OLG Frankfurt vom 19.10.2000 (3 WF 16/01)

Stichworte: Unterhalt Mutter Polen nichtehelich Grund,wichtiger PKH
Normenkette: ZPO 114 FK Polen Art. 141, 1
Orientierungssatz: Die nichteheliche Mutter kann aus wichtigem Grund einen über 3 Monaten hinausgehenden Unterhaltsanspruch nach polnischem Recht haben. Dies ist im Hauptsacheverfahren zu Klären.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Klägerin zu 2) vom 13.11.2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Friedberg vom 19.10.2000 am 14. Mai 2001 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

In Erweiterung des angefochtenen Beschlusses wird der Klägerin zu 2) auch für die weitergehenden Klageanträge ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt.

Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wird ihr Rechtsbeistand X., Frankfurt am Main, beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten ( § 1 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO )

GRÜNDE

Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.10.2000 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg den Antrag der Klägerin zu 2) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise zurückgewiesen, soweit diese für einen über drei Monate hinausgehenden Zeitraum Unterhalt begehrte. Auf den Inhalt des Beschlusses wird wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin zu 2) ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig und begründet.

Die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages stützt das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg darauf, dass die Voraussetzungen des Art 141 § 1 des polnischen Familienkodex hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes für eine Unterhaltsgewährung nicht erfüllt seien. Mit dieser Begründung kann der Beschluss keinen Bestand haben.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt aus Art 3 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, das eine weitgehende Angleichung der Situation unbemittelter Rechtsuchender an die bemittelter verlangt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage darf deshalb nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH vorverlagert wird und dieses an die Stelle des Hauptverfahrens tritt. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden, weshalb eine hinreichende Erfolgsaussicht schon zu bejahen ist, wenn die Entscheidung der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG FamRZ 1993, 664). Es entspricht demgemäss ständiger Senatsrechtsprechung, die Erfolgsaussicht einer Klage zu bejahen, wenn der Rechtsstreit die Anwendung ausländischer Rechtsvorschriften verlangt, die schwierige Auslegungs- und Anwendungsfragen aufwerfen, da auch die kostenarme Partei die Möglichkeit haben muss, diese Fragen im Rahmen eines rechtsmittelfähigen Hauptverfahrens kontradiktorisch klären zu lassen (vgl u.a. Beschluss vom 30.4.1998, 3 WF 69/98 )

Bei der vom Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg in dem angefochtenen Beschluss beantworteten Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne des Art 141 § 1 des polnischen Familienkodex vorliegt, handelt es sich um eine solche schwierige Auslegungsfrage zum Inhalt einer ausländischen Rechtsnorm. Zu klären ist, ob bei Arbeitslosigkeit schon die allgemeine Arbeitsmarktlage diesen wichtigen Grund darstellen kann, oder ob weitere Umstände, etwa eine Ursächlichkeit der Geburt des Kindes für die Arbeitslosigkeit oder die Fragen, ob und ggf. ab welchem Alter des Kindes die Mutter eine Erwerbsobliegenheit hat, welche Aktivitäten von der Unterhaltsberechtigten zur Erlangung einer Arbeitsstelle verlangt werden, welche Rolle hierbei die Betreuungsmöglichkeit für das Kind und die möglichen entfernungsbedingten Probleme bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit spielen, beantwortet werden müssen. Diese und weitere Probleme bei der Anwendung des Art 141 § 1 des polnischen Familienkodex können nicht summarisch durch einen apodiktischen Satz - wie im Beschluss vom 19.10.2001 geschehen - beantwortet werden. Noch weniger kann der Klägerin zu 2), wie in der Nichtabhilfeentscheidung erkennbar wird, vorgehalten werden, dass bekannt sei, dass Polinnen in Deutschland "schwarz" arbeiten, also illegal tätig sind. Ein solcher Verweis rechtfertigt nicht die Verneinung eines Unterhaltsbedürfnisses. .

Daneben sind bei der Beurteilung des klägerischen Begehrens u.a. aber auch noch die Fragen nach der Höhe des Unterhaltsbedarfs für den weitergehenden Anspruch, der Fälligkeit, der Berechtigung zur Unterhaltsforderung für die Vergangenheit und der Leistungsfähigkeit zu beantworten

Angesichts dieser Vielzahl schwieriger Rechtsfragen war die Erfolgsaussicht im summarischen Prüfunfgsverfahren zu bejahen. Erst im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird das Amtsgericht -Familiengericht - Friedberg nach pflichtgemäßem Ermessen gemäss § 293 ZPO zu prüfen haben, in welcher Weise es sich über die Rechtslage und Rechtspraxis nach polnischem Recht vergewissert. Insbesondere wird es erwägen müssen, ob es ohne die Einholung eines Rechtsgutachtens bzw. Ausschöpfung sonstiger Erkenntnisquellen die notwendigen Feststellungen treffen kann (vgl. BGH FamRZ 1992, 1058 ).

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