OLG Frankfurt vom 15.05.2015 (4 UF 103/15)

Stichworte: Einstweilige Einstellung der Vollstreckung, Anerkenntnis, Widerruf, Bindung;
Normenkette: FamFG § 120 II 2 und 3, 238; ArbGG § 62 I 2 und 3; ZPO § 323;
Orientierungssatz:
  • Der Antrag an das Beschwerdegericht, die Vollstreckung des angefochtenen und für sofort wirksam erklärten Beschlusses einstweilen einzustellen, § 120 II 3 FamFG, setzt nicht voraus, dass zuvor ein Antrag nach § 120 II 2 FamFG an das Ausgangsgericht gerichtet wurde.
  • Ein zunächst abgegebenes Anerkenntnis bindet den Erklärenden solange, bis er Gründe vorträgt, die eine Abänderung im Sinne der §§ 323 ZPO, 238 FamFG rechtfertigten.
  • 460 F 9295/14
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 15.05.2015 beschlossen:

    1. Der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung des für sofort wirksam erklärten und am 11.03.2015 verkündeten Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt/Main, Az. 460 F 9295/14 UK, einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

    2. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

    3. Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ohne erneute mündliche Verhandlung zu entscheiden, §§ 117 III, 68 III FamFG.

    4. ...

    Gründe: Die Anträge des Antragsgegners, die Vollstreckbarkeit des von ihm angefochtenen Beschlusses des Familiengerichts vom 11.03.2015 einstweilen einzustellen und ihm Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, waren zurückzuweisen, da die Beschwerde des Antragsgegners nach summarischer Prüfung durch den Senat keine Erfolgsaussicht besitzt, §§ 120 II 3 FamFG, 719 ZPO bzw. §§ 69 III, 113 I 2 FamFG, 114 ff. ZPO. Während § 114 ZPO das Erfordernis der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung selbst ausdrücklich enthält, ergibt sich dies aus den §§ 120 II 3 FamFG, 719 ZPO selbst nicht unmittelbar. Es ist aber in der Voraussetzung, dass dem Schuldner ein (unwiederbringlicher) Nachteil entstehen muss, angelegt. Denn ein Nachteil kann nur dann vorliegen, wenn Zweifel von einigem Gewicht an der Richtigkeit des vom Ausgangsgericht angeordneten Gebots bestehen, da nur dann der Schuldner in eine Situation geraten kann, dass der mit der vorläufigen Vollstreckung verbundene Vermögensverlust sich wegen mangelnder Realisierbarkeit der Rückforderung, §§ 120 I FamFG, 717 II ZPO, als endgültig, aber nicht gerechtfertigt darstellt. Solche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung hat der Senat indes nicht: Dabei scheitert die Erfolgsaussicht des Antrages nach den §§ 120 II 3 FamFG, 719 ZPO nicht daran, dass der Antragsgegner nicht bereits erstinstanzlich einen Antrag nach § 120 II 2 FamFG stellte bzw. darlegte, dass er hierzu außerstande war (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. August 2014 - 6 UF 205/14 -, juris; ders. NJW-RR 2011, 1303-1305). Denn dem Gesetz lässt sich nach hiesiger Auffassung diese Voraussetzung nicht entnehmen (vergl. Senatsbeschluss vom 16.05.2011, 4 UF 82/1). § 120 II 2 und 3 FamFG ist § 62 I 2 und 3 ArbGG nachgebildet und wörtlich nahezu identisch. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist aber seit jeher anerkannt, dass es ein solches Stufenverhältnis nicht gibt (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. August 2008 - 5 Sa 52/08 -, juris; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06. Januar 2009 - 15 Sa 2311/08 -, juris unter Aufgabe seiner gegenteiligen Auffassung aus LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. August 2007 - 15 Sa 1630/07 -, juris; GK-ArbGG-Vossen § 62 Rn 30; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 62 Rn 31; Schwab/Weth/Walker ArbGG 2. Aufl. § 62 Rn. 21). Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber bei Verwendung identischer Wortwahl zwischen ArbGG und späterem FamFG gerade ein solches Stufenverhältnis schaffen wollte. Die fehlende Erfolgsaussicht der Beschwerde ergibt sich wegen eines Teilunterhaltsbetrages von mtl. € 186,50 je von der Antragstellerin vertretenem Kind aus dem Anerkenntnis des Antragsgegners vom 26.06.2014, Bl. 11 d.A.. Gründe, dass der Antragsgegner sich hiervon lösen könnte, sind seinerseits nicht vorgetragen. Ein Anerkenntnis im Sinne der §§ 113 I 2 FamFG, 307 ZPO ist eine nicht frei widerrufliche Verfahrenshandlung, sondern eine, die den das Anerkenntnis erklärenden Beteiligten bindet (Zöller-Vollkommer, § 307 ZPO, Rz. 3b). Ein Widerruf kommt (nur) dann in Betracht, wenn ein Abänderungsgrund im Sinne der §§ 323 ZPO, 238 FamFG eingetreten ist (Zöller-Vollkommer, vor §§ 306, 307 ZPO, Rz. 6), also sich nach Wirksamkeitserlangung des Anerkenntnisses maßgebliche Grundlagen wesentlich änderten. Dies ist vorliegend nicht zu erkennen, da dem Antragsgegner bereits Ende Juni 2014 seine reduzierte Arbeitsstundenleistung seit Antritt der neuen Arbeitsstelle im August 2013 bzw. alle geltend gemachten Verbindlichkeiten bekannt waren.

    Auch soweit der Gebotsbetrag das Anerkenntnis übersteigt, fehlt es an der Erfolgsaussicht der Beschwerde. (wird ausgeführt)

    Diehl Fischer Dr.Fritzsche