OLG Frankfurt vom 29.05.2019 (4 UF 163/18)

Stichworte: externe Teilung, Wahl des Zielversorgungsträgers, Frist
Normenkette: VersAusglG 15 Abs. 1, FamFG 222 Abs. 1 und 2
Orientierungssatz:
  • Bei der dem Ausgleichsberechtigten eines extern zu teilenden Anrechts gemäß § 222 Abs. 1 FamFG zu setzenden Frist für die Wahl eines Zielversorgungsträgers handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Eine den Anforderungen der §§ 15 Abs. 2 und 3 VersAusglG, 222 Abs. 2 FamFG genügende Ausübung des Wahlrechts ist auch nach Fristablauf zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie erst im Beschwerdeverfahren getroffen wird und die Beschwerde überhaupt nur mit dem Ziel der Ausübung des Wahlrechts eingelegt worden ist. Die Fristversäumung ist dann bei der Entscheidung über die Kosten der Beschwerde zu berücksichtigen (Anschluss an KG FamRZ 2014, 1114; OLG Karlsruhe, FamRZ 2016, 1167; OLG Nürnberg, FamRZ 2017, 873).
  • 615 F 655/17
    AG Wetzlar

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19.09.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wetzlar vom 21.8.2018 am 29. Mai 2019 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird im Ausspruch zum Wertausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der X (Ziffer 7 des Beschlusstenors) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der X zu Gunsten des Antragstellers auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Y ein auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bezogenes Anrecht begründet, und zwar in Höhe von 3.759,24 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 3,08 Prozent p.a. für die Zeit vom 1.7.2017 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.

    Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 1.344,- Euro.

    Gründe:

    Mit dem angefochtenen Beschluss schied das Amtsgericht auf den am 25.7.2017 zugestellten Scheidungsantrag hin die am 17.6.2011 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin und führte den Versorgungsausgleich durch. Dabei ordnete es die externe Teilung des Anrechts der betrieblichen Altersversorgung der Antragsgegnerin bei der X mit einem Ausgleichswert von 3.759,24 Euro zu Gunsten der Versorgungsausgleichskasse an. Zuvor hatte es den Antragsteller mit Verfügung vom 14.9.2017, dem Antragsteller zugestellt am 27.9.2017, aufgefordert bis zum 31.10.2017 eine Zielversorgung für die von der X verlangte externe Teilung zu benennen und das Einverständnis des Zielversorgungsträgers mit der externen Teilung nachzuweisen. Nachdem der Antragsteller zunächst die Z als Zielversorgungsträger benannte hatte, ohne deren Einverständnis mit der externen Teilung nachzuweisen, benannte er auf entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts mit Schriftsatz vom 9.11.2017 die gesetzliche Rentenversicherung als Zielversorgungsträger – erneute ohne Vorlage eines Nachweises des Einverständnisses des nun benannten Zielversorgungsträgers. Obwohl das Amtsgericht ihn mit richterlicher Verfügung vom 7.1.2018 erneut auf das Erfordernis eines Nachweises des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers hinwies, legte der Antragsteller einen solchen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 21.8.2018 nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Antragsteller am 7.9.2018 zugestellte Entscheidung Bezug genommen.

    Mit seiner am 19.9.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren nach einer externen Teilung des Anrechts bei der X zu Gunsten seines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung weiter und hat mittlerweile ein auf den 27.8.2018 datiertes Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Z vorgelegt, mit welchem diese sich mit der begehrten externen Teilung einverstanden erklärt.

    Den übrigen Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden. Sie haben sich nicht zur Sache geäußert.

    Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    Nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 1 VersAusglG, 222 Abs. 1 und 2 FamFG ist das vom Ausgleichsberechtigten im Falle eines berechtigten Verlangens des Versorgungsträgers nach einer externen Teilung auszuübende Wahlrecht innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist unter Vorlage eines Nachweises des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers mit der vorgesehenen Teilung auszuüben. Ein Nachweis des Einverständnisses ist lediglich dann entbehrlich, wenn eine externe Teilung zu Gunsten der in § 15 Abs. 5 VersAusglG für den Fall des Unterbleibens der Ausübung des Wahlrechts benannten Zielversorgungsträgers erfolgen soll, also bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung zu Gunsten der Versorgungsausgleichskasse, bei allen übrigen Anrechten zu Gunsten der gesetzlichen Rentenversicherung.

    Während einhellig die Auffassung vertreten wird, ein wirksam ausgeübtes Wahlrecht binde den Ausgleichsberechtigten und könne von diesem nicht frei widerrufen werden (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2018, 501; BeckOK-FamFG/Hahne, Stand 1.4.2019, § 222, Rdnr. 9; Borth, Versorgungsausgleich in anwaltlicher und familiengerichtlicher Praxis, 8. Aufl. 2017, Kap. 3, Rdnr. 103; Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2017, Rdnr. 500; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 15 VersAusglG, Rdnr. 7; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl. 2018, § 15 VersAusglG, Rdnr. 6), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob eine trotz erfolgter Fristsetzung unterbliebene wirksame Ausübung des Wahlrechts - gegebenenfalls im zweiten Rechtszug - nachgeholt werden kann. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage steht noch aus.

    Nach einer Auffassung handelt es sich bei der nach § 222 Abs. 1 FamFG zu setzenden Frist für die Ausübung des Wahlrechts und den Nachweis des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Versäumung zum Ausschluss des Wahlrechts führt (so Zöller/Lorenz, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 222, Rdnr. 6 ff.; Bahrenfuss/Schwedhelm, FamFG, 3. Auf. 2017, § 222, Rdnr. 3; Prütting/Helms/Wagner, FamFG, 4. Auf. 2018, § 222, Rdnr. 10; BeckOK-FamFG/Hahne, Stand 1.4.2019, § 222, Rdnr. 9; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Auf. 2018, § 222 FamFG, Rdnr. 15). Diese Auffassung stützt sich im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 222 Abs. 1 FamFG, wonach das Wahlrecht in der vom Gericht zu setzenden Frist auszuüben ist, und auf die Begründung des Gesetzentwurfs, wonach die Wahrnehmung der Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen ist (BT-Drs. 16/10144, S. 95). Auch der Bundesgerichtshof hat die nach § 222 Abs. 1 FamFG zu setzende Frist bereits als Ausschlussfrist bezeichnet, ohne allerdings – weil es in dem von ihm entschiedenen Fall nicht darauf ankam – Ausführungen dazu zu machen, welche Rechtsfolgen an die Versäumung der Ausschlussfrist anknüpfen (vgl. BGH, FamRZ 2013, 773).

    Nach anderer Auffassung soll auch ein nach Fristablauf – gegebenenfalls erst im Beschwerdeverfahren ausgeübtes – Wahlrecht zu berücksichtigen sein (so KG, FamRZ 2014, 1114; OLG Karlsruhe, FamRZ 2016, 1167; OLG Nürnberg, FamRZ 2017, 873; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 222, Rdnr. 6; Keidel/Weber, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 222, Rdnr. 5a; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 222 FamFG, Rdnr. 7; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 222, Rdnr. 5; Münchener Kommentar zum FamFG/Stein, 3. Aufl. 2018, § 222, Rdnr. 23; Saenger/Kemper/ZPO, 8. Aufl. 2019, § 222 FamFG, Rdnr. 6; Erman/Norpoth/Sasse, BGB, 15. Aufl. 2017, § 15 VersAusglG, Rdnr. 2; Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2017, Rdnr. 500; wobei teilweise einschränkend vertreten wird, ein verspätet ausgeübtes Wahlrecht sei jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn das Verfahren dadurch nicht verzögert werde oder wenn die Fristversäumung nicht zu vertreten sei). Zur Begründung dieser Auffassung wird im Wesentlichen ausgeführt, ein ausdrücklicher Ausschluss des durch § 15 Abs. 1 FamFG eingeräumten Wahlrechts als Folge der Fristversäumung lasse sich dem Gesetz – anders als beispielsweise bei dem in § 115 FamFG geregelten Ausschluss prozessualen Vorbringens in Ehe- und Familienstreitsachen – nicht entnehmen. Das vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien verfolgte Ziel der Verfahrensbeschleunigung werde bereits dadurch erreicht, dass das Gericht die externe Teilung nach Fristablauf ohne das Vorliegen einer wirksamen Wahlrechtsausübung zu Gunsten des sich aus § 15 Abs. 5 VersAusglG ergebenden Zielversorgungsträgers durchzuführen habe.

    Der Senat schließt sich letztgenannter Auffassung an. Zöge eine Versäumung der Frist des § 222 Abs. 1 FamFG automatisch einen materiell-rechtlichen Ausschluss des durch § 15 Abs. 1 VersAusglG eingeräumten Wahlrechts nach sich, bedürfte es hierfür eine eindeutigen gesetzlichen Regelung. Der verfahrensrechtlichen Regelung des § 222 Abs. 1 FamFG lässt sich ein solcher materiell-rechtlicher Regelungsgehalt hingegen nicht eindeutig entnehmen. Insoweit hilft auch die an dieser Stelle unscharfe Gesetzesbegründung nicht weiter, weil das Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 VersAusglG dort überhaupt nicht erwähnt wird, sondern nur die „Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG“, also das der Wahl des Zielversorgungsträgers vorgeschaltete Recht, eine externe Teilung zu verlangen. Der vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgte Zweck einer Verfahrensbeschleunigung wird auch ohne die Annahme eines materiell-rechtlichen Ausschlusses des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG im Falle der Versäumung der Frist des § 222 Abs. 1 FamFG erreicht. Mit Ablauf der Frist ist das Gericht nämlich berechtigt, eine externe Teilung zu Gunsten der in § 15 Abs. 5 VersAusglG genannten Zielversorgungsträger anzuordnen. Übt der Ausgleichsberechtigte sein Wahlrecht noch rechtzeitig vor Erlass der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wirksam - also unter Nachweis des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers - aus, ist eine damit verbundene Verzögerung der Entscheidung in der Regel nicht zu befürchten. Sie tritt erst dann ein, wenn – wie hier – die erstinstanzliche Entscheidung zum Zwecke der Nachholung der Ausübung des Wahlrechts angefochten wird. Dem kann dann - worauf das Kammergericht und das Oberlandesgericht Karlsruhe zu Recht hinweisen - im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des zweiten Rechtszugs Rechnung getragen werden.

    Die externe Teilung ist daher auf die Beschwerde dahingehend durchzuführen, dass als Zielversorgungsträger statt der Versorgungsausgleichskasse die Deutsche Rentenversicherung Z zu benennen ist, bei der es sich gem. § 14 Abs. 4 VersAusglG stets um einen geeigneten Zielversorgungsträger im Sinne des § 14 Abs. 2 und 3 VersAusglG handelt. Die Tenorierung der externen Teilung entspricht der vom Bundesgerichtshof gewählten Tenorierung für eine externe Teilung zu Gunsten eines Anrechts der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BGH, FamRZ 2016, 1144). Sie stellt sicher, dass der Antragsteller bis zum Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung an der Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts und ab dem Eintritt der Rechtskraft an der Wertentwicklung der Zielversorgung teilhat.

    Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen, ob das Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 VersAusglG auch nach Ablauf der Frist des § 222 Abs. 1 FamFG noch ausgeübt werden kann.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 150 Abs. 1 und 4, 81 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 FamFG. Da das Beschwerdeverfahren nur erforderlich geworden ist, weil der Antragsteller nicht nur die ihm gesetzte Frist zur Ausübung seines Wahlrechts hat verstreichen lassen, sondern sein Wahlrecht auch anschließend trotz wiederholter Hinweise des Amtsgerichts bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht ausgeübt hat, entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller die durch seine Beschwerde verursachten Kosten aufzuerlegen.

    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 und 2, 50 Abs. 1 FamGKG.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    Reitzmann Dr. Kischkel Schmidt