OLG Frankfurt vom 13.04.1999 (3 WF 84/99)

Stichworte: Mutwillen, PKH, Anerkennung deutscher Scheidungsurteile in der Türkei, Prüfungsumfang, Auslegungsfehler, "Ordre Public"
Normenkette: ZPO 114
Orientierungssatz: Der türkische Kassationshof hat entschieden, daß auch die fehlerhafte Anwendung von türkischem Recht durch ein deutsches Gericht die Anerkennung grundsätzlich nicht hindert, weil keine Möglichkeit der Prüfung der Richtigkeit ausländischer Urteile (revision au fond) besteht und damit lediglich ein Verstoß gegen den ordre public als Abweisungsgrund für Vollstreckbarkeits- bzw. Anerkennungsersuchen gegeben ist, wobei ein Auslegungsfehler keinen offensichtlichen Verstoß gegen den ordre public darstellt, Urteil vom 27.10.1995, abgedruckt in FamRZ 1996, 1491.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 22.2.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein im Taunus vom 21.1.1999 am 13.04.1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Königstein im Taunus zur Entscheidung zurückverwiesen mit der Maßgabe, daß der Antragstellerin die begehrte Prozeßkostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden darf.

G r ü n d e :

Die Antragstellerin, die ebenso wie der Antragsgegner die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, begehrt mit ihrem am 8. Juni 1998 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag die Scheidung der Ehe sowie die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht und erhob gleichzeitig eine Stufenklage hinsichtlich des nachehelichen Ehegattenunterhaltes. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die entsprechenden Anträge.

Der Antragsgegner hatte seinerseits mit Antrag vom 15.3.1995 bei dem zuständigen Gericht in Ankara Scheidungsantrag gestellt, der mit Urteil vom 26.12.1997 abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung hatte der Antragsgegner Rechtsmittel eingelegt, das mit Beschluß des Kassationsgerichts vom 13.4.1998 zurückgewiesen wurde. Ein Antrag auf Berichtigung dieses Beschlusses wies das Kassationsgericht mit Beschluß vom 1.7.1998 zurück. In dem dortigen Verfahren hatte die jetzige Antragstellerin und dortige Antragsgegnerin die Zurückweisung des Scheidungsantrages begehrt.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Amtsgericht den Prozeßkostenhilfeantrag der Antragstellerin zurück mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, da die Antragstellerin in dem türkischen Verfahren die Zurückweisung des Scheidungsantrages begehrt habe und nunmehr ihrerseits Scheidungsantrag stelle, während sie ihr begehrtes Ziel der Scheidung in der Türkei hätte erreichen können.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, während der Antragsgegner den angefochtenen Beschluß verteidigt.

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin nicht mutwillig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der vom Antragsgegner in der Türkei gestellte Scheidungsantrag auch bei anderweitigem prozessualen Verhalten der Antragstellerin im türkischen Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg geblieben wäre, worauf die Antragstellerin in ihrer Beschwerde abstellt. Die Antragstellerin war und ist nicht gehalten, ihr Scheidungsbegehren vor einem türkischen Gericht geltend zu machen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Frage, ob die Antragstellerin im Wege der Widerklage im ursprünglichen Verfahren in der Türkei hätte vorgehen müssen, als auch hinsichtlich der derzeitigen Situation, in der der Antragsgegner nach seinem Vorbringen erneut in der Türkei lebt.

Ausschlaggebend ist insoweit, daß die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den gesetzlichen Vorschriften eröffnet ist. Damit steht es der Antragstellerin frei, in der Bundesrepublik Deutschland ihr Recht zu suchen und die hier gegebenen prozessualen Möglichkeiten zu nutzen. Hierzu gehört insbesondere die nach der ZPO eröffnete Möglichkeit, eine Verbundentscheidung zu erreichen. Eine gleichwertige Möglichkeit besteht zumindest hinsichtlich des Versorgungsausgleichs nach türkischem Recht demgegenüber nicht. Der Antragstellerin kann insoweit nicht angelastet werden, daß sie die ihr nach deutschem Prozeßrecht eröffneten Rechte wahrnimmt, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß sie dies lediglich aus sachfremden Motiven, etwa um den Antragsgegner zu schädigen, tut. Unter diesen Umständen kann das Verhalten der Antragstellerin nicht als mutwillig angesehen werden.

Darüber hinaus sind derzeit auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung sprechen. Zumindest im summarischen Verfahren der Prozeßkostenhilfeprüfung muß zunächst zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, daß das zu erlassende Urteil in der Türkei durchaus anerkennungsfähig ist. Die Entscheidung des türkischen Kassationshofes, 2. Zivilsenat, Urteil vom 27.10.1995, abgedruckt in FamRZ 1996, 1491, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, daß die dortige Entscheidung eine andere Fallgestaltung betroffen hat, hat der türkische Kassationshof ausgeführt, daß auch die fehlerhafte Anwendung von türkischem Recht durch ein deutsches Gericht die Anerkennung grundsätzlich nicht hindert, weil keine Möglichkeit der Prüfung der Richtigkeit ausländischer Urteile (revision au fond) besteht und damit lediglich ein Verstoß gegen den ordre public als Abweisungsgrund für Vollstreckbarkeits- bzw. Anerkennungsersuchen gegeben ist, wobei ein Auslegungsfehler keinen offensichtlichen Verstoß gegen den ordre public darstellt.

Dem Senat war eine abschließende Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin jedoch nicht möglich, da mangels Vorlage aktueller Angaben der Antragstellerin zu ihren Einkommensverhältnissen die Prüfung der Kostenarmut nicht erfolgen konnte. Bisher sind von der Antragstellerin lediglich Nachweise über ihr Einkommen aus selbständiger Arbeitstätigkeit bis 1997 vorgelegt worden. Ihre aktuellen Einkünfte, insbesondere für das Jahr 1998 sind demgegenüber noch nicht offengelegt worden, so daß derzeit eine Prüfung der Kostenarmut nicht abschließend möglich ist. Die Sache war daher zur Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Eine Kostenentscheidung ist gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlaßt.

Amthor Remlinger Diehl