OLG Frankfurt vom 04.03.2008 (3 WF 43/08)

Stichworte: PKH, außergerichtlicher Mehrvergleich;
Normenkette: ZPO 119, RVG 45, 48; RVG 45, 48; ZPO 119, RVG 45, 48; RVG 45, 48;
Orientierungssatz: Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Scheidungsverbundverfahren im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist auf den Abschluss eines außergerichtlichen Mehrvergleichs, dessen Gegenstand über die Scheidungsfolgesachen des § 48 Abs. 3 RVG hinaus geht (hier: Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens), zu erstrecken, wenn die kostenarme Partei vor Abschluss des Vergleichs beantragt, ihr auch hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde vom 30.01.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 21.01.2008 am 04.03.2008 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die der Antragstellerin bewilligte Prozesskostenhilfe wird in vollem Umfang auf den Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs gemäß notarieller Urkunde des Notars XY in Z. vom 12.11.2007, UR-Nr.: 000/2007, erstreckt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Parteien erfolgt nicht.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Antragstellerin die beantragte Erstreckung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zwischen den Parteien anhängige Scheidungsverfahren auf den Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 12.11.2007 insoweit versagt, als in der Scheidungsfolgenvereinbarung die Vermögensausei-nandersetzung der Parteien und damit ein nicht unter § 48 Abs. 3 RVG fallender Gegenstand geregelt worden ist. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 3 S. 2, 569 ZPO).

Sie ist auch begründet und führt zur Abän-derung des angefochtenen Beschlusses.

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstreckt sich nach höchstrichterlicher Rechtssprechung und inzwischen wohl überwiegender Meinung auch auf die Mitwirkung des Rechtsanwalts an einem außergerichtlichen Vergleich über den Prozessgegenstand (BGH MDR 1988, 210 = NJW 1988, 494; Philippi in Zöller, ZPO, Kommentar, § 119 ZPO, Rdnr. 25 m. w. N.; andere Ansicht Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, § 119 ZPO, Rdnr. 46 m. w. N.). Dieser auch vom Amtsgericht im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung schließt sich auch das Beschwerdegericht an. Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die ge-setzliche Vergütung, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Diese ge-setzliche Vergütung umfasst gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 RVG i. V. m. Nr. 1000 VV RVG auch gegebenenfalls anfallende Einigungsgebühren für die Mitwirkung bei außergerichtlichen Ver-handlungen. Dass für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt etwas anderes gelten soll, lässt sich dem 8. Abschnitt des RVG nicht entnehmen. Vielmehr verbietet das Gebot der Waffengleichheit eine solche Einschränkung zu Lasten der kostenarmen Par-tei.

Damit ist noch nichts über die Frage einer Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf außergerichtliche Mehrvergleiche gesagt, deren Gegenstand über den Prozessgegenstand oder die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Scheidungsfolgesachen hinausgeht. Auch insoweit erachtet das Beschwerdegericht jedoch eine Gleichbehandlung von Prozessvergleichen und außerge-richtlichen Vergleichen für geboten. Für gerichtliche Mehrvergleiche ist anerkannt, dass der kostenarmen Partei für den Abschluss eines solchen Vergleichs Prozesskostenhilfe zu bewil-ligen ist, wenn sie vorab, das heißt vor Abschluss des Vergleichs, beantragt wird (Philippi in Zöller, § 119 ZPO, Rdnr. 25; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-mann, § 119 ZPO, Rdnr. 46; OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1394; LAG Hamm, Beschluss vom 12.07.2005, 4 Ta 435/05, zitiert nach Juris; LAG Köln, AGS 2007, 318). Wenn man aber - wie dargestellt - sowohl die Mitwirkung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts an einem gerichtlichen Vergleich über den Prozessgegenstand als auch seine Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich über den Prozessgegenstand als von der Beiordnung um-fasst ansieht, ist nicht ersichtlich, weshalb bei Mehrvergleichen zwischen Prozessvergleichen und außergerichtlichen Vergleichen unterschieden werden sollte. Die angestrebte Waffen-gleichheit zwischen der kostenarmen und der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Par-tei gebietet auch insoweit eine Gleichbehandlung. Es darf der kostenarmen Partei nicht ver-wehrt werden, in die außergerichtliche Streitbeilegung auch solche zwischen den Parteien streitige Fragen einzubeziehen, die noch nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind. Die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich muss lediglich vor Ab-schluss des Vergleichs beantragt werden (so im Ergebnis wohl auch OLG Schleswig, AGS 2002, 176).

Das hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 29.10.2007 getan. Der dortige Prozesskostenhilfeantrag bezieht sich ausdrücklich auch auf die beabsichtigte vergleichsweise Auseinandersetzung des Woh-nungseigentums der Parteien. Die Erfolgsaussicht der diesbezüglichen Rechtsverfolgung er-gibt sich aus der später getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung.

Die Kostenrege-lung folgt aus §§ 1 GKG, 127 Abs. 4 ZPO.

Schmidt