OLG Frankfurt vom 26.06.2002 (4 UF 127/01)

Stichworte: Gütertrennung, Erbvertrag, Rücktritt vom Erbvertrag Ehe- und Erbvertrag, Anfechtung, Auskunftserteilung
Normenkette: BGB 2077 Abs. 1, 3 BGB 1379
Orientierungssatz: Der Rücktritt vom Erbvertrag im Falle der Scheidung hat keine Auswirkung auf den Rechtsbestand der notariell vereinbarten Gütertrennung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main -4. Senat für Familiensachen -durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Däther und die Richterinnen am Oberlandesgericht Zeibig-Düngen und Dr. Boerner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.5.2002 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Alsfeld vom 28.9.200 1 (Az.: 22 F 135/200 1) aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien hatten am 30.9.1995 die Ehe geschlossen. Am 17.11.1995 ließen sie vor dem Notar Klaus Y. in Alsfeld einen Ehe- und Erbvertrag protokollieren (Urkundenrolle Nr. 252/1995). In Ziffer 1 vereinbarten sie den Güterstand der Gütertrennung. In den Ziffern II bis VIsetzte der Beklagte seine Kinder als alleinige Erben ein und beschwerte sie mit einem Vermächtnis zu Gunsten der Klägerin, die im Gegenzug auf ihre eventuellen Pflichtteilsansprüche verzichtete. Ziffer VII enthielt folgende Klausel:

"Herr Dr. Horst Dietrich Weber behält sich für den Fall der Scheidung den Rücktritt von diesem Erbvertrag vor. Ein etwaiger Rücktritt bewirkt die Unwirksamkeit sämtlicher Verfügungen in dieser Urkunde."

Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Ehe- und Erbvertrages wird auf die bei der Akte befindliche Kopie (Blatt 16 ff. der Akte) Bezug genommen.

Am 23.8.2000 wurde die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden. Gemäß notarieller Urkunde vom 20.9.2000 (Urkundenrolle Nr. 160/2000) (Blatt 87 f. der Akte) erklärte der Beklagte den Rücktritt von dem Erbvertrag. Mit Anwaltsschreiben vom gleichen Tage ließ die Klägerin den Beklagten im Hinblick auf das Wiederaufleben des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft unter Fristsetzung zum 25.10.2000 auffordern, Auskunft über sein Anfangs- und sein Endvermögen zu erteilen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, eine Auslegung des notariellen Vertrages vom 17.11.1995 ergebe, daß der Rücktritt die Unwirksamkeit auch der den Ehevertrag betreffenden Vereinbarung zur Folge habe.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über sein Endvermögen am 17.3.1999 zu erteilen, insbesondere ein Bestandsverzeichnis zu erstellen, in dem die zu seinem Endvermögen gehörenden Gegenstände nach Anzahl, Art und wertbildenden Faktoren aufzuführen sind, insbesondere im Hinblick auf die Arztpraxis, Wohn- und Geschäftshaus sowie das Ferienhaus auf X., gegebenenfalls an Eides statt zu versichern, daß er nach bestem Wissen sein Endvermögen so vollständig wie möglich angegeben hat; an sie Zugewinnausgleich in nach Erfüllung des Klageantrages zu Ziffer 1. zu beziffernder Höhe zu bezahlen, fällig ab Rechtskraft der Ehescheidung.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, anläßlich der notariellen Beurkundung vom 17.11.1995 habe man besprochen, daß die Vereinbarung des Rücktritts nur den Erbvertrag betreffe und sich nicht auf den vereinbarten Güterstand der Gütertrennung beziehe.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Notar Y.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.8.2001 (Bl. 40 ff. der Akte) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 28.9.200 1 hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin Auskunft über sein Vermögen am 17.3.1999 zu erteilen, insbesondere ein Bestandsverzeichnis zu erstellen, in dem die zu seinem Endvermögen gehörenden Gegenstände nach Anzahl, Art und wertbildenden Faktoren aufzuführen sind, insbesondere im Hinblick auf die Arztpraxis, das Wohn- und Geschäftshaus sowie das Ferienhaus auf X.. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Rücktritt vom Erbvertrag habe auch die -rückwirkende -Unwirksamkeit des Ehevertrages zur Folge gehabt. Der Wortlaut der Vereinbarung sei insoweit eindeutig. Der Umstand, daß in der Urkunde zwei zunächst eigenständige Verträge zusammengefaßt worden seien, sei der Klägerin nicht bekannt gewesen. Eine abweichende Vereinbarung habe der hierfür beweispflichtige Beklagte durch die Aussage des Zeugen nicht bewiesen. Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Ehevertrag sei auch gesetzlich zulässig.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 26.10.200 1 zugestellte Urteil mit am 26.11.2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 28.1.2002 an diesem Tage begründet.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hält den Wortlaut des notariellen Vertrages vom 17.11.1995 dahingehend für eindeutig, daß die Ziffern II ff. allein den Erbvertrag beträfen. Da dies der ohnehin im Falle der Ehescheidung geltenden Gesetzeslage für die erbrechtliche Situation (§§ 2279, 2077 Abs. 1, 3 BGB) entspreche, habe auch keinerlei Veranlassung bestanden, zusätzliche Auswirkungen für den Ehevertrag zu vereinbaren und den Verlust des Erbrechts durch einen Zugewinnausgleich zu kompensieren. Zudem sei die Klägerin über den Inhalt der zunächst geplanten zwei getrennten Verträge -Ehevertrag und Erbvertrag -sowie den des endgültigen Entwurfs informiert gewesen.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und beruft sich auf den ihrer Ansicht nach zwingenden Wortlaut der Vertragsklausel sowie auf Sinn und Zweck der vertraglichen Regelung. Sie habe keine Veranlassung gehabt, ohne Gegenleistung auf Zugewinnausgleichsansprüche zu verzichten. Eine solche Vereinbarung hielte sie wegen offenkundiger und einseitiger Benachteiligung der Ehefrau für sittenwidrig. Vorsorglich erklärt sie die Anfechtung des Ehe- und Erbvertrages wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 BGB.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zugewinnausgleich und damit auf entsprechende Auskunftserteilung (§ 1379 BGB) nicht zu.

Die Vereinbarung der Gütertrennung durch Ziffer 1 der notariellen Vereinbarung vom 17.11.1995 ist nicht infolge der Erklärung des Rücktritts vom Erbvertrag gemäß Ziffer VII dieses Vertrages mit notarieller Urkunde vom 20.9.2000 unwirksam geworden. Ziffer VII des notariellen Vertrages ist dahingehend auszulegen, dass ein Rücktritt vom Erbvertrag die Unwirksamkeit nur der erbvertraglichen Regelungen in dieser notariellen Urkunde zur Folge hat. Zwar steht die die Rücktrittsregelung enthaltene Ziffer VII formal gleichrangig sowohl neben den erbvertraglichen Regelungen in den Ziffern II bis VI als auch neben dem Ehevertrag in Ziffer 1. Dieses Argument ist aber schon deshalb nicht zwingend, weil bereits die Ziffern III bis VI inhaltlich eindeutig Unterpunkte zu der Regelung eines Erbvertrages sind und daher nicht als III, IV usw. hätten bezeichnet werden dürfen, sondern unter den Punkt II hätten gefasst werden müssen. Das gilt gleichfalls für den ersten Satz der Ziffer VIII. Damit kann auch die Ziffer VII ohne weiteres lediglich als Unterpunkt der Regelung des Erbvertrages angesehen werden.

Auch inhaltlich war für die Klägerin deutlich erkennbar, dass das Rücktrittsrecht nur den Erbvertrag betraf. Abs. 1 der Ziffer VII regelt ausschließlich die Bindung des Erbvertrages. Abs. 2 S. 1 betrifft "den Rücktritt von diesem Erbvertrag". Bis dahin enthält die Klausel keinerlei Bezug zu dem in Ziffer 1 geregelten Ehevertrag. Die Unwirksamkeit "sämtlicher Verfügungen in dieser Urkunde", welche durch den Rücktritt bewirkt werden sollte, bietet keinen ausreichenden Hinweis darauf, dass auch die Vereinbarung der Gütertrennung hinfällig werden sollte. Zwar ist für einen juristischen Laien nicht ohne weiteres erkennbar, dass "Verfügungen" nur den Bereich des Erbrechts betreffen, nämlich in Gestalt von Erbeinsetzung, Vermächtnissen usw., während ein Ehevertrag ausschließlich im Wege einer zweiseitigen Vereinbarung geschlossen wird und damit nicht zu den unwirksam werdenden Verfügungen gehört. Es ist aber in sprachlicher Hinsicht auch denkbar und nach dem Sinnzusammenhang naheliegend, die Formulierung "sämtliche Verfügungen in dieser Urkunde" auf den unmittelbar zuvor genannten "Erbvertrag" zu beziehen. Hätte das Rücktrittsrecht darüber hinaus auch die Vereinbarungen des Ehevertrages betreffen sollen, was an dieser Stelle gar nicht zu erwarten war, wäre insoweit im Hinblick auf die hierdurch eintretenden ganz erheblichen Auswirkungen eine deutliche Klarstellung erforderlich gewesen, die aber nicht erfolgt ist.

Auch der erkennbare Sinn und Zweck der Vereinbarung lässt nicht den Schluß darauf zu, dass der Rücktritt von dem Erbvertrag die Unwirksamkeit auch des Ehevertrages zur Folge haben sollte. Die Möglichkeit des Rücktritts vom Erbvertrag im Falle der Scheidung resultiert aus der Erwägung, dass der Erblasser seinen Ehegatten nur aufgrund der durch die Eheschließung bewirkten familienrechtlichen Bindung bedacht hat; dies entspricht auch der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1, 3 BGB (Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl. 2002, §2077, Rdnr. 1 m.w.N.). Die gleiche Erwägung wird durch die Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung bereits umgesetzt. Für den Fall der Scheidung wird bereits festgelegt, dass ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet. Beide Regelungen stehen mithin in ihrer Intention, die Ansprüche der Klägerin für den Fall der Scheidung zu begrenzen, im Einklang. Die Erstreckung der Rücktrittswirkungen auf die Vereinbarung der Gütertrennung hätte hingegen zur Folge, dass gerade für den Fall der Scheidung Ansprüche der Klägerin begründet würden und zwar diejenigen Ansprüche der Klägerin, die ihr bereits nach der gesetzlichen Regelung zustünden (§§ 1363, 1378 Abs. 3 S. 1, 1372 ff. BGB). Damit hätten die Parteien es aber, wenn sie dies gewollt hätten, gleich bei der gesetzlichen Güterrechtsregelung lassen können; der einzige Unterschied wäre die Wahlmöglichkeit für den Beklagten im Falle der Scheidung, (nur) entweder Zugewinn- oder -mittels Erklärung des Rücktritts -Erbansprüche der Klägerin auszuschließen. Eine solche Bedeutung erschiene als nicht plausibel, selbst wenn sie als ein Ausgleich zu Gunsten der Klägerin für den Verlust erbrechtlicher Ansprüche hätte gedacht sein sollen. Hingegen ist es keineswegs ungewöhnlich, dass für den Fall der Scheidung aus verschiedenen Gründen sowohl erbrechtliche als auch Zugewinnansprüche der Ehegatten, materiell nicht selten zu Lasten nur einer Partei, ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit dieser Vereinbarung bestehen auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht.

Die Klägerin kann ihre auf den Abschluß des Ehe- und Erbvertrages vom 17.11.1995 gerichtete Willenserklärung nicht wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 BGB anfechten. Zwar ist ein Ehevertrag nach den allgemeinen Vorschriften anfechtbar. Die Voraussetzungen eines Irrtums der Klägerin über den Inhalt der von ihr abgegebenen Erklärungen sind jedoch nicht nachgewiesen. Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin sich über den Inhalt der Erklärungen geirrt hat, indem er vorträgt, der Zeuge Notar Y., habe den Inhalt des Vertrages mit den Parteien vor Unterzeichnung eingehend erörtert. Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anfechtungsrechts hat die Klägerin als Anfechtende die Beweislast.

Demzufolge waren das Teilurteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 528, Rdnr. 16 m.w.N.).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Dr. Däther Zeibig-Düngen Dr. Boerner