OLG Frankfurt vom 06.08.2020 (3 WF 68/20)

Stichworte: Anhängigkeit; Stufenantrag; Vereinfachtes Verfahren, Kindesunterhalt; Aktenordnung, weglegen; Verfahrenskostenhilfe; Beschwerde, Zulässigkeit, neues Vorbringen
Normenkette: FamFG 249 Abs. 2; FamFG 113 Abs. 1, ZPO 117, 253, 254; FamFG 65 Abs. 3; FamFG 256 Satz 1; FamFG 243, ZPO 97 Abs. 2
Orientierungssatz:
  • Ein durch gleichzeitige Einreichung von VKH-Antrag und Auskunftsstufenantrag anhängig gewordenes Verfahren auf Kindesunterhalt steht auch dann der Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens gem. § 249 Abs. 2 FamFG entgegen, wenn es nach VKH-Bewilligung nicht weiterbetrieben und nach den Regeln der AktO weggelegt worden ist.
  • 150 FH 4/17
    AG Königstein

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 3. Familiensenat – auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Königstein i. Ts. vom 12.03.2020 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Dr. Fink am 06.08.2020 beschlossen:

    Der angefochtene Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 12.03.2020 wird aufgehoben. Der Antrag auf Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren wird abgewiesen.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller, die Kosten der Beschwerde die Antragsgegnerin zu tragen.

    Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 14.372 €.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht Königstein hat auf den Antrag des Antragstellers vom 13.06.2017 mit Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 12.03.2020 die Antragsgegnerin zur Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt für die Zeit vom 01.08.2015 bis 30.11.2017 in Höhe von 10.004 € und ab 01.12.2017 zur Zahlung von laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 100% des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe verpflichtet.

    Gegen diese ihr am 07.03.2020 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit der am 16.04.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie erstmals die Unstatthaftigkeit des vereinfachten Unterhaltsverfahrens geltend macht, weil beim Amtsgericht Königstein unter dem Az.: 10 F 432/12 UK ein Auskunftsstufenverfahren des Antragstellers auf Kindesunterhalt anhängig sei.

    II.

    Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 12.03.2020 war aufzuheben und der Festsetzungsantrag vom 13.06.2017 abzuweisen, weil dieser bereits gem. § 249 Abs. 2 FamFG unstatthaft war.

    Danach ist ein Festsetzungsantrag unstatthaft, wenn zum Zeitpunkt dessen Zustellung bereits ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig gewesen ist. Mit dieser den Anwendungsbereich des vereinfachten Verfahrens einschränkenden Regelung wird sichergestellt, dass dieses Verfahren nur bei einer erstmaligen Unterhaltstitulierung herangezogen werden kann (Schmitz in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. A., § 10 Rn. 643).

    Hier war zur Zeit der Zustellung des Festsetzungsantrages am 26.02.2020 (Bl. 44 d. A.) das mit Antrag des Kindesvaters in Verfahrensstandschaft vom 08.06.2011 vor dem Amtsgericht Königstein – dort eingegangen im Juni 2012 - eingeleitete Auskunftsstufenverfahren auf Kindesunterhalt noch anhängig. Das Auskunftsstufenverfahren zählt zu den nach § 249 Abs. 2 FamFG vorrangigen Verfahren, weil auch dieses auf Zahlung von Unterhalt gerichtet ist (Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. A., § 249 Rn. 8).

    Da nach dem Gesetzeswortlaut allein auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des Auskunftsstufenantrages, d. h. Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht (Zöller/Greger, ZPO, 33.A., § 253 Rn. 4), abzustellen ist, kann die noch mit Verfügung des Senats vom 10.07.2020 aufgeworfene Frage der förmlichen Zustellung dieses Antrages dahingestellt bleiben. Bei – wie hier – gleichzeitiger Einreichung von Auskunftsstufenantrag und Verfahrenskostenhilfeantrag wird neben dem Verfahrenskostenhilfeverfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig (Zöller/Schultzky, ZPO, 33.A., § 117 Rn.11).

    Im vorliegenden Fall ist dieses vom Kindesvater des Antragstellers eingeleitete Verfahren auch noch weiter anhängig. Der Umstand, dass das Verfahren nach Auskunftserteilung und Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller mit Beschluss des Amtsgerichts vom 10.04.2013 nicht weiter betrieben und nach den Regeln der Aktenordnung im April 2013 weggelegt worden ist, ändert nichts an der eingetretenen Anhängigkeit. Der Zustand ähnelt derjenigen Situation, die eintritt, wenn in einem Streitverfahren ein Zahlungsantrag anhängig gemacht wird, welcher anschließend aber mangels Gerichtskostenvorschusszahlung nicht zugestellt wird. Auch dieses Verfahren bliebe weiter anhängig, obwohl es durch das Gericht ohne eine entsprechende Verfahrenshandlung des Antragstellers nicht weiter betrieben würde (OLG Dresden FamRZ 2019, 545 Rn. 10).

    Es handelt sich bei dem vom Kindesvater in Verfahrensstandschaft anhängig gemachten Auskunftsstufenantrag auf Kindesunterhalt und dem im vorliegenden vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren von dem Kind als Antragsteller verfolgten Unterhaltsanspruch auch nicht um verschiedene Streitgegenstände, was einer Anwendung des § 249 Abs. 2 FamFG entgegenstünde.

    Der erstmalige mit der Beschwerde erhobene Einwand ist der Antragsgegnerin auch nicht aus Gründe:n der Verspätung abgeschnitten, weil die Beschwerde gem. § 65 Abs. 3 FamFG auf neue Tatsachen gestützt werden kann (Keidel/Giers, FamFG, 20. A., § 256 Rn. 11).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG. Da der erstmalige Vortrag der vorrangigen Anhängigkeit eines anderen Unterhaltsverfahrens aber erstmals mit der Beschwerde eingewandt wurde, hat die Antragsgegnerin dem auch hier zulässigerweise einfließenden Rechtsgedanken des § 97 Abs. 2 ZPO folgend (Keidel/Giers, FamFG, 20. A., § 243 Rn. 2) die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Danach sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei aufzuerlegen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt, dass sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

    Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf den §§ 40 Abs.1, 51 FamGKG.

    Dr. Fritz Kummer-Sicks Dr. Fink