Euro) und dem vom Antragsteller anerkannten Unterhalt (386,43 Euro) übersteigt die der Antragsgegnerin zuvor für ihren Unterhalt zur Verfügung stehenden Beträge damit weit und rechtfertigt unter keinen Umständen die pauschale Annahme des von der Antragsgegnerin geltend gemachten Bedarfs.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG. Die Kostenverteilung entspricht der Quote des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten in beiden Rechtszügen unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde erwirkten Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Da die Frage, ob Kosten des Umgangs mit einem volljährigen Kind einen Unterhaltsbedarf des Kindes begründen und von welchem Elternteil dieser Bedarf zu tragen ist, nach Kenntnis des Senats bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist, ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 1 und 2 FamFG).

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FamGKG. Maßgeblich für den Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz ist die vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde begehrte Herabsetzung des monatlichen Unterhalts von 486,- Euro auf 386,43 Euro für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2011 und für das auf die Widerantragseinreichung im Dezember 2011 folgende Jahr, also für insgesamt 15 Monate, sowie die für den Zeitraum von Juni bis September 2011, also für weitere vier Monate, begehrte Herabsetzung des monatlichen Unterhalts von 486,- Euro auf 434,60 Euro.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß der §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 575 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, vertreten lassen.

Diehl Fischer Schmidt