OLG Frankfurt vom 04.11.2002 (3 WF 168/02)

Stichworte: Kostenerstattung, Zeitversäumnis von Behördenbediensteten Kostenerstattung, Terminswahrnehmung
Normenkette: ZPO 91, ZSEG 2 Abs. 2
Orientierungssatz: 1) Die Kosten für die Zeitversäumnis von Behördenbediensteten anläßlich der Terminswahrnehmung sind erstattungsfähig. 2) Die Behörde kann den Termin zur mündlichen Verhandlung von einem eigenen Mitarbeiter wahrnehmen lassen. Sie ist nicht gehalten, sich im Wege der Amtshilfe durch die Behörde am Sitz des Prozeßgerichts vertreten zu lassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Kostenfestsetzungssache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 17.07.2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 08.07.2002 am 04.11.2002 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Amtsgerichts in Frankfurt am Main vom 26.10.2001 sind von dem Beklagten an Kosten 200,43 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 10.04.2002 an die Klägerin zu erstatten.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Beschwerdewert: 221,-- Euro.

Gründe:

Mit Urteil vom 26.10.2001 verurteilte das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main den Beklagten antragsgemäß zur Unterhaltszahlung und legte ihm die Kosten des Verfahrens auf.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 04.04.2002 beantragte die Klägerin zu ihren Gunsten festzusetzen: Terminswahrnehmungskosten gemäß § 91 ZPO und § 2 ZSEG inklusive An- und Abreise im Umfang von 6 Stunden á 25,-- DM, sowie Reisekosten für die Anreise zum Termin zur mündlichen Verhandlung in Höhe von 242,-- DM und eine Telekommunikationspauschale in Höhe von 40,-- DM, zusammen 432,-- DM oder 220,88 Euro.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die Kosten antragsgemäß festgesetzt, obgleich der Beklagte sich bereits im Rahmen seiner Anhörung zum Kostenfestsetzungsantrag hiergegen verwahrt hatte.

Gegen den ihm am 12.07.2002 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluß legte der Beklagte mit Schriftsatz vom 17.07.2002, eingegangen beim Amtsgericht am 19.07.2002, ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel ein. Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Klägerin stünden die geltend gemachten Kosten nicht zu. Sie sei gehalten gewesen, sich im Wege der Amtshilfe durch das Sozialamt am Sitz des Gerichts vertreten zu lassen. Im übrigen könnten die Terminswahrnehmungskosten nicht geltend gemacht werden, da es sich hierbei um die Wahrnehmung von gesetzlichen Aufgaben der Klägerin handele und diese nicht gesondert abzugelten seien. Die Klägerin verteidigt unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung die angefochtene Entscheidung, nimmt jedoch den Kostenfestsetzungsantrag in Höhe der Telekommunikationspauschale zurück.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist gemäß § 11 RPflG in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 ZPO, 567 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache selbst ist es jedoch nicht begründet. Nach Rücknahme des Kostenfestsetzungsantrages hinsichtlich der ursprünglich geltend gemachten Telekommunikationspauschale stehen noch die geltend gemachten Fahrtkosten sowie die Kosten für die Terminswahrnehmung in Streit.

Soweit der Beklagte hinsichtlich der Fahrtkosten die Auffassung vertritt, die Klägerin hätte sich im Wege der Amtshilfe von dem Sozialamt der Stadt Frankfurt vertreten lassen müssen, so dass keine Fahrt - oder sonstige Reisekosten angefallen wären, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr sind die Fahrtkosten als notwendige Kosten im Sinne des § 91 ZPO anzusehen. Jeder Partei steht grundsätzlich das Recht zu, den Termin persönlich wahrzunehmen. Dies hat auch dann zu gelten, wenn eine Behörde oder eine juristische Person des Privatrechts den Termin durch einen ihrer Vertreter wahrnimmt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es auf die Kenntnisse und das Wissen der Partei für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Im vorliegenden Fall war die Terminsteilnahme durch die Sachbearbeiterin des Sozialamtes geboten, da bereits außergerichtlich in größerem Umfang über die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten, die dieser in Abrede gestellt hat, gestritten wurde und damit die Klägerin davon ausgehen durfte, dass es zu einer hochstreitigen Verhandlung kommen würde, in der weitere Sachaufklärung hätte erfolgen müssen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war es der Klägerin nicht zumutbar, die grundsätzlich mögliche Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Vielmehr durfte die umfassend informierte Sachbearbeiterin den Termin selbst wahrnehmen, so dass die dafür entstandenen Fahrtkosten zu erstatten sind. Auch ihre Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten, die auf einer Fahrt mit dem PKW beruhen, begegnet keine Bedenken, weil die Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Kassel nach Frankfurt nicht niedriger sind, wie dem Senat bekannt ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind auch die von der Klägerin unter den Begriff Terminswahrnehmungskosten geltend gemachten Kosten, bei denen es sich um Entschädigung für die entstandene Zeitversäumnis handelt, als notwendige Kosten im Sinne des § 91 ZPO erstattungsfähig. Zwar ist in der Rechtsprechung durchaus nicht unstrittig, ob die Kosten der Behörden, die durch die Zeitversäumnis anlässlich der Terminswahrnehmung eines Behördenvertreters entstehen, erstattungsfähig sind.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12.12.1988 (Juristisches Büro 1989, 534) die Erstattungsfähigkeit verneint und ihm sind in der Folgezeit sowohl Verwaltungsgerichte (z.B. VGH Baden-Württemberg, Juristisches Büro 1990, 1006) als auch Zivilgerichte (Landgericht Köln, Juristisches Büro 1994, 229 f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur) gefolgt.

Im Gegensatz dazu hat das Landgericht Frankfurt bereits in seinem Beschluss vom 28.02.1985 ( MDR 1985, 589) die Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Zeitversäumnis von Behördenbediensteten bejaht unter Hinweis darauf, dass sich eine Differenzierung zwischen einer juristischen Person des Privatrechts und des öffentlichen Rechts verbietet. Dem ist das Oberlandesgericht Stuttgart in seinem Grundsatzbeschluss vom 03.04.1990 (MDR 1990, 635 f.) und sodann in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 03.04.2001 (Juristisches Büro 2001, 484 m.w.N.), gefolgt. Dieser Auffassung haben sich das Oberlandesgericht Karlsruhe (Rechtspfleger 1993, 484), das Oberlandesgericht Bamberg (Juristisches Büro 1992, 242 f.) sowie das Oberlandesgericht Hamm, letzteres unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (OLG Hamm, NJW- RR. 1997, 767 f.), angeschlossen.

Dieser letztgenannten Auffassung schließt sich der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ebenfalls an. Nachdem zwischenzeitlich überwiegend anerkannt wird, dass bei juristischen Personen des Privatrechts Kosten für Zeitversäumnisse als notwendige Kosten gemäß § 91 ZPO geltend gemacht werden können (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 767f sowie OLG Stuttgart, Juristisches Büro 2001, 484 m. w. N.) erscheint es nicht gerechtfertigt, diesen Anspruch Behörden oder sonstigen Personen des öffentlichen Rechts zu versagen. Insoweit ist der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart zu folgen, wonach es keinen Anlass gibt, zwischen den juristischen Personen des Privatrechts und denen des öffentlichen Recht zu differenzieren.

Soweit Vertreter der Auffassung, dass Kosten für die Zeitversäumnis von Behördenmitarbeitern nicht erstattungsfähig sind, darauf abstellen, dass solche Kosten bei den Behörden nicht anfallen, erscheint dies nicht zutreffend. Gerade bei Behörden, zu deren Aufgaben auch die Rückholung von Geldern im Wege der gerichtlichen Geltendmachung von übergegangenen Unterhaltsansprüche gehört, entsteht durch diese mit der gerichtlichen Geltendmachung verbundenen Aufwand ein Mehrbedarf an Personal und damit erhöhte Kosten. Im Zuge der Budgetierung treten diese Kosten, die im Rahmen der früheren Haushaltsführung nicht ausdrücklich Niederschlag gefunden haben, nunmehr deutlicher zutage.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass es sich um die Geltendmachung von qua Gesetz übergegangenen Unterhaltsansprüchen handelt. Gäbe es diesen Forderungsübergang nicht und würde der Berechtigte seinen Anspruch selbst geltend gemacht haben, so wäre der ihm entstandene Verdienstausfall nach § 91 ZPO ohne weiteres zu ersetzen.

Hinzu kommt, dass es auch einer Behörde, die Partei eines Gerichtsverfahrens ist, grundsätzlich freisteht, sich ihrerseits eines Rechtsanwaltes zu bedienen. Die hierdurch verursachten Kosten hätte die unterlegene Partei als notwendige Kosten im Rahmen des § 91 ZPO zu tragen, wobei diese Kosten im Regelfall höher sind, als die zu erstattenden Kosten für den Zeitaufwand bei der Terminswahrnehmung durch die Behörden. Wenn die Behörde davon absieht, einen Rechtsanwalt einzuschalten und durch ihre sachkundige Sachbearbeiterin den Termin selbst wahrnimmt, stehen ihr die dadurch entstandenen Mehraufwendung, die wie oben bereits ausgeführt auch verifizierbar sind, zu.

Auch soweit die Klägerin die Kosten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG geltend macht und keine konkrete Darlegung zur Höhe der Kosten erfolgt, führt dies nicht dazu, dass lediglich die Mindestentschädigung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ZSEG gewährt wird (so jedoch OLG Hamm a.a.O.). Auch insoweit schließt sich der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ausdrücklich der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart in seinem Beschluss vom 03.04.2001 (a.a.O.) an. Die Bemessungsgrundsätze nach dem ZSEG beinhalten ohnehin lediglich einen pauschalierten Aufwandsersatz und sind nicht dafür gedacht, den tatsächlich entstandenen Nachteil durch die Terminsteilnahme umfänglich zu erfassen. Es erscheint daher angebracht, diese pauschale Betrachtungsweise nicht nur bei natürlichen Personen und juristischen Personen des Privatrechts, sondern auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts und sonstigen Behörden anzuwenden. Da zudem offenkundig ist, dass der Höchstsatz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG niedriger liegt, als die Personalkosten für die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin, sind die geltend gemachten Kosten der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für den geltend gemachten Zeitaufwand, da die An- und Abreisezeit zusätzlich zur Terminsdauer zu berücksichtigen ist.

Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Terminswahrnehmung sind somit nach § 91 ZPO, der auf § 2 ZSEG verweist, zu erstatten. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet.

Der angefochtene Beschluss ist lediglich insoweit abzuändern, als die Klägerin ihr Kostenfestsetzungsgesuch hinsichtlich der ursprünglich geltendgemachten Telekommunikationspauschale von 40,-- DM zurückgenommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97, 92 Abs. 2 ZPO.

Remlinger Zeibig - Düngen Diehl