OLG Frankfurt vom 12.09.2000 (4 UF 110/00)

Stichworte: Schuldverbindlichkeiten, Herabsetzung PKW-Kosten Selbstbehalt, Kürzung, Wohnaufwendung
Normenkette: BGB 1361, 1581 analog
Orientierungssatz: Zur Reduzierung des Wohnaufwands im Selbstbehalt, wenn geringe Wohnaufwendungen schon die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Däther als Einzelrichter gemäß § 524 IV ZPO auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wetzlar vom 12. September 2000 im Verfahren ohne mündliche Verhandlung ( Ende der Schriftsatzfrist: 2. Mai 2001) für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 19.7.1999 bis 31.12.1999 einen monatlichen Unterhalt von 383,- DM und beginnend ab 1.1.2000 einen monatlichen Unterhalt von DM 48,- monatlich im Voraus zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs hat die Klägerin 80 %, der Beklagte hat 20 % zu tragen. Von den Kosten Berufungsverfahrens hat die Klägerin 40 %, der Beklagte hat 60 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Berufung: 4.089,- DM

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind getrenntlebende Ehegatten türkischer Staatsangehörigkeit. Der Beklagte erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Klägerin erhält eine Nettorente von 841,37 DM monatlich und aufgrund Erkrankung ein Pflegegeld von monatlich 400,- DM. Der Beklagte tilgt Schulden aus der Ehezeit in monatlichen Raten von 1.000,- DM. Er macht Fahrtkosten in Höhe von 610,- DM monatlich geltend.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht für den Zeitraum bis 31.12.1999 einen monatlichen Unterhalt von 468,- DM und ab 1.1.2000 einen monatlichen Unterhalt von 233,- DM ausgeurteilt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Kürzung der Fahrtkosten auf monatlich 400,- DM durch das Amtsgericht, zumal er noch den PKW-Kredit mit monatlich 506,66 DM tilge. Eine Herabsetzung der Kreditraten sei nicht möglich. Beim Einkommen der Klägerin sei das Pflegegeld zu berücksichtigen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Von der Darstellung des Tatbestands im übrigen wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

Der Klägerin steht der ausgeurteilte Unterhaltsanspruch gemäß Art. 18 I EGBGB in Anwendung deutschen Rechts nach § 1361 I BGB zu.

Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs hat das Amtsgericht zutreffend das Pflegegeld aus Seiten der Klägerin nicht als Einkommen berücksichtigt. Gemäß § 1610 a BGB wird vermutet, dass bei Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder -Gesundheitsschadens in Anspruch genommen werden - hierzu gehört auch Pflegegeld - die Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe der Sozialleistungen. Tatsachen zur Widerlegung der Vermutung sind nicht vorgebracht.

Auch die Herabsetzung der Ratentilgungen auf monatlich 800,-- DM ist nicht zu beanstanden.

Schulden sind bei der Unterhaltsbemessung nach Maßgabe eines vernünftigen Tilgungsplans abzusetzen, wenn nach einer umfassenden Gesamtabwägung ihre Berücksichtigung der Billigkeit entspricht. Dabei kann es die unterhaltsrechtliche Rücksichtnahme fordern, mit dem Gläubiger eine Tilgungsstreckung zu vereinbaren, soweit dies zumutbar ist. Das Amtsgericht hat vorliegend eine solche Ratenherabsetzungsmöglichkeit zutreffend als erreichbar und für den Beklagten zumutbar erachtet. Soweit mit der Berufung weiterhin bestritten wird, dass eine - maßvolle - Ratenreduzierung erreichbar wäre, ist dies angesichts des Schreibens der CITIBANK vom 21.3.2000 unsubstantiiert und veranlasst keine Beweiserhebung. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Obliegenheit zur Ratenherabsetzung schon ab dem Beginn des hier maßgeblichen Unterhaltszeitraums ( 19.7.1999 ) angenommen hat, da bereits mit Schriftsatz vom 25.6.1999 (Bl. 35 d.A.) die Klägerin den Beklagten auf die Möglichkeit der Ratenreduzierung hingewiesen hat.

Dagegen kann eine Reduzierung des Aufwands für Fahrtkosten über 610,-- DM monatlich nicht erfolgen. Dass der Beklagte seine Arbeitsstelle in einer Entfernung von 32 km vom Wohnort hat und infolge des Schichtdiensts auf die Benutzung eines PKW angewiesen ist, wird in der Berufung nicht in Zweifel gezogen. Zwar kann eine Herabsetzung der Aufwendungen für die berufliche Nutzung eines PKW gemäß Abschnitt II Nr. 14 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt eine Herabsetzung des Pauschalsatzes von 0,52 DM pro gefahrenem Kilometer erfolgen, wenn eine hohe Fahrleistung gegeben ist; vorliegend kann aber hiervon nicht ausgegangen werden. Die Entfernung des Arbeitsplatzes vom Wohnort ist noch in einem bei der heutzutage geforderten Mobilität vertretbaren Rahmen gehalten. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte einen - nicht berücksichtigungsfähigen - Kredit für den PKW in Höhe von monatlich 506,-- DM erbringt, so dass ohnehin nicht die tatsächlichen gesamten Fahrtkosten gedeckt sind und dem Beklagten ein zusätzlich zu tragender Kostenanteil für private Nutzung verbleibt. Die anzusetzenden Fahrtkosten stehen auch nicht außer Verhältnis zum Einkommen, da sie für 1999 insgesamt 18% und ab 2000 insgesamt 21% des Nettoeinkommens vor Schuldentilgung ausmachen.

Da die Einkommensfeststellungen des Amtsgerichts im übrigen in der Berufung nicht angegriffen sind, ergibt sich danach folgende Berechnung:

Unterhaltszeitraum 19.7. - 31.12.1999

Einkommen Beklagter 3.419,-- DM

Fahrtkosten 610,-- DM

Schuldentilgung 800,-- DM

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berücksichtigungsfähiges Einkommen 2.009,-- DM

Einkommen Klägerin 841,37 DM

Unterhalt:

Ber. Einkommen Bekl. 2.009,-- DM

Abzüglich 1/5 Erwerbstätigenbonus 401,80 DM

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ansatzfähig 1.607,20 DM

abzüglich Einkommen Klägerin 841,37 DM

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Differenz 765,83 DM

Hiervon 1/2 ( ger.) 383,-- DM

Der Selbstbehalt ist bei einer Zahlung von 383,--DM nicht berührt ( 2.009,-- DM ./. 383,-- DM = 1.626,-- DM ).

Unterhaltszeitraum ab 1.1.2000

Einkommen Beklagter 2.933,-- DM

Fahrtkosten 610,-- DM

Schuldentilgung 800,-- DM

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berücksichtigungsfähiges Einkommen 1.523,-- DM

Einkommen Klägerin 841,37 DM

Unterhalt

Ber. Einkommen Bekl. 1.523,-- DM

Abzüglich 1/5 Erwerbstätigenbonus 304,60 DM

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ansatzfähig 1.218,40 DM

abzüglich Einkommen Klägerin 841,37 DM

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Differenz 377,03 DM

Hiervon 1/2 (ger.) 189,-- DM

Bei einem Anspruch in dieser Höhe wäre der Selbstbehalt des Beklagten berührt. Diesen Selbstbehalt bemißt der Senat mit DM 1.475,-, da abweichend vom Regelfall nach den bis zum Schriftsatztermin von der Klägerin nicht widersprochenen Angaben des Beklagten aus dem Einzelrichtertermin vom 23.2.2001 Wohnaufwendungen nur in Höhe von DM 625,- monatlich bestehen, während der Wohnanteil im kleinen Selbstbehalt DM 650,- beträgt. Zwar kann bei niedrigerem Wohnanteil nicht ohne weiteres eines Kürzung des Selbstbehalts erfolgen, da ansonsten eine nicht durch unterhaltsrechtliche Rücksichtnahme gebotene Einschränkung der eigenen Bedürfnisse zu einer Begünstigung des Unterhaltberechtigten führen würde. Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn die niedrigen Wohnaufwendungen - wie hier - bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Dann kann eine Reduzierung des Selbstbehalts nach den Verhältnissen der Ehezeit erfolgen. Eine Leistungsfähigkeit des Beklagten ist damit in Höhe von monatlich DM 48,- ( DM 1.523,- ./. DM 1.475,- ) gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.

Dr. Däther