OLG Frankfurt vom 25.05.2021 (3 WF 69/21)

Stichworte: Ablehnung; Befangenheit; Referententätigkeit; Sachverständige; Verein, Näheverhältnis
Normenkette: FamFG 30 Abs. 1; ZPO 406 Abs. 5
Orientierungssatz:
  • Wird im Rahmen der Veröffentlichung eines Weiterbildungsangebotes auf der Homepage des Vereins … unter dem Unterpunkt „Weiterbildung – von Frauen für Frauen“ der/die Sachverständige als Referent/in einiger Module des Weiterbildungsangebotes benannt, kann allein dies den eine Befangenheit rechtfertigenden Eindruck eines Näheverhältnisses des/der Sachverständigen zu dem Verein begründen.
  • 478 F 24228/20
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend die elterliche Sorge

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 3. Senat für Familiensachen, auf die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main vom 19.04.2021 durch Richterin am Oberlandesgericht Knauth als Einzelrichterin am 25.05.2021 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

    Das die Sachverständige … betreffende Ablehnungsgesuch wird für begründet erklärt.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt (§§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 40 FamGKG).

    Dem Kindesvater wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt … beigeordnet.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht hat Frau … als Sachverständige in einem Verfahren betreffend das Sorgerecht für das Kind A bestellt (Bl. 217 d. A.).

    Der Kindesvater lehnt die Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

    Sie sei als Referentin bei dem Verein … in … tätig gewesen und auch weiterhin tätig. Dies gehe aus der Webseite des Vereins hervor. Eine unabhängige Begutachtung sei deshalb nicht zu erwarten, da die Sachverständige dem parteilich feministischen Leitbild „…“ folge. Aus diesem Grund sei kein positives Ergebnis für den Kindesvater im Rahmen der Begutachtung zu erwarten. Auch sei keine neutrale Begutachtung beider Eltern zu erwarten. Es sei auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Sachverständigen von dem Verein zu befürchten, der sich gerade … zum Leitbild gewählt habe.

    Beigefügt war ein Auszug aus der Homepage des Vereins … in dem unter dem Unterpunkt „Weiterbildung“ auf eine Weiterbildung zur Fachberaterin/zum Fachberater für … hingewiesen wurde. Als Referentin zu einigen Modulen war (neben anderen Referentinnen des Instituts …) „…Name…“ angegeben. Die Kosten für die Weiterbildung belaufen sich auf 2.700 € plus 320 € Supervision plus 180 € Prüfungsgebühr (Bl. 232 d. A.).

    Die Sachverständige hat in ihrer Stellungnahme hierzu ausgeführt, dass sie keine Referententätigkeit für den Verein ausführe, auch wenn dies noch auf der Homepage zu lesen sei. Selbst wenn sie eine solche Tätigkeit ausüben würde, könne hieraus keine Parteilichkeit abgeleitet werden. Bei der angegebenen Fortbildung gehe es um ein Curriculum „…“, bei der es um Traumatisierungen gehe, bezogen auf jedes Alter und Geschlecht. Es könne von allen Einrichtungen, die mit potentiell traumatisierten Personen arbeiteten oder Interesse an dem Thema hätten, gebucht werden (Bl. 238 ff. d. A.).

    Die Kindesmutter hat mitgeteilt, dass sie einem Wechsel der Sachverständigen grundsätzlich nicht im Weg stehe, aber die Bedenken des Vaters nicht nachvollziehen könne.

    Vom Jugendamt werden die Vorbehalte des Vaters ebenfalls nicht geteilt. Man könne in der Zusammenarbeit mit Fachkräften davon ausgehen, dass die Arbeit nicht in erster Linie von weltanschaulichen Überzeugungen, sondern von fachlich kompetenten Sichtweisen geprägt sei, was sie unter anderem auch bei der Beauftragung von Herrn … vom … durch den Vater voraussetzten.

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

    Die Sachverständige habe klargestellt, dass sie keine Tätigkeit für den Verein … ausgeführt habe. Auch habe sie darauf hingewiesen, dass die angegebene Fortbildung von vielfältigen Einrichtungen, die mit potentiell traumatisierten Personen arbeiteten, gebucht werden könne. Es seien daher auch aus subjektiver Sicht keine Anhaltspunkte vorhanden, weshalb die Sachverständige dem parteilich feministischen Leitbild folge. Da keine Referententätigkeit gegeben sei, könne es auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit geben (Bl. 253 ff. d. A.).

    Gegen den seinem Bevollmächtigten am 22.04.2021 zugestellten Beschluss wendet sich der Kindesvater mit seiner am 06.05.2021 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

    Es bleibe unstreitig, dass die Sachverständige auf der Internetseite „…“ für sich und ihre Tätigkeit geworben und darüber angeboten habe, womit sie entsprechende Geschäftsabschlüsse initiieren wollte. Durch die Schaltung des Weiterbildungsangebots auf die angegebene Seite könne nicht von einer für Außenstehende neutralen Werbung für ihre Tätigkeit ausgegangen werden. Bereits durch die Platzierung ihres Angebots auf der Internetseite rücke sich die Sachverständige auch dogmatisch in die Nähe des Vereins. Die Aufnahme der Weiterbildung auf die Internetseite lasse eine Verbundenheit zueinander erkennen, die die Befürchtung trage, dass eine Unvoreingenommenheit der Sachverständigen nicht gegeben sei. Die Anzeige erwecke auch den Eindruck einer vom Verein angebotenen Weiterbildung.

    Das Amtsgericht hat die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 ZPO) und zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt (§ 569 Abs. 1, 2 ZPO).

    Der Senat kann auch ohne durchgeführtes Abhilfeverfahren über die Beschwerde entscheiden (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Auflage, § 572 Rn. 4).

    Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    Nach den vom Amtsgericht zutreffend dargelegten Maßstäben für die BeUrteilung eines Ablehnungsgesuchs rechtfertigen die vom Kindesvater angeführten Bedenken auch für einen ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten die Befürchtung, dass die Sachverständige den Eltern nicht unparteilich gegenüberstehen könnte.

    Auch wenn – wovon der Senat ausgeht – die Sachverständige nicht als Referentin des Vereins … in … aufgetreten ist bzw. auftritt, wird durch die Veröffentlichung des Weiterbildungsangebots auf der Homepage unter dem Unterpunkt „Weiterbildung – von Frauen für Frauen“ der Eindruck eines Näheverhältnisses erweckt; dies insbesondere dadurch, dass dies der einzige Hinweis auf Weiterbildungen ist, der Verein also nicht eine „Palette“ an Weiterbildungen aufzeigt.

    Da vorliegend gerade der Vorwurf der Kindesmutter im Raum steht, der Kindesvater habe sie psychisch misshandelt und sich die Kindesmutter mit Kind A nach Angabe ihrer Bevollmächtigten seit der Trennung der Eltern an einem „sicheren Ort“ befindet, kann durch die Veröffentlichung auf der Homepage des Vereins, der laut seinen ebenfalls auf der Homepage veröffentlichten Grundsätzen „parteilich für Frauen ist“, für den Kindesvater der Eindruck entstehen, dass die Sachverständige eher geneigt sein könnte, den Angaben der Kindesmutter zu folgen.

    Dass die Sachverständige trotz dieser durch die Werbung auf der Homepage des Vereins suggerierten Nähe zu den Vereinszielen eine Gewähr für eine unvoreingenommene Begutachtung bietet, lässt sich insbesondere ihrer Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch nicht entnehmen. Daher bleibt die Befürchtung im Raum, dass sie der Begutachtung nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüberstehe.

    Insoweit ist die Stellung einer Sachverständigen auch anders als die des vom Jugendamt angeführten Herrn …, der als Unterstützung des Kindesvaters fungiert und damit gerade nicht zur Objektivität verpflichtet ist.

    Ob und inwieweit die Sachverständige tatsächlich die Eltern nicht neutral und unbefangen begutachten würde, ist für die Beurteilung der Ablehnung ebenso irrelevant wie die vom Kindesvater aufgeworfene Frage ihrer Qualifikation.

    Entscheidend ist aus der Sicht des Kindesvaters bei vernünftiger Betrachtung die begründete Befürchtung, es könne ihr an der gebotenen Neutralität mangeln.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die entstandenen Kosten solche des Verfahrens sind (Zöller/Herget, ZPO, 33. Auflage, § 91 Rn. 13.82).

    Knauth