OLG Frankfurt vom 13.08.2013 (4 UF 178/13)

Stichworte: Anwaltszwang, Beiordnung, Verbundverfahren, Beschwerde, nichtstreitige Familiensachen;
Normenkette: FamFG 137, 76, 114, 64; ZPO 121, 78 Abs. 3;
Orientierungssatz: In Beschwerdeverfahren gegen die Teile einer familiengerichtlichen Verbundentscheidung, die Folgesachen aus dem Bereich nichtstreitiger Familiensachen betreffen (Versorgungsausgleich, Ehewohungs- und Haushaltssachen, Kindschaftssachen), besteht kein Anwaltszwang.

6 F 1340/11
AG Gelnhausen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21.05.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelnhausen vom 14.03.2013, Az. 6 F 1340/11 S, am 13.08.2013 beschlossen:

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Beschwerdewert: EUR 1.000,00

Der Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren vom 19.06.2013 wird zurückgewiesen; insofern wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss, verkündet in Anwesenheit der beteiligten Ehegatten am 14.03.2013, hat das Amtsgericht auf den am 02.03.2012 an die Antragsgegnerin zugestellten Scheidungsantrag die am 01.03.1985 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich dergestalt durchgeführt, dass es - unter Ausschluss des Ausgleichs eines Anrechts der Antragsgegnerin bei der ZVK Wiesbaden (KDZ) - 3,8614 Entgeltpunkte der DRV von dem Antragsteller auf die Antragsgegnerin und 5,7992 Entgeltpunkte in Gegenrichtung übertrug. Diese Entscheidung wurde der Antragsgegnerin am 26.03.2013 zugestellt, Bl. 30 d.A.. Gegen den letzten Teil der Entscheidung richtet sich das am 23.05.2013 beim Familiengericht eingegangene und als "Widerspruch" bezeichnete Schreiben der Antragsgegnerin vom 21.05.2013, Bl. 38 d.A..

Das Familiengericht fasste diese Eingabe als Beschwerde auf und legte selbige nebst Verfahrensakte mittels Verfügung vom 29.05.2013 dem Senat vor. Mit Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 12.06.2013, von der der Antragsteller abschriftsweise Kenntnis erhielt, wies diese die Antragsgegnerin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels wegen Verfristung hin. Mit Schriftsatz vom 19.06.2013 beteiligte sich der Antragsteller am Beschwerdeverfahren, in dem er (lediglich) unter Bezugnahme auf diesen Hinweis die Verwerfung der Beschwerde und die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten beantragte. Am 31.07.2013 vertrat er den Standpunkt, im vorliegenden Beschwerdeverfahren herrsche Anwaltszwang, so dass die Beiordnung seiner Bevollmächtigten zwingend sei.

Mit Schreiben vom 07.08.2013, Eingang 09.08.2013, hat die Antragsgegnerin ihre Beschwerde zurückgenommen.

II.

Nachdem die Antragsgegnerin ihren als Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG aufzufassenden Widerspruch vom 21.05.2013 mit Schreiben vom 07.08.2013 zurückgenommen hat, war seitens des Senats nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden, § 81 I 3 FamFG.

Die Kostenentscheidung beruht dabei auf § 84 FamFG. Der Senat sieht im Hinblick auf den Nichterfolg der Beschwerde keine Veranlassung, von dem dortigen Grundsatz abzuweichen.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 55 II, III, 40 I und II, 50 I FamGKG. Dabei war - ausgehend von dem vom Amtsgericht am 14.03.2013 für drei Anrechte festgesetzten Verfahrenswert der ersten Instanz von EUR 1.215,00 -der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens für zwei Anrechte zu bestimmen: Zu Gunsten und im Kosteninteresse der Antragsgegnerin legt der Senat ihre Beschwerde dahingehend aus, dass sie nur die Entscheidung des Familiengerichts insoweit anfocht, als der beiderseitige Ausgleich der jeweiligen DRV-Anrechte erfolgte, da der erfolgte Ausschluss des Ausgleichs der ZVK-Anwartschaft der Antragsgegnerin zu ihren Gunsten geschah. Es ist damit auf den Mindestwert von EUR 1.000,00 abzustellen.

Der Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 19.06.2013 war zurückzuweisen, da

a) ihm für das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf vorstehende Kostengrundentscheidung keine - durch die Verfahrenskostenhilfe freizustellenden - Gerichtsgebühren anfallen, weil er weder Veranlassungs- noch Entscheidungsschuldner ist, §§ 21, 24 FamGKG, und

b) weder nach den §§ 76 I FamFG, 121 I ZPO noch nach § 78 II FamFG eine Anwaltsbeiordnung vorzunehmen ist.

Eine Anwaltsbeiordnung ergibt sich nicht zwingend aus den §§ 76 I FamFG, 121 I ZPO, da das Beschwerdeverfahren in der Folgesache Versorgungsausgleich keinem Anwaltszwang unterliegt. Zwar schreibt § 114 I FamFG einen solchen für Folgesachenverfahren vor dem Oberlandesgericht (scheinbar) vor, indes gilt nach den §§ 114 IV Nr. 6 FamFG, 78 III ZPO der Anwaltszwang nicht für Verfahren und Verfahrenshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen/eingeleitet werden können. Dabei ist anerkannt, dass das gesamte Verfahren, dass durch die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abzugebende Erklärung eingeleitet werden kann, vom Anwaltszwang befreit ist (Zöller-Vollkommer, § 78 ZPO, Rz. 29 mit Verweis auf OLG Nürnberg, NJW 2011, 1613, 1614; ferner OLG Frankfurt/Main, FamRZ 1977, 799-800; a.A. OLG Köln, NJW 1972, 2317). Nach § 64 II 2 FamFG kann die Beschwerde nun jenseits von Ehe- und Familienstreitsachen durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden, so dass entgegen § 114 I FamFG für Beschwerdeverfahren betreffend die Folgesache Versorgungsausgleich kein Anwaltszwang besteht (offenlassend OLG Oldenburg FamRZ 2013, 649-650; a.A. OLG Köln FGPrax 2013, 137-138; OLG Hamm FamFR 2011, 130).

Eine Anwaltsbeiordnung zu Gunsten des Antragstellers war auch nicht nach § 78 II FamFG wegen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten.

Ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ist in ständiger Senatsrechtsprechung (vergl. Beschluss vom 06.08.2013, 4 WF 165/13) nach § 78 Abs. 2 FamFG beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Diese Erforderlichkeit ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung nicht nur anhand objektiver Umstände wie der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit des Verfahrens, seines Umfangs, seiner Dauer und seiner wirtschaftlichen oder persönlichen Auswirkungen, sondern auch unter Berücksichtigung subjektiver Umstände wie etwa der Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich zu erklären, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2010, Az. XII ZB 232/09, NJW 2010, 3029, zitiert nach juris; ebenso Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl. 2011, § 78 FamFG, Rdnr. 3; Geimer in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 78 FamFG, Rdnr. 4, jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Ein Anwalt ist dann beizuordnen, wenn ein nicht bedürftiger Beteiligter in vergleichbarer Situation nach Abwägung der vorgenannten Kriterien vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BGH a.a.O.). Die in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehende Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung steht der Beiordnung eines Anwalts dabei grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BVerfG, FamRZ 2002, 531).

Auch vorliegend ergibt sich entsprechend ständiger Senatsrechtsprechung (vergl. Beschluss vom 03.04.2013, 4 WF 23/13), dass ein nicht bedürftiger Beteiligter in vergleichbarer Situation nach Abwägung der vorgenannten Kriterien zunächst vernünftigerweise keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, da er im Hinblick auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 12.06.2013 zur Unzulässigkeit der Beschwerde nicht mit einer abändernden Entscheidung zu seinen Lasten rechnen brauchte. Dies sah letztlich auch der Antragsteller selbst so, in dem sich seine Ausführungen im Schriftsatz vom 19.06.2013 unter Bezugnahme auf diesen Hinweis in der Beantragung der Beschwerdeverwerfung und der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe erschöpften.

Insoweit war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 574 I Nr. 2, II Nr. 2, III 1 ZPO, da diese zur Fortbildung des Rechts sowie im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen anderer Obergerichte zur Frage des Anwaltszwangs in nichtstreitigen Folgesachen zu Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Zulassungsvoraussetzungen richten sich dabei nach den §§ 574 ff. ZPO, weil der Senat eine Verfahrenskostenhilfeentscheidung für das Beschwerdeverfahren getroffen hat (vergl. Zöller-Geimer, § 127 ZPO, Rz. 41 und Zöller-Heßler, § 574 ZPO, Rz. 2ff.) und § 76 II FamFG wegen der Rechtsmittel gegen Verfahrenskostenhilfeentscheidungen auf das Rechtsmittelsystem der sofortigen und Rechtsbeschwerde nach der ZPO verweist (vergl. BGHZ 184, 323-334).

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung zur Versagung der Verfahrenskostenhilfe ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß der §§ 76 II FamFG, 575 I ZPO ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht -Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und 2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge), 2. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, vertreten lassen.

Diehl Fischer Dr. Fritzsche