OLG Frankfurt vom 05.02.2008 (3 WF 323/07)

Stichworte: Volljährigenunterhalt Ausgleichsanspruch, familienrechtlicher Verwirkung Zeitmoment Kostenentscheidung
Normenkette: BGB 242 ZPO 91a, 98
Orientierungssatz:
  • Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen können nicht ohne Weiteres auf die Geltendmachung familienrechtlicher Ausgleichsansprüche übertragen werden.
  • Einigen sich die barunterhaltspflichtigen Eltern eines volljährigen Kindes auf einen späteren Ausgleich der von beiden zunächst in gleicher Höhe erbrachten Unterhaltsleistungen im Innenverhältnis, erfüllt eine gut anderthalbjährige Untätigkeit des ausgleichsberechtigten Elternteils nicht das für eine Verwirkung seines Ausgleichsanspruchs erforderliche Zeitmoment.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 04.10.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein i. Ts. vom 12.09.2007 am 05.02.2008 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

    Der Gebührenstreitwert für das Klageverfahren wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein i. Ts. vom 13.11.2007 auf 5.618,00 € festgesetzt. Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300,00 € festgesetzt.

    Gründe:

    Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Im amtsgerichtlichen Verfahren haben sie sich um die Beteiligung des Beklagten an dem von der Klägerin bis einschließlich Juni 2006 gezahlten Ausbildungsunterhalt für die gemeinsame volljährige Tochter gestritten. Zuvor hatten die Par-teien mit ihrer Tochter am 21.08.2002 eine privatschriftliche Vereinbarung (Bl. 9 ff. d.A.) getroffen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Vereinbart worden waren u. a. monatliche Unterhaltszahlungen von 622,00 € vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002 und von 450,00 € ab 01.07.2002. Die Zahlungen sollten von beiden Eltern je hälftig erbracht werden, bis die Eltern sich über die Aufteilung des Betrags zwischen ihnen einigen oder bis hierüber durch Ge-richtsurteil entschieden ist. Sich hieraus ergebende Über- oder Unterzahlungen sollten zwi-schen den Eltern ausgeglichen werden.

    Mit ihrer am 07.07.2003 beim Amtsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 29.07.2003 zugestellten Stufenklage hat die Klägerin die Erteilung einer Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklag-ten und die anschließende Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts an sie in der sich aus der Auskunft ergebenden Höhe begehrt. Sie ist dabei davon ausgegangen, dass beide Parteien den der Tochter geschuldeten Unterhalt weiterhin je zur Hälfte zahlen, was dann bis zum Abschluss des Studiums der Tochter im Juni 2006 auch tatsächlich so gehand-habt worden ist. Nachdem der Beklagte die begehrte Auskunft spätestens mit Vorlage des von der Klägerin angeforderten Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2000 im März 2005 er-teilt hatte, hat die Klägerin die Auskunftsstufe mit Schriftsatz vom 08.06.2005 für erledigt erklärt und angekündigt, die Leistungsklage demnächst zu beziffern. Die Bezifferung ist dann erst mit Schriftsatz vom 19.12.2006, dem Beklagten zugestellt am 02.02.2007, erfolgt. Auf den Klageantrag (Bl. 135 f. d.A.), wird Bezug genommen.

    Die Parteien haben in der Folgezeit insbesondere über die Frage einer Obliegenheit der Klägerin zur Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung und über die Höhe des dem Beklagten anzurechnenden Wohnvorteils gestritten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 12.09.2007 hat sich der Beklagte schließlich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, der Klä-gerin zur Abgeltung wechselseitiger Ansprüche betreffend den Kindesunterhalt einen Betrag von 3.000,00 € statt der eingeklagten 9.090,00 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Entschei-dung über die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien ausdrücklich dem Gericht vorbe-halten. Dieses hat die Kosten durch Beschluss vom 12.09.2007 unter Hinweis darauf, dass der Ausgang des Rechtsstreits ohne das erledigende Ereignis ungewiss wäre, gegeneinander auf-gehoben. Auf den dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 27.09.2007 zugestellten Beschluss wird vollinhaltlich Bezug genommen.

    Mit seiner am 05.10.2007 beim Amtsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 11.10.2007 begründeten sofortigen Be-schwerde begehrt der Beklagte eine Kostenquotelung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin entsprechend der Nachgebensquote der Parteien im gerichtlichen Vergleich. Der Beklagte ist der Ansicht, entsprechend der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung müsse von einer Ver-wirkung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche ausgegangen werden, weshalb eine über die Nachgebensquote hinausgehende Kostenhaftung des Beklagten nicht mehr billigem Ermessen entspreche.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren hat es mit Beschluss vom 13.11.2007 auf 9.090,00 € festgesetzt.

    Die zuläs-sige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen.

    Die vom Amtsgericht getroffene Kostenver-teilung begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO ent-scheidet das Gericht über die Kosten eines Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisheri-gen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären. Eine Entscheidung nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO ist auch dann veranlasst, wenn die Parteien nach Abschluss eines gerichtlichen Ver-gleichs die Kostenentscheidung ausdrücklich dem Gericht vorbehalten. § 98 ZPO kommt dann nicht zur Anwendung. Maßstab für die vom Gericht vorzunehmende Kostenverteilung ist auch nicht das vergleichsweise Nachgeben, sondern die Erfolgsaussicht der Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand (Herget in Zöller, ZPO, Kommentar, 25. Aufl., 2007, § 98, Rdn. 3 m.w.N.).

    Nach diesem Maßstab entspricht die vom Amtsgericht ausge-sprochene Kostenaufhebung billigem Ermessen. Das Amtsgericht hätte im Falle einer Fort-setzung des Verfahrens Beweis erheben müssen zum Mietwert der vom Beklagten bewohnten Immobilie so wie zur Frage gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Klägerin, durch welche sie nach ihrem Vortrag an der Ausübung einer Vollzeittätigkeit gehindert ist.

    Von einer Verwirkung der klageweise geltend gemachten Ansprüche nach den von der Rechtspre-chung entwickelten Grundsätzen zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen (vgl. BGH, FamRZ 1988, 370) kann nicht ausgegangen werden. Gegenstand der Klageforderung waren nämlich weder Unterhaltsansprüche der Klägerin noch der Tochter der Parteien, sondern fa-milienrechtliche Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten in Folge der Zah-lung von Unterhalt für die Tochter. Es verbietet sich, vergleichbar strenge zeitliche Maßstäbe an die Geltendmachung solcher Ausgleichsansprüche zu stellen wie an die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unter-haltsleistungen angewiesen ist, kann eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen er-wartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruchs bemüht. Tut er dies nicht, erweckt er in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht be-dürftig (OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 31.08.2006, Az. 5 WF 233/05).

    Einen solchen Eindruck konnte die Klägerin als Gläubigerin des geltend gemachten Ausgleichsan-spruchs nicht erwecken, weil dessen Ziel ersichtlich nicht die Deckung ihres eigenen Unter-haltsbedarfs, sondern lediglich die Herbeiführung eines Ausgleichs der beiden Unterhalts-gläubiger im Innenverhältnis war. Beide Parteien hatten in der Vereinbarung vom 21.08.2002 ausdrücklich vereinbart, hinsichtlich des zwischen ihnen vorzunehmenden Ausgleichs nach-träglich eine Einigung oder gerichtliche Klärung herbeizuführen.

    Eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten Jahresgrenze für die Geltendmachung rückständi-gen Unterhalts (vgl. BGH, FamRZ 1988, 370) auf die Geltendmachung der hier in Rede ste-henden Ausgleichsansprüche ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt. Die gut anderthalb-jährige Untätigkeit der Klägerin zwischen der Ankündigung vom 08.06.2005 und der Beziffe-rung der Klage mit Schriftsatz vom 19.12.2006 erfüllt das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment nicht. Im Hinblick auf die von den Parteien im August 2002 getrof-fene Vereinbarung und die seit 2003 rechtshängige Stufenklage konnte beim Beklagten nach diesem Zeitraum noch nicht der Eindruck entstehen, die Klägerin sehe von einer Weiterver-folgung der geltend gemachten Ansprüche ab. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das für die Annahme einer Verwirkung ebenfalls erforderliche Umstandsmoment überhaupt erfüllt ist, d. h., ob der Beklagte sich aufgrund besonderer Umstände darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend machen wird.

    Geht man davon aus, dass die klageweise geltend gemachten Ansprüche der Klägerin im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses nicht verwirkt waren, muss der Ausgang des Rechtsstreits im Hinblick auf die erforderliche Beweisaufnahme als unge-wiss bezeichnet werden. Eine Kostenaufhebung entspricht daher billigem Ermes-sen.

    Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Streitwertfestsetzung für das Klageverfahren, auf die gemäß § 72 Nr. 1 GKG noch die bis 30.06.2004 geltende Fassung des Gerichtskostengesetzes Anwendung fin-det, ist in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 S. 2 GKG a.F. abzuändern. Die ge-nannte Bestimmung findet entsprechende Anwendung, wenn eine nach § 91 a ZPO getroffene Kostenregelung der ersten Instanz mit der sofortigen Beschwerde angefochten worden ist (OLG Karlsruhe, Justiz 1988, 158; OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 725).

    Die Ände-rung ist hier innerhalb der zeitlichen Grenze des § 25 Abs. 2 S. 3 GKG a.F. vorzunehmen, weil das Amtsgericht bei seiner Streitwertfestsetzung die Bestimmung des § 17 Abs. 4 S. 1 GKG a.F. übersehen hat. Danach werden dem Streitwert einer Unterhaltsklage neben dem nach § 17 Abs. 1 GKG zu berücksichtigenden Jahresbetrag des laufenden Unterhalts lediglich die bis zur Einreichung der Klage fälligen Unterhaltsrückstände hinzugerechnet. Bei einer Stufenklage ist dabei auf den Zeitpunkt des Eingangs des zunächst unbezifferten Zahlungsan-trags bei Gericht abzustellen (BGH, NJW 1981, 1731). Die Bestimmung ist entsprechend auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ausgleichsansprüche anzuwenden, die von der Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung für die Zukunft als unterhaltsähnliche wieder-kehrende Leistungen begehrt worden sind. Der Streitwert setzt sich danach zusammen aus den bis einschließlich Juli 2003 geltend gemachten Rückständen von 3.707,00 € und den für den Zeitraum von August 2003 bis Juli 2004 geltend gemachten Ausgleichszahlungen von 1.911,00 €. Die genannten Beträge ergeben sich aus dem bezifferten Zahlungsantrag vom 19.12.2006.

    Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Ausgehend vom reduzierten Streitwert des Kla-geverfahrens bemisst das Gericht den Streitwert des Beschwerdeverfahrens mit der Differenz der vom Beklagten im Falle einer Kostenaufhebung zu tragenden Kosten zu den von ihm im Falle der begehrten Kostentragung zu nur 1/3 zu tragenden Kosten.

    Schmidt, RiAG (abgeordnet)