OLG Frankfurt vom 14.12.2011 (3 WF 310/11)

Stichworte: Beteiligter; Sorgerecht; Entzug; nichtehelich; Kindesvater;
Normenkette: FamFG 7; BGB 1666; FamFG 7; BGB 1666;
Orientierungssatz: Der nichtsorgeberechtigte nichteheliche Vater ist im Verfahren nach § 1666 BGB Beteiligter und hat beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Anspruch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers und Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Friedberg vom 27.09.2011 - Nichtabhilfebeschluss vom 24.10.2011 - durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grabowski als Einzelrichter am 13.12.2011 beschlossen:

Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird dem Antragsteller und Kindesvater ab Antragstellung für das Verfahren im ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewilligt und zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug Rechtsanwältin Monika Reichel, Büdingen, beigeordnet. Raten sind nicht zu entrichten.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den nichtsorgeberechtigten nichtehelichen Kindesvater in einem von ihm veranlassten einstweiligen Anordnungsverfahren über den Teilentzug der elterlichen Sorge der Kindesmutter (hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge) für die 8 und kna7 Jahre alten gemeinsamen Kinder I und R.

Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die nichtehelichen Eltern von I und R, wobei die Vaterschaft zu R nicht zweifelsfrei feststeht. Eine Sorgeerklärung wurde offenbar nicht abgegeben; alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist offenbar die Kindesmutter. Eine Hauptsacheverfahren über die Änderung der elterlichen Sorge ist anhängig (... Amtsgericht Friedberg). Die Kinder leben im Haushalt der Großeltern väterlicherseits.

Die Kindesmutter befand sich in Haft und wurde am 05.08.2011 entlassen. Sie hatte anscheinend dem Kindesvater eine Vollmacht, bezogen auf Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge, erteilt, die bis zu einem voraussichtlichen Entlassungstermin Ende Juni 2011 befristet war.

Mit Antragsschrift vom 19.07.2011 begehrte der Antragsteller, der arbeitslos ist und Leistungen nach SGB II bezieht, im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung der Gesundheitsfürsorge für beide Kinder auf ihn und beantragte für dieses Verfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Zur Begründung trug er vor, dass er nach Ablauf der befristeten Vollmacht nicht mehr in der Lage sei, Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge für die Kinder einzuleiten, dass aber bei beiden Kindern eine Reihe solcher Maßnahmen, die die Kindesmutter in der Vergangenheit verschle bzw. unterlassen habe, anstünden, so insbesondere die operative Beseitigung eines Hodenhochstandes bei I, und dass die Kindesmutter die Erteilung einer neuen Vollmacht hierfür verweigere. Mit Schriftsatz vom 27.07.2011 erweiterte er seinen Antrag auf die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn. Die Antragsgegnerin widersprach der Behauptung, dass sie gesundheitliche Fürsorgemaßnahmen vernachlässigt habe und trug vor, dass sie darüber hinaus der Mutter des Antragstellers eine weitere Vollmacht erteilt habe. Das Amtsgericht bestellte eine Verfahrensbeiständin, stellte beide Antragsschriften dem Jugendamt, der Kindesmutter sowie deren Verfahrensbevollmächtigten und der Verfahrensbeiständin zu und führte am 27.09.2011 einen Erörterungstermin durch, zu dem die Kindeseltern, deren Verfahrensbevollmächtigte, das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin geladen waren und erschienen. Mit Beschluss vom 27.09.2011 entschied das Amtsgericht, davon abzusehen, in das Sorgerecht der Kindesmutter einzugreifen und wies zugleich den Verfahrenskostenhilfeantrag des Kindesvaters zurück mit der Begründung, es habe die "Anregung" des Kindesvaters vom 19.07.2011 zum Anlass der Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens genommen, wobei es sich um ein Amtsverfahren handele, das die materielle Rechtsposition des Kindesvaters nicht tangiere. Insofern sei der Kindesvater vom Verfahren nicht unmittelbar betroffen. In sein Sorgerecht könne durch dieses Verfahren nicht eingegriffen werden. Für die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 1680 Abs. 3 BGB - ebenfalls ein Amtsverfahren - sei kein Anlass erkennbar.

Mit seiner gegen den Beschluss vom 27.09.2011 gerichteten Beschwerde macht der Kindesvater geltend, der Standpunkt des Amtsgerichts verstoße gegen sein Elternrecht, da er unstreitig der leibliche Vater zumindest des Kindes I sei und für beide Kinder eine Gefährdungslage bestanden habe, die sein Einschreiten gebot.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Auf Antrag ist am Verfahren beteiligten Personen - beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - auch in Amtsverfahren Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 76 ff FamFG zu bewilligen. Die Vorschrift des § 76 FamFG erfasst den Antragsteller, den Antragsgegner und die vom Gericht hinzugezogenen weiteren Beteiligten, die sich im Verfahren äußern unabhängig davon, ob sie einen eigenen Antrag stellen (amtliche Begründung zu § 76 FamFG, BT-Drucks. 16/6308, Seite 212). Insofern macht es keinen Unterschied, ob man als Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Übertragung eines Teils der elterlichen Sorge entsprechend § 1672 Abs. 1 BGB gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 (1 BvR 420/09, NJW 2010, 3008 = FamRZ 2010, 1403 = MDR 2010, 1187) oder - wie es das Amtsgericht getan hat - die Entziehung von Teilen der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB ansieht. Denn auch im letzteren Falle ist der Kindesvater bei der vorliegend gegebenen Konstellation am Verfahren beteiligt. Er ist bereits deswegen Verfahrensbeteiligter, weil das Amtsgericht auf seine Antragsschrift hin das Verfahren eingeleitet und ihn zum Verfahren hinzugezogen hat (§ 7 Abs. 3 FamFG). Er war aber auch gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Beteiligter hinzuzuziehen, da seine Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen wurden. Denn das auf seine Antragsschrift hin eingeleitete Verfahren konnte mit dem Entzug eines Teils der allein der Kindesmutter zustehenden elterlichen Sorge enden. In diesem Fall wäre (wie das Amtsgericht zutreffend ausführt: von Amts wegen) zu prüfen gewesen, ob dem Kindesvater gemäß § 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 BGB die entsprechenden Teile der elterlichen Sorge zu übertragen sind. Allein dadurch ist er bereits in dem Verfahren nach § 1666 BGB in seinem subjektiven Recht als Vater unmittelbar betroffen (OLG Schleswig, Beschluss vom 4. Mai 2011,12 UF 83/11, ZKJ 2011, 395 = FamFR 2011, 358). Zwar ist § 1666 BGB eine Vorschrift, die den Eingriff des Staates in das Recht der Eltern regelt und nicht den Eltern im Verhältnis zueinander Rechte zuordnet oder auf einen Ausgleich der elterlichen Rechte abzielt (BVerfG a.a.O. Juris-Rn. 48). Da das Verfahren nach § 1666 BGB jedoch mit einer Regelung enden kann, die zu der dargestellten Prüfung nach § 1680 BGB hinführt, ist bereits in diesem Verfahren das Elternrecht des nichtehelichen Vaters berührt. Im Übrigen hatte der Kindesvater vorliegend die Übertragung der entsprechenden Teile des Sorgerechts auf ihn von Anfang an ausdrücklich beantragt und sind seine Antragsschriften ohne Einschränkung den übrigen Beteiligten zugestellt und zur Grundlage des amtsgerichtlichen Verfahrens einschließlich des Erörterungstermins vom 27.09.2011 gemacht worden. Ob im Falle der Ablehnung von Maßnahmen nach § 1666 BGB dem nichtehelichen Kindesvater ein Beschwerderecht zusteht (hierzu BGH FamRZ 2010, 1242 = NJW- RR 2010, 1369 = MDR 2010, 929 und OLG Celle FamRZ 2011, 121 = NJW-RR 2011, 220), ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab Antragstellung waren und sind gegeben. Als erwerbsloser Bezieher von Leistungen nach dem SGB II war und ist der Antragsteller nicht in der Lage, die auf ihn entfallenden Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise oder in Raten aufzubringen. Dem von ihm eingereichten "Antrag" war auch nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussicht abzusprechen oder Mutwilligkeit zu bescheinigen. Für fehlende Mutwilligkeit und ausreichende Erfolgsaussicht in Verfahren der vorliegenden Art genügt es, dass unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beteiligten eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch den Verfahrensausgang hinreichend wahrscheinlich ist. Hierbei ist ein weiter Maßstab anzulegen. Nur wenn die Rechtsverteidigung unter keinem möglichen Aspekt zum Erfolg führen kann, ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abzulehnen (amtliche Begründung a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO und Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1) zu § 3 Abs. 2 FamGKG.

Grabowski