OLG Frankfurt vom 12.07.2019 (3 WF 106/19)

Stichworte: Verfahrenskostenhilfe; Erklärung; Fristsetzung; Belegpflicht; Hinweispflicht; Unterlagen, fehlende
Normenkette: FamFG 76; ZPO 117 Abs. 2; ZPO 118 Abs. 2; ZPO 127 Abs. 3
Orientierungssatz:
  • Das Gericht hat den Antragsteller auf fehlende Angaben in der VKH-Erklärung sowie fehlende Unterlagen/Belege hinzuweisen und zur Abgabe einer vollständigen Erklärung und Beibringung fehlender Unterlagen unter Fristsetzung aufzufordern. Dies gilt auch, wenn das Gericht nach Instanzende eine Frist zur Nachreichung der VKH-Erklärung bewilligt hat.
  • 700 F 428/19
    AG Friedberg (Hessen)

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang …

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 29.05.2019 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz als Einzelrichter am 12.07.2019 beschlossen:

    In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der Kindesmutter Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

    Gründe:

    I.

    Die Kindesmutter hat im Termin zur mündlichen Anhörung am 16.05.2019 Verfahrenskostenhilfe für das vom Gericht von Amts wegen eingeleitete Umgangsverfahren beantragt. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Amtsgericht der Kindesmutter aufgegeben, binnen 2 Wochen „eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechender Belege zur Akte zu reichen“. Am 20.05.2019 hat die Kindesmutter die Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO zur Akte gereicht nebst 2 Anlagen zur Erläuterung und weiteren Substantiierung des Einkommens und Abzugspositionen (Bl. 1 – 4 VKH-Heft). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 29.05.2019 sodann die Verfahrenskostenhilfe versagt, weil die Höhe des Kindergeldes nicht mitgeteilt, die Angaben zu den Punkten G. 2 und 6. unvollständig und nicht belegt sowie der angegebene Kontostand betreffend das Girokonto ebenfalls nicht belegt worden seien. Eine erneute Fristsetzung zur Erledigung sei nicht angezeigt, weil die Vorlage einer vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbstverständlich sei.

    Gegen diese ihr am 11.06.2019 zugestellte Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit der am 14.06.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie ihren Antrag auf ratenfreie Verfahrenskostenhilfe weiter verfolgt. In der Begründung macht sie weitere Angaben zu ihrem Bezug von SGB II – Leistungen, ihrem Girokonto … und ihrem Miteigentumsanteil an der Immobilie in … . Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 9 – 12 VKH-Heft verwiesen.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.06.2019 nicht abgeholfen. Nach wie vor fehle es an einer vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, was auch nach Verstreichen der im Termin vom 16.05.2019 bestimmten Frist nicht nachgeholt werden könne.

    II.

    Auf die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i. V. m. §§ 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 127 Abs. 3 S. 3 ZPO) Beschwerde war der Kindesmutter in Abänderung der angefochtenen Entscheidung Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt … als Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen.

    Die Verfahrenskostenhilfe kann nicht schon wegen der z.T. unvollständigen und nicht belegten Angaben der Kindesmutter zur Zeit des Ablaufs der vom Amtsgericht eingeräumten Frist zur Vorlage der Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO verweigert werden.

    Auch wenn grundsätzlich der vollständige Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß ausgefüllten Antragsvordruck und allen Unterlagen bereits vor dem Abschluss der Instanz bei dem zuständigen Gericht vorliegen muss, kann ausnahmsweise Verfahrenskostenhilfe auch noch nach Instanzende bewilligt werden, wenn das Gericht - wie hier – eine Frist zur Nachreichung der vollständigen Unterlagen bewilligt hat und die notwendigen Unterlagen innerhalb der vom Gericht bewilligten Frist nachgereicht werden (Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 8.A., Rn. 610).

    Nach § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO sind bereits dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe neben einer vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllten Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die entsprechenden Unterlagen beizufügen. Nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO hat das Gericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abzulehnen, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist die Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Gem. § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO kann das Gericht verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht und nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO kann es hierzu die Vorlage von Urkunden anordnen. Aus dieser gesetzlichen Intention folgt, dass das Gericht den Antragsteller auf fehlende Angaben in der VKH-Erklärung sowie fehlende Unterlagen/Belege hinzuweisen und zur Abgabe einer vollständigen Erklärung und Beibringung fehlender Unterlagen unter Fristsetzung auffordern soll. Dies gilt zumindest dann, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die VKH-Erklärung versehentlich unvollständig geblieben ist und/oder Belege nicht beigefügt worden sind (LAG Schleswig-Holstein, JurBüro 2013, 257 Rn. 11 – zitiert nach juris). Der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2013, 13 WF 145/13 – zitiert nach juris – jedenfalls für den Fall der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers), dass eine erneute Fristsetzung nicht angezeigt sei, weil die Vorlage eines vollständig ausgefüllten Erklärungsvordrucks unter Beifügung hinreichender Belege zur Glaubhaftmachung selbstverständlich sei, kann aus dem vorstehend genannten Grund nicht gefolgt werden. Außerdem wäre dies mit dem Verbot übertriebener Form- und Fristenstrenge, wonach die Formvorschriften dem Schutz des sachlichen Rechts, nicht aber seiner Vereitelung dienen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. A., Einl. Rn. 94), nicht vereinbar.

    Dies zeigt sich geradezu exemplarisch im vorliegenden Fall. Die vom Amtsgericht gerügte fehlende Angabe zur Höhe des Kindergeldes ist unschädlich, weil dies allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden kann. Es fehlten aber jegliche Angaben zum Verkehrswert des Miteigentumsanteils an der Immobilie in … und dem Wert des Investmentfonds. Diese Unvollständigkeit rechtfertigt aber nicht schon ohne weiteres Nachfragen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe. Dies wäre allenfalls dann der in Betracht zu ziehen, wenn sich das Gericht keinerlei Bild über die wirtschaftlichen Verhältnisse hätte machen können. Daher genügt trotz fehlender Angaben zu den Ziff. F – J z. B. ein aktueller Bewilligungsbescheid über SGB II – Leistungen, wenn das Formular in den Ziff. A – D vollständig ausgefüllt ist (Zöller/Geimer, a.a.O. § 117 Rn. 16). Hier hatte die Kindesmutter im Vordruck handschriftlich eingefügt, „laufende Leistungen zum Lebensunterhalt beantragt – aber noch keinen Bescheid“. Damit war klar, dass die Kindesmutter jedenfalls nicht über wesentliches, zur Verfahrensfinanzierung einsetzbares Vermögen verfügt hat.

    Die fehlenden Unterlagen zur weiteren Glaubhaftmachung des Kontostandes Girokonto … und des angesparten Investmentfonds sind unschädlich, weil es sich dabei nicht um ein Formerfordernis des Antrages handelt, sondern allein der Glaubhaftmachung dient (Zöller/Geimer, ZPO, 32.A., § 119 Rn. 39). Die Beteiligte kann aber kaum voraussehen, welche Belege das Gericht verlangen wird (Zöller/Geimer, a.a.O.).

    Aufgrund der im Beschwerdeverfahren ergänzten und belegten Angaben steht fest, dass die Kindesmutter nicht in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Insbesondere verfügt sie über kein einsetzbares Vermögen. Der Miteigentumsanteil an der Immobilie in … ist nicht einsetzbar, weil das Hausanwesen weiter vom Kindesvater mit der gemeinsamen Tochter genutzt wird (vgl. Dürbeck/Gottschalk, a.a.O., Rn. 381, 408). Das Depotvermögen bei … übersteigt mit 1.504,02 € nicht das Schonvermögen.

    Rechtsanwalt … war zu den Bedingungen eines im Bezirk des Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beizuordnen. Sein Beiordnungsantrag enthält das konkludente Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot gem. § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung (OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 315 – zitiert nach juris).

    Oberlandesgericht, 3. Senat für Familiensachen

    Der Einzelrichter

    Dr. Fritz