OLG Frankfurt vom 06.07.2022 (4 UF 111/22)

Stichworte: Versorgungsausgleich; Grundrente; Bagatellanrecht; Verwaltungsaufwand
Normenkette: VersAusglG 10 Abs. 1; VersAusglG 18 Abs. 2; SGB VI 120f Abs. 2
Orientierungssatz:
  • Anrechte aus langjähriger Versicherung in der allgemeinen Rentenversicherung sind im Versorgungsausgleich gesondert auszuweisen und auszugleichen.
  • Trotz der Geringfügigkeit eines zu übertragenden Anrechts aus einer Grundrente besteht kein Anlass, nach § 18 Abs. 2 VersAusglG von einem Ausgleich abzusehen, wenn dieser im Rahmen der internen Teilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme im Wege der Umbuchung bei demselben Versorgungsträger erfolgt und damit nur einen äußerst geringfügigen Verwaltungsaufwand erfordert.
  • 62 F 1004/20
    AG Gelnhausen

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache …

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Versorgungsträgers Deutsche Rentenversicherung ... vom 30.05.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelnhausen vom 03.05.2022 am 6. Juli 2022 beschlossen:

    Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und durch Einfügung eines neuen vierten Absatzes zwischen den 3. und den bisherigen 4. Absatz des Beschlusstenors wie folgt ergänzt:

    Ferner wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung … (Versicherungsnummer …) im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 0,0670 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in der allgemeinen Rentenversicherung (Grundrente) auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung … (Versicherungsnummer …), bezogen auf den 31.12.2020, übertragen.

    Im Übrigen bleibt es bei dem im angefochtenen Beschluss angeordneten Versorgungsausgleich.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten sowie der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für den zweiten Rechtszug abgesehen. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.

    Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 1.000 €, für die erste Instanz – insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung mit Beschluss vom 03.05.2022 – auf 1.320 €.

    Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich eines bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechts des Antragstellers aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Grundrente).

    Mit der angefochtenen Entscheidung vom 03.05.2022 sprach das Familiengericht auf den am ….01.2021 zugestellten Scheidungsantrag die Scheidung der am … geschlossenen Ehe der beteiligten Eheleute aus und regelte im Scheidungsverbund den Versorgungsausgleich. Dabei ordnete es die interne Teilung der jeweiligen Anrechte der Eheleute in der gesetzlichen Rentenversicherung an, übersah jedoch das weitere Anrecht des Antragstellers aufgrund des ihm zustehenden Grundrentenzuschlags bei der Beschwerdeführerin, das deshalb auch nicht zugunsten der Antragsgegnerin ausgeglichen wurde.

    Mit ihrer am 31.05.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gegen den der Deutschen Rentenversicherung ... am 10.05.2022 zugestellten Beschluss beantragt diese unter Hinweis auf ihre dem Familiengericht unter dem ….2022 erteilten Auskunft, das übersehene Anrecht in den Beschluss aufzunehmen.

    Der Senatsvorsitzende hat mit Verfügung vom 10.06.2022 angekündigt, der Senat werde in der Sache nach Ablauf einer bis zum 01.07.2022 gewährten Stellungnahmefrist ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Antragsteller hat daraufhin unter Beantragung von Verfahrenskostenhilfe angeregt, dem Rechtsmittel stattzugeben, die übrigen Beteiligten haben sich zu der Beschwerde und dem Hinweis nicht geäußert.

    II.

    Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Versorgungsträgers ist auch in der Sache begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    Das in der familiengerichtlichen Entscheidung übersehene Anrecht des Antragstellers auf einen Grundrentenzuschlag ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG intern zu teilen. Im Hinblick auf die mit Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes vom 12.08.2020 (BGBl. I 1879, sog. Grundrentengesetz) mit Wirkung zum 01.01.2021 eingefügten §§ 76g, 307e, 307f SGB VI sind Anrechte aus langjähriger Versicherung in der allgemeinen Rentenversicherung gem. § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI im Versorgungsausgleich gesondert auszuweisen und auszugleichen (Wick FuR 2021, 78, 79; BeckOGK/Kischkel, 1.5.2022, VersAusglG § 39 Rn. 149, 162 ff.; RegE, BT-Drucks. 19/18473, S. 44). Daher ist entsprechend der von der Beschwerdeführerin erteilten Auskunft zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung ... im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragsgegnerin neben den Anrechten in der allgemeinen Rentenversicherung und der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) noch ein weiteres Anrecht in Höhe von 0,0670 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Kapitalwert von 505,35 € auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31.12.2020 als Ende der Ehezeit, zu übertragen.

    Zwar sollen Bagatellwerte nach § 18 VersAusglG vom Ausgleich ausgenommen werden. Zweck dieser Regelung ist es, einer Zersplitterung der Altersversorgung durch die interne Teilung entgegenzuwirken. Der Versorgungsausgleich soll nicht dazu führen, dass die Eheleute nach der Scheidung über eine Vielzahl sog. Mini-Anrechte verfügen, deren Verwaltung für den Versorgungsträger mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist. Gleichzeitig soll ein wirtschaftlich nicht erforderlicher und mit Teilungskosten verbundener Hin-und-her-Ausgleich der beiderseitigen Anrechte vermieden werden (vgl. zum Ganzen jurisPK-BGB/Breuers, 9. Aufl., § 18 VersAusglG (Stand: 23.11.2021), Rn. 1 ff). Dabei gilt konkret, dass nach § 18 Abs. 1 VersAusglG beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgeglichen werden sollen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Dasselbe gilt nach § 18 Abs. 2 VersAusglG für einzelne Anrechte mit geringem Ausgleichswert. Den Grenzwert, bis zu deren Erreichen ein Ausgleichswert oder die Differenz beiderseitiger Ausgleichswerte gering ist, normiert § 18 Abs. 3 VersAusglG. Er beträgt für das hier maßgebliche Jahr 2020 3.822 € (120 % der nach § 18 Abs. 1 SGB IV ab dem 01.01.2020 geltenden Bezugsgröße von 3.185 €), liegt also weit über dem Kapitalwert des auszugleichenden Anrechts von lediglich 505,35 €.

    Trotz der Geringfügigkeit des Anrechts besteht vorliegend aber kein Anlass, nach dem hier allein in Betracht kommenden § 18 Abs. 2 VersAusglG – die Antragsgegnerin hat kein gleichartiges Anrecht iSd. § 18 Abs. 1 VersAusglG - von einem Ausgleich abzusehen, denn dieser erfolgt im Rahmen der internen Teilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme im Wege der Umbuchung bei demselben Versorgungsträger, erfordert also lediglich einen äußerst geringfügigen Verwaltungsaufwand (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Januar 2020 – 13 UF 13/17 –, juris = FamRZ 2020, 751 [Ls.]). Eine Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes durch ein Absehen vom Ausgleich des Anrechts ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1, 4 und 5 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, von der Erhebung der letztlich nur infolge der Nichtberücksichtigung des von der Beschwerde betroffenen Anrechts in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens abzusehen. Für die Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander sieht der Senat daher ebenfalls keine Veranlassung.

    Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 55 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, 40 Abs. 1 und 2, 50 Abs. 1 FamGKG. Der Wert der erstinstanzlichen Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG je Anrecht auf ein Zehntel des Dreifachen des monatlichen Nettoeinkommens der früheren Eheleute (…). Weil Gegenstand der Beschwerde nur ein auszugleichendes Anrecht ist, war der Wert des Beschwerdeverfahrens auf den gesetzlichen Mindestwert von 1.000 € festzusetzen.

    Da die Sache weder eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

    Der Ausspruch zur Verfahrenskostenhilfe beruht auf §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO. Dem Antragsteller konnte die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe trotz der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht bewilligt werden, weil die ungedeckten Verfahrenskosten vier von ihm darauf zu entrichtende Monatsraten nicht übersteigen (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 4 ZPO). Die Berechnung der Verfahrenskosten und der Raten wird aus Datenschutzgründen lediglich der für den Antragsteller bestimmten Beschlussausfertigung beigefügt.

    Reitzmann Dr. Schweppe Dr. Kischkel