OLG Frankfurt vom 23.08.2017 (3 WF 145/17)

Stichworte: Ergänzungspfleger; berufsmäßige Ausübung; Vergütung; Berichtigung; Bindungswirkung
Normenkette: FamFG 42; BGB 1836
Orientierungssatz:
  • Ein Fehler in der gerichtlichen Willensbildung wird von § 42 FamFG nicht erfasst.
  • Wird ein an sich nicht zulässiger BerichtigungsBeschluss mit der nachträglichen Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Ergänzungspflegschaft formell rechtskräftig, ist er für die Vergütungsfestsetzung bindend (Abgrenzung zur fehlerhaften Berichtigung, mit der ein Rechtsmittel zugelassen wird).
  • Die bindende Berichtigung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses der berichtigten Entscheidung zurück.
  • 474 F 20038/14 PF
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend die Pflegschaft

    ...

    hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Ergänzungspflegerin vom 03.07.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Frankfurt am Main vom 26.06.2017 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Knauth am 23.08.2017 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

    Die der Ergänzungspflegerin für die Führung der Pflegschaft von der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 1.175,76 € festgesetzt.

    Die bereits ausgezahlte Vergütung in Höhe von 27,20 € ist zu erstatten.

    Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Die Ergänzungspflegerin (im Folgenden: Pflegerin) und die Staatskasse streiten über die Frage, ob die Tätigkeit der Pflegerin im Verfahren 474 F 20034/14 SO des Amtsgerichts Frankfurt am Main zu vergüten ist.

    Nach Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt am 17.02.2014 entzog das Gericht im Wege der Einstweiligen Anordnung ohne mündliche Erörterung der Kindesmutter das Sorgerecht in Teilbereichen, übertrug das Sorgerecht insoweit auf die Pflegerin und bestellte eine Verfahrensbeiständin (Bl. 10 ff. der beigezogenen Akte 474 F 20034/14 SO).

    Die Bestellung und Verpflichtung der Pflegerin durch die Rechtspflegerin des Amtsgerichts erfolgte am 20.02.2014.

    Am 29.04.2014 entzog das Amtsgericht der Kindesmutter im Hauptsacheverfahren 474 F 20037/14 SO das gesamte Sorgerecht und übertrug es auf die (damalige) Pflegerin als Vormund. Hierbei wurde die berufsmäßige Ausübung der Tätigkeit festgestellt.

    Diese beantragte am 22.05.2014 die Festsetzung ihrer Vergütung für Tätigkeiten in Ausübung der Pflegschaft ab dem 20.02.2014 auf 1.202,96 €. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 8 ff. d.A. verwiesen.

    Hierauf erging am 05.06.2014 eine entsprechende Auszahlungsanordnung.

    Die Bezirksrevisorin widersprach am 28.11.2014 der Festsetzung der Vergütung, da bei der Bestellung der Pflegerin die Feststellung der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft nicht erfolgt und die Pflegschaft damit unentgeltlich geführt worden sei.

    Die Familienrichterin berichtigte daraufhin mit Beschluss vom 12.02.2015 gemäß § 42 FamFG den Beschluss vom 18.02.2014 dahingehend, dass die Pflegerin das Amt berufsmäßig ausübe.

    Die Feststellung sei versehentlich unterlassen worden. Es sei gerichtsbekannt, dass die Pflegerin Pflegschaften, Vormundschaften, etc. ausschließlich berufsmäßig ausübe. Es sei der Akte auch nicht zu entnehmen, dass die Pflegerin in irgendeinem persönlichen Verhältnis zu dem Kind stünde und deshalb die Pflegschaft ehrenamtlich übernommen hätte. Dementsprechend sei bei der Bestellung als Vormund auch die Berufsmäßigkeit festgestellt worden. Da es sich bei der Ursprungsentscheidung um eine Einstweilige Anordnung ohne mündliche Erörterung gehandelt habe, hätte die Pflegerin auch nicht die Möglichkeit eines Rechtsmittels gehabt. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 42 ff. d.A. 474 F 20034/14 SO verwiesen.

    Mit Schreiben vom 23.02.2015 widersprach die Bezirksrevisorin der Berichtigung. Es läge keine offenbare Unrichtigkeit des Beschlusses vor. Die Pflegerin hätte die fehlende Feststellung der Berufsmäßigkeit außerdem im Rahmen des Bestellungsverfahrens rügen können, sodass es keine Rolle spiele, ob die Entscheidung im Rahmen einer Einstweiligen Anordnung ergangen sei.

    Mit Beschluss vom 07.08.2015 setzte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Vergütung entsprechend dem Antrag fest. Das Gericht habe durch den Berichtigungsbeschluss festgestellt, dass die Pflegschaft berufsmäßig geführt werde, sodass die Pflegerin Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen und Vergütung habe (Bl. 23 d.A.).

    Hiergegen legte die Staatskasse am 13.08.2015 Beschwerde ein und beantragte hilfsweise die Absetzung der Telefon- und Faxgebühren, da die Pflegerin amtsbekannt über eine Flatrate verfüge.

    Die Rechtspflegerin half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

    Der Senat hob den angefochtenen Beschluss mit Beschluss vom 05.01.2017 auf (3 WF 70/16); die Festsetzung der Vergütung hätte erst nach Entscheidung über die von der Bezirksrevisorin eingelegte Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss entschieden werden dürfen (Bl. 34 ff. d.A.).

    Das Amtsgericht half der Beschwerde gegen die Berichtigung nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

    Auf Hinweis des Vorsitzenden, dass Bedenken gegen die Beschwerdeberechtigung der Staatskasse bestünden, nahm die Bezirksrevisorin ihre Beschwerde zurück.

    Mit Beschluss vom 04.05.2017 setzte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts erneut die Vergütung der Pflegerin antragsgemäß fest (Bl. 42 ff. d.A.).

    Hiergegen wandte sich die Bezirksrevisorin am 15.05.2017 mit einer Beschwerde, mit der sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH ausführt, dass es sich um keine offenkundige Unrichtigkeit gehandelt habe, was man schon daraus ersehen könne, dass die Berufsmäßigkeit für die Verfahrensbeiständin festgestellt worden sei, für die Pflegerin aber nicht. Der Berichtigungsbeschluss sei damit wirkungslos und ein Vergütungsanspruch der Pflegerin nicht entstanden (Bl 44 ff. d.A.).

    Mit Beschluss vom 26.06.2017 half die Rechtspflegerin unter Hinweis auf die Beschwerdebegründung der Beschwerde ab, hob den Beschluss vom 04.05.2017 auf, wies den Vergütungsantrag der Pflegerin zurück und ordnete die Rückzahlung der ausgezahlten Vergütung an.

    Gegen den ihr am 30.06.2017 zugestellten Beschluss hat nunmehr die Pflegerin am 03.07.2017 Beschwerde eingelegt.

    Der Berichtigungsbeschluss sei rechtskräftig und damit sei festgestellt, dass sie ihre Tätigkeit berufsmäßig ausübe. Ihr stünde damit die Vergütung zu.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.07.2017 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die statthafte und zulässige (§§ 58 ff. FamFG) Beschwerde der Pflegerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Lediglich die geltend gemachten Telefon- und Faxkosten waren abzusetzen.

    Der Vergütungsanspruch der Pflegerin beruht auf den §§ 1915, 1836 BGB, 1 – 3 VBVG.

    Entgegen der Auffassung der Staatskasse ist mit dem Berichtigungsbeschluss vom 12.02.2015 in für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindender Weise die Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Pflegerin rechtskräftig und wirksam festgestellt worden.

    Der Senat ist allerdings auch der Auffassung, dass mit diesem Beschluss keine offenbare Unrichtigkeit i.S. v. § 42 FamFG beseitigt wurde.

    Weder aus dem Beschluss vom 18.02.2014 noch aus der beigezogenen EA-Akte lässt sich entnehmen, dass die erkennende Richterin des Amtsgerichts die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Pflegerin versehentlich unterlassen hat. Dass dies angeblich gerichtsbekannt sein soll, reicht dazu jedenfalls nicht aus, da sicher nicht alle (auch neu) mit Familiensachen befassten Richter/Richterinnen über eine solche Kenntnis verfügen. Mit der Berichtigung wurde ein Fehler in der gerichtlichen Willensbildung beseitigt, der von § 42 FamFG nicht erfasst wird.

    Dennoch ist der Beschluss rechtskräftig geworden und damit grundsätzlich bindend. Ob er die Grenzen des § 42 FamFG eingehalten hat, ist nicht in anderem Zusammenhang zu überprüfen.

    Soweit hiervon in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte Ausnahmen gemacht werden, betreffen diese – soweit für den Senat ersichtlich – jeweils erstmalig durch Berichtigung zugelassene Rechtsmittel (BGH, NJW 2005, 156 ff.; BGH, Beschluss vom 24.11.2003, II ZB 37/02; BGH, Beschluss vom 05.07.2017, XII ZB 509/15 – jeweils zitiert nach juris; kritisch hierzu MüKo/Musielak, ZPO, 5. Auflage 2016, § 319 Rn. 22 – zitiert nach beck-online).

    Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die zwingenden Vorschriften über den prozessualen Instanzenzug nicht unterlaufen werden (BGH, NJW 1994, 2832 ff.).

    Entgegen dem 4. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 09.05.2016 (4 WF 222/15) ist der erkennende Senat der Auffassung, dass diese Rechtsprechung nicht auf andere Fälle der fälschlich erfolgten, aber rechtskräftigen Berichtigung ausgeweitet werden kann. Anderenfalls entstünde über einen längeren Zeitraum Unsicherheit, welche „Version“ einer Entscheidung die Wirksame ist. Dies wäre dem Rechtsfrieden – der durch die Rechtskraft bzw. Wirksamkeit von Entscheidungen geschaffen werden soll - abträglich (ausführlich hierzu BGH, NJW 1994, 2832 ff. – zitiert nach juris).

    Die bindende Berichtigung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses der berichtigten Entscheidung zurück, sodass von der Feststellung der Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Pflegerin ab dem 18.02.2014 auszugehen ist.

    Ihr steht damit die ab dem 19.02.2014 geltend gemachte Vergütung zu, gegen die von der Staatskasse – mit der unten behandelten Ausnahme – keine Einwendungen erhoben wurde.

    Eine Absetzung erfolgte in Bezug auf die Fax- und Telefongebühren in Höhe von insgesamt 27,20 €, da die Pflegerin unstreitig (s. ihr Schreiben vom 06.09.2015, Bl. 28 d.A.) über eine Flatrate verfügt und ihr deshalb keine diesbezüglichen Aufwendungen entstanden sind. In Höhe dieses Betrages war daher auch die Rückzahlung anzuordnen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Wegen des überwiegenden Erfolgs der Beschwerde entspricht es nicht der Billigkeit, Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren, so sie denn überhaupt anfallen, zu erheben. Gleiches gilt für die Erstattungspflicht in Bezug auf außergerichtliche Kosten.

    Der Senat lässt wegen der aufgezeigten Abweichung von der Rechtsprechung des 4. Familiensenats des OLG Frankfurt die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG.

    Rechtsbehelfsbelehrung …

    [Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde eingelegt und vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.04.2018 (XII ZB 487/17) zurückgewiesen.]

    Dr. Fritz Kummer-Sicks Knauth