OLG Frankfurt vom 15.02.2022 (3 UF 81/21)

Stichworte: Sorgerecht; Aufenthaltsbestimmungsrecht; Umgangsregelung; Wechselmodell;
Normenkette: BGB 1628; BGB 1671; BGB 1684; BGB 1687; BGB 1697a; FamFG 57
Orientierungssatz:
  • Die erstmalige Anordnung eines Wechselmodells bei ausschließlichem Streit der Kindeseltern über diese Frage kann nur im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen.
  • 401 F 1089/20 AG Frankfurt/Main, Außenstelle Höchst

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend die elterliche Sorge

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 3. Senat für Familiensachen – auf die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Frankfurt am Main (Außenstelle Höchst) vom 14.04.2021 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritz sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Sandmüller am 15.02.2022 beschlossen:

    1. In Abänderung der angefochtenen Entscheidung verbleibt das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern gemeinsam. Es wird klarstellend festgestellt, dass damit die elterliche Sorge insgesamt den Kindeseltern gemeinsam zusteht.

    2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    3. Der Beschwerdewert wird auf 4.000,- € festgesetzt.

    4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Die Kindeseltern streiten im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens darüber, ob hinsichtlich der Betreuung ihres gemeinsamen Kindes ein Wechselmodell anzuordnen ist.

    Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die seit dem 20.02.2020 rechtskräftig geschiedenen Eltern der … 2016 geborenen T. Sie lebten seit April 2018 zunächst innerhalb der ehelichen Wohnung, seit Februar 2019 dann auch räumlich voneinander getrennt.

    T lebte nach der Trennung der Kindeseltern zunächst im mütterlichen Haushalt. Die Wohnverhältnisse gestalteten sich so, dass T und die Kindesmutter gemeinsam mit den Eltern der Kindesmutter eine Zweieinhalbzimmerwohnung bewohnten. Zum 15.03.2021 zog die Kindesmutter mit T in eine eigene Dreizimmerwohnung.

    Der Kindesvater hatte großzügig Umgang mit T, wobei der Umfang zwischen den Kindeseltern im Einzelnen streitig ist. Er bewohnt eine eigene Wohnung, in der T ein kleines Zimmer hat, in räumlicher Nähe zu seinen Eltern.

    Der Kindergarten, den T besucht, liegt auf halber Strecke zwischen den Haushalten der Kindeseltern.

    Der Kindesvater hat behauptet, T habe im Jahr 2019 40% der Zeit bei ihm gelebt, im Jahr 2020 sei dies auf über 50 % erhöht worden. Zum Nachweis legt er Kalenderausdrucke mit Markierungen (Bl. 8-10 d. A.) vor. Er habe jedoch immer Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die Kindesmutter zum Umgang zu bewegen. Daher erstrebt er eine rechtsgültige Regelung im Sinne eines Wechselmodells und hat gemeint, dieses entspreche dem Kindeswohl. T habe zu beiden Eltern eine enge Bindung. Das Wohnumfeld bei beiden Elternteilen sei auf die Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten. Die Kindeseltern seien auch mit den Erziehungsmethoden des jeweils anderen Elternteils vertraut und hätten diese bisher akzeptiert.

    Der Kindesvater hat in Anlehnung an die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 29.01.2020 (2 UF 301/19) mit Antrag vom 14.07.2020 die gerichtliche Herstellung des Wechselmodells im Rahmen eines mit „Antrag auf elterliche Sorge (Anordnung des paritätischen Wechselmodells)“ überschriebenen Sorgeantrags begehrt.

    Der Kindesvater hat erstinstanzlich beantragt,

    folgende Regelung zu treffen:

    1. T ist im wöchentlichen Wechsel in der Obhut der Mutter und des Vaters. Die Betreuungszeit der Mutter beginnt am Ende jeder geraden Kalenderwoche am Montag um 14.00 Uhr und endet in der folgenden Kalenderwoche am Montag um 14.00 Uhr.

    Die Betreuungszeit des Vaters beginnt am Ende jeder ungeraden Kalenderwoche am Montag um 14.00 Uhr und endet in der folgenden Kalenderwoche am Montag um 14.00 Uhr.

    2. Wenn durch Krankheit, Unterrichtsausfall oder andere Ereignisse ein besonderer Betreuungsbedarf entsteht, trägt jeweils der Elternteil die Verantwortung, der die Obhut hat.

    3. T wird immer von dem betreuenden Elternteil der Vorwoche zu dem betreuenden Elternteil der folgenden Woche gebracht. Dabei wird eine Tasche mit den persönlichen Gegenständen, die T für Kindergarten, Sport und Freizeitaktivitäten braucht, übergeben.

    4. Der Vater betreut jeweils in der zweiten Hälfte der hessischen Frühjahrs-, Sommer- und Herbstferien, die Mutter in der ersten.

    5. Der Ferienumgang beginnt für den Vater in den hessischen Schulferien mit dem Schulschluss am letzten Schultag, für die Mutter an dem in der Ferienmitte liegenden Sonntag oder Donnerstag um 10.00 Uhr. Fällt der erste Schultag in die Obhutszeit des Vaters, endet der Ferienumgang bei der Mutter am letzten Tag vor Schulbeginn um 18.00 Uhr. Entsprechendes gilt umgekehrt bei einem Tausch der Ferienzeiten.

    6. Die Eltern tauschen ihre Reisepläne bis zum 31. Januar eines Jahres aus, um Reisen eventuell durch Tausch zu ermöglichen. Sonderregelungen für die Himmelfahrts-/Pfingstferien oder für gesetzliche Feiertage sollen bis zu diesem Termin vereinbart werden.

    7. In den Weihnachtsferien liegt die Obhut in den geraden Kalenderwochen in der ersten Ferienhälfte beim Vater. Im ungeraden Kalenderjahr ist es umgekehrt. Am ersten Weihnachtstag von 12:00 Uhr bis 19:00 Uhr hält sich T bei dem Elternteil auf, bei dem sie die zweite Ferienhälfte verbringt.

    8. Ferienumgänge überlagern die normale Obhutszeit. Während der Ferien findet kein Umgang statt, auch wenn T zu Hause ist.

    9. T`s Geburtstag wird in den geraden Jahren bei der Mutter gefeiert, in den ungeraden Jahren bei dem Vater. Jeder Elternteil bekommt die Möglichkeit, an diesem Tag T zu sehen und zu gratulieren. Das Kind verbringt den Geburtstag eines Elternteils mit diesem und übernachtet dort.

    10. Wenn ein Elternteil seine Betreuungszeit wegen ernsthafter Verhinderung oder geplanter Reisen nicht wahrnehmen kann, wird er so früh wie möglich den anderen Elternteil wegen eines Tauschs fragen. Kommt ein Tausch nicht zustande, bleibt die Obhutsverantwortung wie gehabt.

    11. Lernentwicklungsgespräche und spätere Schulveranstaltungen werden die Kindeseltern nach Möglichkeit gemeinsam wahrnehmen, Elternversammlungen abwechselnd. Wer teilgenommen hat, schickt dem anderen am nächsten Tag eine E-Mail mit allen wichtigen Informationen.

    12. Unaufschiebbare ärztliche Behandlungen werden von dem jeweils betreuenden Elternteil in eigener Verantwortung veranlasst. Für alle weiteren Behandlungen stellen die Kindeseltern vorher Einvernehmen her.

    Die Kindesmutter hat beantragt,

    die Anträge des Kindesvaters zurückzuweisen.

    Sie hat behauptet, sie habe T seit der Geburt des Kindes fast ausschließlich allein betreut, später sei T dann immer 3 Tage beim Vater und 4 Tage bei ihr gewesen, während der Corona-Zeit im wöchentlichen Wechsel bei den beiden Elternteilen. Zwischen ihr und dem Kind bestehe eine sehr innige Bindung. Ihr sei bewusst, dass eine gute Beziehung zum Vater und der Familie väterlicherseits für T wichtig sei. Deshalb habe sie auch wohlwollend Umgänge ermöglicht. Die vom Kindesvater gewünschte Aufteilung sei jedoch nicht zum Wohle des Kindes. T müsse wissen, wo ihr Zuhause ist. Zudem wolle der Kindesvater das Wechselmodell nur aus finanziellen Gründe:n, namentlich damit er keinen Kindesunterhalt mehr zahlen müsse. Beim Vater werde T total verwöhnt, bei ihr gebe es auch Regeln.

    Die Verfahrensbeiständin sprach sich erstinstanzlich zunächst für eine einvernehmliche strukturgebende Regelung zwischen den Eltern aus, die den engen Bindungen des Kindes zum Vater Rechnung trägt (Stellungnahme vom 19.08.2020 Bl. 22 ff. d. A.).

    Das Amtsgericht hat die Angelegenheit mit den Beteiligten in einem Termin am 24.08.2020 erörtert (Protokoll Bl. 42 ff. d. A.). In diesem Termin haben die Beteiligten nach „ausführlichen Verhandlungen“, deren Inhalt nicht dokumentiert ist, eine vorläufige Betreuungsregelung folgenden Inhalts getroffen:

    1. Die Kindeseltern sind darüber einig, dass die gemeinsame Tochter T, geb. … 2016, im 14tägigen Rhythmus wie folgt von den Eltern betreut wird:

    a) Von Donnerstag nach dem Schluss des Kindergartens bis montagfrüh wird T vom Vater betreut. Von Montag nach dem Schluss des Kindergartens bis zum nächsten Donnerstagmorgen wird T von der Mutter betreut.

    b) Von Donnerstag nach dem Ende des Kindergartens bis Freitag zu Beginn des Kindergartens wird T vom Vater betreut. Von Freitag ab Ende des Kindergartens bis Donnerstag zu Beginn des Kindergartens wird T von der Mutter betreut.

    Die Eltern sind sich darüber einig, dass das 14tägige vorläufige Betreuungsmodell am Donnerstag, den 27.08.2020 mit einer Übernachtung von T beim Vater startet und sich dann fortsetzt mit einem langen Wochenende vom Donnerstag, den 03.09. bis Montag, den 07.09. beim Vater.

    2. Die Eltern sind darüber einig, dass sie eine abschließende Regelung der Betreuung im Rahmen der konfliktregulierenden Beratung erarbeiten wollen. Sie sind sich außerdem darüber einig, dass etwaige Abweichungen von dieser vorläufigen Regelung ebenfalls dort besprochen und vereinbart werden.

    3. Den Eltern ist klar, dass im Falle eines Scheiterns der konfliktregulierenden Beratung das gegenständliche Verfahren fortgesetzt wird.

    Die Kindeseltern suchten sodann die Beratungsstelle „P“ beim …verband auf und nahmen insgesamt 6 Termine wahr, davon vier gemeinsame Gespräche. Eine einvernehmliche Regelung bezüglich der Frage, ob ein Wechselmodell installiert werden soll, konnte jedoch nicht gefunden werden.

    Das Amtsgericht hat daraufhin das Verfahren fortgesetzt und einen weiteren Termin für den 08.03.2021 bestimmt.

    Die Kindesmutter hat nunmehr behauptet, es bestehe auf der einen Seite Einigkeit zwischen den Kindeseltern, dass T bei der Mutter leben solle, trotzdem verweigere der Vater seine Zustimmung zur Ummeldung des Erstwohnsitzes des Kindes von ihrer alten in ihre neue Wohnung. Ihr sei es recht, wenn der Vater in der einen Woche von Mittwoch bis Freitag und in der anderen Woche von Freitag bis Montag betreue, jedoch nicht paritätisch.

    Die Kindesmutter hat nunmehr beantragt,

    ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zu übertragen.

    Der Kindesvater hat beantragt,

    den Antrag zurückzuweisen und hat im Übrigen die (Umgangs-) Anträge aus dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz erneut gestellt.

    Er behauptet, die Kommunikation klappe mit Hilfe des durch die Beratungsstelle empfohlenen Übergabebuchs, aber auch telefonisch oder per Kurznachricht gut. Der Ummeldung widersetze er sich nicht grundsätzlich, vielmehr solle zugestimmt werden, sobald hier eine Regelung über den Umgang gefunden wurde.

    Die Kindesmutter hat beantragt,

    die (Umgangs-) Anträge des Kindesvaters zurückzuweisen.

    Die Vertreterin des Jugendamtes und die Verfahrensbeiständin haben sich gegen ein Wechselmodell ausgesprochen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.04.2021 hat das Amtsgericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und die Anträge des Kindesvaters zurückgewiesen.

    Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf den Beschuss des 2. Familiensenats des OLG Frankfurt vom 29.01.2020 (2 UF 301/19) ausgeführt, dass verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass der Vater die Übertragung bestimmter Betreuungsanteile im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens begehrt. Die streitige Anordnung eines paritätischen Wechselmodells könne „jedenfalls in Form einer sorgerechtlichen Regelung im Rahmen des § 1671 BGB erfolgen, indem entweder das Kind zu den jeweiligen Betreuungszeiten in die Obhut des jeweiligen Elternteils gegeben wird oder aber dem Elternteil, der das Wechselmodell wünscht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit dem Ziel der Durchsetzung geteilter Betreuung überantwortet“ werde. Im Moment sei jedoch ein Residenzmodell kindeswohlgerecht. Die Vorstellungen der Eltern zu Erziehungsfragen seien sehr unterschiedlich. Während die Mutter wolle, dass dem Kind auch Grenzen gesetzt werden, bemängele sie, dass der Vater T verwöhne. Der Vater habe ja auch selbst gesagt, dass T bei ihm alles habe, was ein Kind nur brauchen könne. Das Verhältnis der Kindeseltern sei von Misstrauen geprägt. Die für die Einführung eines Wechselmodells erforderliche besondere Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sei nicht vorhanden. Daher sei das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter zu übertragen. Hiergegen spreche auch nicht, dass der Vater sich zuletzt mit einer Ummeldung in den mütterlichen Haushalt einverstanden erklärt hat. Denn in der Sache halte er an seiner Vorstellung eines Wechselmodells fest und stimme einer Ummeldung nur unter dieser Voraussetzung zu. Hinsichtlich der Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 85-86 d. A. Bezug genommen.

    Gegen den ihm am 19.04.2021 zugestellten Beschluss (Empfangsbekenntnis Bl. 88 d. A.) hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 25.04.2021 (Bl. 92 ff. d. A.), Eingang beim Amtsgericht am selben Tag, Beschwerde eingelegt.

    Das Amtsgericht habe ihm ohne Not und ohne eine Erklärung das in Art. 6 GG verwurzelte Erziehungsrecht genommen. Der Hinweis auf unterschiedliche Erziehungssysteme verfange nicht, weil schon gar nicht besprochen worden sei, welches Erziehungssystem der Kindesvater denn habe. Warum das Gericht davon ausgehe, dass zu erwarten sei, dass der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts dem Wohl des Kindes am besten entspreche, sei der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Amtsgericht habe versäumt, darzulegen, welcher Art und Schwere die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes und die Gefahren seien.

    Völlig widersinnig sei es, nur aus dem Begehren, ein Wechselmodell zu installieren, zu schließen, dass der Vater dem Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Mutter nicht zustimme. Die Ummeldung T`s sei inzwischen – was unstreitig ist – zum 20.04.2021 mit Zustimmung des Vaters erfolgt. Es könne nicht sein, dass jeder Elternteil, der das Wechselmodell beantragt, befürchten muss, das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu verlieren, weil das Gericht hieraus einen Widerspruch zum Einverständnis mit dem Lebensmittelpunkt herleiten würde.

    Zudem habe das Amtsgericht das Wechselmodell zu Unrecht abgelehnt. Auf der einen Seite werde auf die guten Bindungen zu beiden Eltern verwiesen, auf der anderen Seite dann aber nicht geprüft, warum die Erhöhung des Umgangs um weitere 10% nicht dem Kindeswohl entspreche. Die Voraussetzungen für ein Wechselmodell seien gegeben. Beide Eltern hätten eine tragfähige Beziehung zum Kind, lebten in räumlicher Nähe und hätten seit der Trennung bewiesen, dass sie in der Betreuungssituation fähig sind, sich angemessen abzustimmen und zu kooperieren. Ferner moniert der Kindesvater, dass das zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung 4 ½ Jahre alte Kind durch das Amtsgericht nicht angehört worden ist. T habe mehrfach erklärt, dass sie am Liebsten abwechselnd bei den Eltern sein möchte, auf jeden Fall mehr beim Vater.

    Der Kindesvater hat zunächst seine erstinstanzlich gestellten Anträge zur Regelung konkreter Betreuungszeiten weiterverfolgt. Nach Hinweis des Senats mit Verfügung vom 01.06.2021 (Bl. 107 d. A.) beantragt er nunmehr,

    den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

    Die Kindesmutter beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung. Der Vater gebe schon die tatsächlichen Umgangszeiten nicht richtig wieder. Zuletzt gab die Kindesmutter an, es werde ein Betreuungsmodell mit der Aufteilung 40% (Kindesvater) zu 60% (Kindesmutter) gelebt (Bl. 137 d. A.). Eine paritätische Betreuung könne der Kindesvater aufgrund seiner beruflichen Situation auch gar nicht leisten. Zudem funktioniere die Kommunikation nicht gut. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter sei schon allein deshalb nötig gewesen, weil der Vater der Ummeldung in den mütterlichen Haushalt zunächst nicht zugestimmt hatte. Er stelle damit T`s gewöhnlichen Aufenthalt bei ihr in Frage. Beim paritätischen Wechselmodell sei der gewöhnliche Aufenthalt bei beiden Eltern, die auch gemeinsam aufenthaltsbestimmungsberechtigt sein müssten. Kein Elternteil gewähre dem anderen Umgang.

    Der Kindesvater hat nach dem dahingehenden Hinweis des Senats vom 01.06.2021, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Bl. 107/107 RS d. A. Bezug genommen wird, seine Anträge auf Festlegung konkreter Betreuungszeiten zurückgenommen.

    Der Senat hat die Angelegenheit mit den Beteiligten erörtert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 12.10.2021 nebst Anlage (Bl. 136 bis 141 d. A.) Bezug genommen. Die Berichterstatterin als beauftragte Richterin hat zudem T am 03.12.2021 in Anwesenheit der Verfahrensbeiständin angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten der Kindesanhörung wird auf Bl. 157 d. A. Bezug genommen.

    II.

    Die Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 FamFG.

    Sie ist auch begründet, da die erstinstanzlich erfolgte Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts und dessen Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes nicht am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BGB.

    Hierbei handelt es sich um eine zweistufige Prüfung. In einem ersten Schritt ist festzustellen, ob die gemeinsame Sorge aufzuheben ist und in einem zweiten Schritt ist zu klären, ob die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die vollständige oder teilweise Aufhebung der gemeinsamen Sorge ist zum Wohle des Kindes dann geboten, wenn und soweit zwischen den Eltern in den im Rahmen der gemeinsamen Sorgerechtsausübung zu regelnden Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung kein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten hergestellt werden kann (vgl. BGH, FamRZ 2008,592; OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 317; OLG Köln, ZKJ 2011, 472). Eine Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts ist dabei regelmäßig geboten, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes Gegenstand einer anhaltenden elterlichen Auseinandersetzung ist und davon auszugehen ist, dass die Eltern in dieser Frage auch in absehbarer Zukunft nicht zu einer Verständigung in der Lage sein werden (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2014,317). Dann ist unter Berücksichtigung der anerkannten Kriterien des Kindeswohls, also der Erziehungseignung der Eltern und ihrer Fähigkeit zur Förderung des Kindes, der Bindungen und des Willens des Kindes sowie der Kontinuität der Lebens- und Erziehungsverhältnisse des Kindes, darüber zu entscheiden, welchem beider Elternteile das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zu übertragen ist (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1060; FamRZ 2017, 532).

    Vorliegend war bereits die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht indiziert, da die Kindeseltern über T`s gewöhnlichen Aufenthalt - im mütterlichen Haushalt - nicht uneinig sind. Aus dem Umstand, dass der Kindesvater erstinstanzlich zunächst einer Ummeldung des Kindes nicht zugestimmt hatte, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zum einen ist die Ummeldung, die primär öffentlich-rechtlicher (melderechtlicher) Natur ist und kein Präjudiz hinsichtlich sorge- oder umgangsrechtlicher Fragen entfaltet, mit ausdrücklicher Zustimmung des Vaters zwischenzeitlich erfolgt. Zum anderen handelte es sich lediglich um eine Ummeldung des Kindes von der bisherigen Wohnung der Kindesmutter, die sie zum damaligen Zeitpunkt noch gemeinsam mit T und ihren Eltern bewohnte, in ihre neue Wohnung. Eine Anmeldung des Erstwohnsitzes am Wohnsitz des Vaters stand hingegen nicht zur Diskussion. Die Kindeseltern waren zu jedem Zeitpunkt – auch während der Auseinandersetzung über die Ummeldung - darüber einig, dass der gewöhnliche Aufenthalt ihrer Tochter im mütterlichen Haushalt sein soll. Dies hat auch die Kindesmutter so wahrgenommen (vgl. Schriftsatz des Bevollmächtigten der Kindesmutter vom 03.03.2021, Bl. 71 d. A.).

    Zwischen den Eltern ist lediglich die Frage streitig, in welchem (nach übereinstimmender Auffassung der Kindeseltern jedenfalls 50 % nicht übersteigenden) zeitlichen Umfang und zu welchen konkreten Zeiten das gemeinsame Kind durch den Kindesvater betreut werden soll. Während die Kindesmutter eine überwiegende Betreuung in ihrem Haushalt anstrebt, wünscht sich der Kindesvater eine paritätische Betreuung und hat - bis zur Rücknahme seiner diesbezüglichen Anträge in Reaktion auf den Hinweis des Senats vom 01.06.2021 - konkrete Vorstellungen zu Zeiten, Daten etc. zur Entscheidung des Gerichts gestellt.

    Die familiengerichtliche Klärung der jeweiligen Rechtsschutzziele der Kindeseltern kann – ausschließlich – im Wege eines Umgangsverfahrens erfolgen, nicht jedoch in einem sorgerechtlichen Verfahren und insbesondere nicht dergestalt, dass demjenigen Elternteil, der die aus Kindeswohlgesichtspunkten nach Auffassung des erkennenden Gerichts vorzugswürdige Betreuungsregelung anstrebt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird. Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände. Der Regelungsinhalt sorgerechtlicher Entscheidungen nach den §§ 1671 bzw. 1628 BGB beschränkt sich auf die Frage der Rechtszuständigkeit der Eltern für die elterliche Sorge oder Teile davon, nicht geregelt wird hingegen, welchen konkreten Gebrauch dieser Elternteil davon machen soll. Dem gegenüber betrifft die Umgangsregelung die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und schränkt insoweit die Befugnisse des Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen.

    Das Amtsgericht hat der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht hingegen explizit zu dem Zweck übertragen, überwiegende Obhutsanteile der Kindesmutter sicherzustellen und das paritätische Betreuungsmodell des Vaters zu verhindern.

    Der elterliche Streit über die Frage, ob ein Kind im Wechselmodell betreut wird, kann nach der in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Rechtsauffassung im sorgerechtlichen Verfahren geregelt werden.

    Dies überzeugt indes nicht.

    1.

    Ob ein Wechselmodell – ggfs. ausschließlich - im Rahmen einer sorgerechtlichen, einer umgangsrechtlichen oder auf beiden Wegen gerichtlich angeordnet oder verhindert werden kann, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedlich beUrteilt.

    Soweit eine sorgerechtliche Regelung für möglich oder gar zwingend gehalten wird (befürwortend Gottschalk/Heilmann, ZKJ 2017, 181-183; Hammer, FamRZ 2015, 1433), wird dieser Ansatz auf dogmatisch unterschiedliche Arten umgesetzt. Will ein Elternteil einseitig ein bislang praktiziertes Wechselmodell beenden, so haben dies einige Gerichte, wenn sie die Beibehaltung des Wechselmodells favorisierten, durch schlichte Zurückweisung der jeweiligen Anträge der Kindeseltern auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (OLG Naumburg, FamRZ 2014, 1860; OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1714; vgl. auch OLG Frankfurt, FamRZ 2019, 976-979, zitiert nach juris; OLG Brandenburg, FamRZ 2018, 1321-1322, mit zusätzlicher „Feststellung“ der konkreten Betreuungszeiten im Tenor) gelöst. In derselben Ausgangssituation wird hingegen auch vertreten, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Elternteil übertragen werden könne, der das Wechselmodell befürwortet (Spangenberg, FamRZ 2015, 863; neben einer umgangsrechtlichen Regelung auch sorgerechtlich möglich: OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 1120 ff; für eine ausschließlich sorgerechtliche Regelungsmöglichkeit OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 1181-1185), wobei teilweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht alternierend nach § 1671 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 BGB in Verbindung mit der Begründung wechselseitiger Herausgabeansprüche den Kindeseltern im periodischen Wechsel zugewiesen wurde (OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 1120 ff.). Für die hier vorliegende Fallkonstellation der erstmaligen Anordnung des paritätischen Wechselmodells ist von einigen (z.B. OLG Bremen, ZKJ 2019, 25) eine sorgerechtliche Regelung nach § 1671 Abs. 1 BGB für möglich erachtet worden. Zur zusammenfassenden Darstellung des aktuellen Diskussionsstandes wird auf Hammer, FamRZ 2021, 37 f. verwiesen.

    Der BGH hat die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auch gegen den Willen eines Elternteils im Wege einer Umgangsregelung gemäß § 1684 Abs. 3 BGB gebilligt (BGH FamRZ 2017, 532, Rn. 11 ff., fortgeführt in FamRZ 2020, 255-258) und unter anderem ausgeführt, „da das Gesetz auf das Wechselmodell gerichtete – umgangs- und sorgerechtliche - Entscheidungen nicht ausschließt, ist über die Anordnung des Wechselmodells folglich nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden“ (BGH FamRZ 2017, a.a.O., Rn. 24).

    Der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation die erstmalige Anordnung eines Wechselmodells bei ausschließlichem Streit der Eltern über diese Frage nur im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen kann.

    a.

    Die gesetzliche Ausgestaltung des Umgangsrechts ermöglicht unproblematisch die Anordnung einer paritätischen Betreuung auf umgangsrechtlicher Grundlage. Eine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Aus der Systematik des Sorge- und Umgangsrechts folgt keine solche Einschränkung hinsichtlich des Umfangs der Umgangskontakte, insbesondere nicht aus § 1687 BGB, der sich zwar am Residenzmodell orientiert, dieses aber nicht unter Ausschluss anderer Betreuungsmodelle als gesetzliches Leitbild festlegt. Eine Festlegung eines hauptsächlichen Aufenthalts schreibt die gesetzliche Regelung zum Sorgerecht mithin nicht vor (BGH, FamRZ 2017 a.a.O., Rn. 19). Die Gegenauffassung, wonach die gesetzliche Ausgestaltung der Regelungen zu Sorge und Umgang und die Verwendung der beiden Begrifflichkeiten durch den Gesetzgeber den Schluss zulasse, dass dieser mit Umgang eine den Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung gemeint habe, während mit elterlicher Sorge, genauer der Zubilligung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, eine Aufenthaltslösung gemeint sei, die einen überwiegend betreuenden Elternteil schaffe (so aber OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 1181-1185, Rn. 23) findet daher bereits keine zwingende Grundlage im Gesetz.

    Da aber der gesetzlichen Konzeption keine Entscheidung des Gesetzgebers für einen überwiegenden gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes bei einem Elternteil zu entnehmen ist, folgt hieraus denknotwendig, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch den oder die insoweit Sorgeberechtigten sowohl im Sinne eine paritätischen, als auch im Sinne einer überwiegenden Betreuung durch den insoweit sorgeberechtigten Elternteil ausgeübt werden kann. Denn bei der Festlegung eines bestimmten Betreuungsmodells handelt es sich um eine Frage der tatsächlichen Ausübung der elterlichen Sorge, während § 1671 Abs. 1 BGB auf eine Sorgerechtszuweisung zielt (vgl. Gottschalk/Heilmann, aaO: Wahl des Betreuungsmodells als „Frage der Sorgerechtsausübung“; Heilmann/Keuter; Praxiskommentar, 2. Auflage, a. a. O., § 1671 Rn. 24). Dies ist jedoch bei jeglicher Umgangsregelung nicht anders, die ebenfalls in das Aufenthaltsbestimmungsrecht und ggfs. das Umgangsbestimmungsrecht des Sorgeberechtigten eingreift, ohne jedoch elterliche Kompetenzen zu entziehen und auf den anderen Elternteil zu übertragen.

    Der Umfang der gerichtlichen Regelung des Umgangs ist also nur eine quantitative Frage (BGH FamRZ 2017, a.a.O., Rn. 20). Der Gesetzgeber hat ersichtlich bei einer Vermehrung oder Verminderung der Betreuungszeiten um einige Stunden keine unterschiedlichen Einordnungen oder gar einen Wechsel der Verfahrensarten gewollt (OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 948 ff.). Die Grenze eines den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes tangierenden und somit nur noch über einen gerichtlichen Eingriff in das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu lösenden Betreuungsmodells ist daher erst erreicht, wenn hierdurch im Wege einer streitigen Entscheidung mehr als hälftige Betreuungsanteile des nicht aufenthaltsbestimmungsberechtigten Elternteils umgesetzt werden sollen.

    Jede Umgangsregelung unterhalb dieser hälftigen Schwelle tangiert immer auch den Aufenthalt des Kindes und damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern und wirkt sich auf die Ausübung des Sorgerechts aus. Die mit einer Umgangsregelung verbundene Einschränkung in der Ausübung der elterlichen Sorge ist in der gesetzlichen Systematik von Sorge- und Umgangsrecht mithin angelegt (OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 948 ff.). Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht ebenso wie eine gleichlautende Elternvereinbarung mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als eine dementsprechende Sorgerechtsausübung im vorgegebenen Kompetenzrahmen hält.

    Selbst dann, wenn ein Elternteil alleiniger Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist, entfaltet dieser Umstand keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung zum Umgang und zu der Frage, ob ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen ist (BGH FamRZ 2020, a.a.O., Rn. 15). Wenn aber sogar die zuvor erfolgte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil der (späteren) Anordnung der paritätischen Betreuung im Wege einer Umgangsregelung nicht entgegensteht, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht notwendigerweise eine gerichtliche Entscheidung für ein Residenzmodell verbunden ist. Die erstinstanzlich vorgenommene Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann die Vorstellung des Amtsgerichts, hierdurch ein Residenzmodell mit überwiegenden Betreuungsanteilen der Kindesmutter zu sichern, daher bereits nicht tragen. Eine Ermächtigung, über die von ihm im Sorgerechtsstreit zu treffende Entscheidung über eine Aufhebung oder Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts hinaus eine Anordnung über die konkrete Aufteilung der Betreuungsanteile beider Eltern zu treffen und damit verbundene zeitliche Vorgaben für die jeweilige Übergabe des Kindes von einem Elternteil an den anderen zu machen, lässt sich weder dem Wortlaut, noch dem Gesetzeszweck des § 1671 BGB entnehmen (OLG Frankfurt, NZFam 2019, 976 Rn. 25).

    b.

    Einer umgangsrechtlichen Einordnung des Wechselmodells stehen auch nicht die unterschiedliche Systematik des Rechtsmittelrechts im einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 57 FamFG) oder eine grundsätzlich unterschiedliche Eingriffsintensität sorge- und umgangsrechtlicher (Eil-) Anordnungen entgegen.

    Soweit u. a. unter Verweis auf Stimmen in der Literatur (Hennemann: Das Wechselmodell als Umgangsregelung - eine überzeugende Lösung? NJW 2017, 1787 (1788); Coester, Stellungnahme für den Familiengerichtstag zu der Entscheidung des BGH vom 1. 2. 2017, FamRZ 2017, 584 ff.) ausgeführt wird, eine Umgangsregelung bleibe in ihren Auswirkungen (melderechtlich, unterhaltsrechtlich, bezüglich der Berechtigung zum Bezug von Sozialleistungen etc.) regelmäßig weit hinter den Auswirkungen der Bestimmung des Aufenthalts im Ausmaß eines hälftigen Anteils der Lebenszeit des Kindes zurück; letztere dürfe bereits aus diesem Grund nur in Form einer – auch im Falle einer einstweiligen Anordnung nach § 57 S. 2 Ziff. 1 FamFG anfechtbaren - sorgerechtlichen Regelung erfolgen (OLG Frankfurt FamRZ 2020, 1181-1185, Rn. 30-32), verfängt dieses Argument nicht.

    Zum einen sieht das Gesetz die – oft wohl kaum zu objektivierende – Frage der Intensität eines von einer gerichtlichen Entscheidung ausgehenden Eingriffs nicht als Kriterium dafür vor, ob im konkreten Einzelfall eine Qualifizierung als Sorge- oder als Umgangsregelung zu erfolgen hat. Zum anderen ist es keineswegs zwingend, dass eine sorgerechtliche Regelung für die Beteiligten stets einen größeren Eingriff darstellt, als eine Umgangsregelung. So kann beispielsweise im Eilwege nach § 1628 BGB eine einzelne Angelegenheit von eher untergeordneter Bedeutung für die Beteiligten in rechtsmittelfähiger Art und Weise beschieden werden (z.B. Hortbetreuung nur bis 15.00 oder bis 16.00 Uhr), während ein ohne Zweifel äußerst eingriffsintensiver Umgangsausschluss nicht rechtsmittelfähig ist.

    Gleiches gilt für denkbare Abstufungen in den Betreuungsanteilen im Wege einer einstweiligen Anordnung zum Umgang. Eine im Eilverfahren getroffene gerichtliche Umgangsregelung, mittels derer eine Betreuung im Bereich 60% zu 40% geregelt wird, muss sich bei den Beteiligten nicht eingriffsärmer auswirken, als die Anordnung einer paritätischen Betreuung. Die Eingriffsintensität einer gerichtlich implementierten Betreuungsregelung hängt nicht von Nuancen im 10-Prozent-Bereich ab, sondern vom Einzelfall und insbesondere davon, welche Betreuungsanteile zuvor gelebt worden sind. Dass es zur Anfechtbarkeit vergleichsweise eingriffsarmer gerichtlicher Entscheidungen und zur Unanfechtbarkeit vergleichsweise eingriffsintensiver Regelungen kommen kann, ist der gesetzlichen Systematik des § 57 FamFG geschuldet. Eine Korrektur mittels eines künstlichen Wechsels der Verfahrensarten ist hingegen nicht möglich.

    Dem entsprechend hat auch der Bundesgerichtshof mit Blick auf die unterschiedliche Systematik des Rechtsmittelrechts im Falle einer Anordnung eines Wechselmodells im Wege einer Eilentscheidung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen und ergänzend zutreffend darauf verwiesen, dass etwaigen aus einem Wechselmodell resultierenden Schwierigkeiten etwa bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im Wege des § 1628 BGB begegnet werden kann und im Übrigen die sorgerechtlichen Folgen – wie bei allen Umgangsregelungen – aus § 1687 BGB zu entnehmen sind. Ob im Einzelfall die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells erfolgen kann, ist daher nach Lage des jeweiligen Falls und unter Berücksichtigung des für die Regelung des Umgangs gesetzlich vorgesehenen Maßstabs (Kindeswohlprinzip des § 1697 a BGB unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition der Eltern) zu entscheiden (BGH FamRZ 2017, a.a.O., Rn. 19).

    c.

    Auch der allgemeine Sprachgebrauch und damit das Verständnis außerhalb der juristischen Fachwelt trägt eher den Ansatz einer umgangsrechtlichen Verortung der paritätischen Betreuung (a. A. OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 1181-1185, a.a.O., Rn. 24).

    Grundsätzlich wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Verständnis der Verfahrensbeteiligten die Verteilung der Betreuungszeiten zwischen den Eltern erst einmal als Frage des Umgangs gesehen (OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 948 ff.). Eine derartige Wahrnehmung trifft ersichtlich auch auf die Kindeseltern zu. Diese haben sowohl bei Abschluss der gerichtlichen Zwischenvereinbarung vom 24.08.2020, als auch – der Kindesvater – im Rahmen seiner zwischenzeitlich nicht mehr aufrechterhaltenen Anträge deutlich gemacht, dass bei ihnen das Bedürfnis für eine gerichtliche Festlegung der konkreten elterlichen Betreuungsanteile nebst Regelung von Daten, Uhrzeiten etc. besteht. Die erstinstanzlich erfolgte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter löst nicht nur den dahingehenden Dissens nicht, sondern trägt auch dem sprachlichen und tatsächlichen Verständnis der Beteiligten hiervon nicht im Ansatz Rechnung.

    d.

    Eine sorgerechtliche Verortung des Wechselmodells würde zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Sorgerecht des anderen Elternteils führen, weil diese Regelung deutlich über die allein streitige Frage der Häufigkeit der Umgangskontakte hinausgehen würde.

    Die mit der sorgerechtlichen Entscheidung geschaffene rechtliche Befugnis geht in beiden Fällen (Sicherung des Residenzmodells oder eines Wechselmodells mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts) weit über das hinaus, was das Gericht als Regelungsinhalt vor Augen hatte. Selbst wenn eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Intention erfolgen würde, ein Wechselmodell zu implementieren oder dessen Fortführung zu sichern, würde dies den hiervon begünstigten Elternteil in die Lage versetzen, nicht nur ein Betreuungsmodell in Form einer überwiegenden Betreuung durch sich selbst durchzusetzen, sondern zum Beispiel ohne das Erfordernis eines Einverständnisses des anderen Elternteils umzuziehen, bis hin zu einem Umzug ins Ausland mit einem damit verbundenen faktischen Beziehungsabbruch zum Umgangselternteil. Diese Konsequenz ist weder mit dem Kindeswohl (§ 1697 a BGB), noch mit dem verfassungsrechtlich garantierten Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils aus Art. 6 GG zu vereinbaren. Es entsteht ein erhebliches Machtgefälle der gleichrangig betreuenden Eltern mit der Folge, dass der/die Aufenthaltsbestimmungsberechtigte jederzeit den Aufenthalt des Kindes anderweitig bestimmen und das Wechselmodell beenden kann (Hammer, Die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells, FamRZ 2015, 1433 ff.).

    Auch in der umgekehrten Konstellation, in der das Aufenthaltsbestimmungsrecht – wie vorliegend in erster Instanz - zum Zwecke der Forcierung des Residenzmodells auf einen Elternteil übertragen wurde, ergeben sich mit Kindeswohlerwägungen nicht mehr vereinbare Ergebnisse. Die zu erwartenden Auswirkungen eines (vom Tenor einer sorgerechtlichen Entscheidung durchaus gedeckten) abredewidrigen Wegzugs des aufenthaltsbestimmungsberechtigten Elternteils werden in diesen Fällen besonders gravierend sein. Denn in der Regel wird ein Wechselmodell in der Praxis von solchen Elternteilen angestrebt, die – wie vorliegend der Kindesvater - zuvor ohnehin schon weite Betreuungszeiten abgedeckt haben mit der Folge, dass in der Regel eine intensive und schützenswerte Eltern-Kind-Bindung besteht.

    Zudem müsste der umgangsberechtigte Elternteil, wenn er/sie zu einem späteren Zeitpunkt einen Umzug des Kindes zum Beispiel ins Ausland verhindern möchte, einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stellen und sich hierbei am wesentlich strengeren Maßstab des § 1696 BGB messen lassen. Letzterer käme auch zum Tragen, wenn ein umgangsberechtigter Elternteil durch eine implizite Festlegung des Umgangsmodells schon im Rahmen der Sorgerechtsentscheidung erstmalig eine vollstreckbare Umgangsregelung erwirken möchte, ihm jedoch diese Möglichkeit bei fehlenden Abänderungsgründen abgeschnitten werden könnte (BGH FamRZ 2020, aaO, Rn. 16).

    Letztlich führt es zu untragbaren Ergebnissen, dass im Falle einer sorgerechtlichen Herangehensweise jeder Elternteil, der paritätische Betreuungsanteile erreichen will, Gefahr liefe, als Folge seines Begehrens einen massiven Eingriff in sein Elternrecht aus Art 6 GG in Form des Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinnehmen zu müssen.

    e.

    Für eine umgangsrechtliche Regelung sprechen zudem effizientere Durchsetzungsmöglichkeiten (OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 948 ff). Während es einer sorgerechtlichen Regelung denknotwendig nicht nur bereits an dem seitens des Gerichts avisierten Regelungsinhalt (siehe oben unter 1; paritätische Betreuung oder Residenzmodell), im Tenor fehlt, ist eine umgangsrechtliche Anordnung gemäß der §§ 86 Abs. 1 Nr. 1 88 ff. FamFG unmittelbar vollstreckbar. Die gerichtliche Erwartung, dass der „obsiegende“ Elternteil sein Aufenthaltsbestimmungsrecht im Sinne eines Wechselmodells – oder eines Residenzmodells - nutzt, kann nur in den Gründe:n ausgesprochen werden. Sie gelangt nicht in den Entscheidungstenor und ist nicht durchsetzbar (Wache in NZFam 2021, 514, Anm. zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.02.2021, 6 UF 172/20, zitiert nach juris).

    Die von der Gegenauffassung (OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 1181-1185) aufgezeigte vollstreckungsrechtliche Problematik, dass sich im Falle eines umgangsrechtlich angeordneten Wechselmodells zwei „nur“ umgangsberechtigte Elternteile gegenüber stehen, die sich – weil eine Umgangsregelung gegen den Willen des umgangsunwilligen Elternteiles nicht vollstreckt werden kann (BVerfG, Urteil vom 01. April 2008 - 1 BvR 1620/04 -, BVerfGE 121, 69-108) - weigern könnten, das Kind zu übernehmen, dürfte rein theoretischer Natur sein. Es ist davon auszugehen, dass weder derjenige Elternteil, der eine paritätische Betreuung anstrebt, noch der andere Elternteil, der in seinem Haushalt ein Residenzmodell errichten möchte, sich weigern wird, das Kind vom anderen Elternteil zu übernehmen.

    f.

    Auch ermöglicht eine umgangsrechtliche Verortung ein amtswegiges Tätigwerden, während eine sorgerechtlichen Regelung nur auf Antrag bzw. erst dann von Amts wegen getroffen werden kann, wenn eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB festgestellt werden kann.

    g.

    Soweit schließlich vertreten wird, dass eine alternierende Zuweisung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1671 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 BGB in Verbindung mit der Begründung wechselseitiger Herausgabeansprüche nach § 1632 Abs. 1 BGB erfolgen könne (favorisiert von OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 1120 ff; Hammer, Die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells, FamRZ 2015, 1433; Staudinger/Dürbeck, (2019) BGB, § 1684 Rn. 260 f. m.w.N.) kam dies bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Kindesvater seinerseits keinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt hat. Ein dahingehender rechtlicher Hinweis des Senats war auch nicht erforderlich, weil einer solchen Aufteilung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile in Form einer sich fortlaufend abwechselnden Alleinsorge nach den periodischen Zeitabschnitten eines Wechselmodells rechtssystematische Gründe:entgegenstehen. Denn § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB macht die gerichtliche Sorgerechtsregelung davon abhängig, dass die Übertragung der elterlichen Sorge (ganz oder teilweise) auf den antragstellenden Elternteil allein beantragt wird. Die beantragte Anordnung eines fortlaufend periodischen Wechsels des Alleinsorgerechts zwischen den Eltern erfüllt diese Voraussetzung nicht und ist selbst bei elterlicher Einigkeit bzw. sich inhaltlich entsprechenden Antrag und Widerantrag mit der Systematik der in §§ 1671, 1687 BGB verankerten Wertungen strukturell nicht vereinbar (Lack in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Auflage, Rn. 19, 19a m.w.N.). Auch hat eine sorgerechtliche Begründung durch Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an beide Elternteile im wiederkehrenden Wechsel verbunden mit wechselseitigen Herausgabepflichten den Nachteil, dass - anders als bei der Übergabe des Kindes - die Entgegennahme des Kindes zum Zwecke der Betreuung durch einen wechselmodellunwilligen Elternteil weder erzwungen, noch durch Zwangs- oder Ordnungsmittel vollstreckt werden kann (Marchlewski, Das Wechselmodell im Kindschaftsrecht (2018), 193 ff.).

    Nach all dem kommt vorliegend lediglich eine umgangsrechtliche Klärung der elterlichen Betreuungsanteile in Betracht.

    2.

    Die gemeinsame elterliche Sorge ist bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts auch nicht aus anderen Gründe:n aufzuheben. Es sind im Verfahren keine Gesichtspunkte vorgetragen bzw. ersichtlich geworden, die aus Gründe:n des Kindeswohls ein Aufheben der gemeinsamen Sorge erfordern.

    III.

    Da das Verfahren ausdrücklich als sorgerechtliches Verfahren eingeleitet wurde, ist es dem Senat nicht möglich, in der Beschwerdeinstanz eine umgangsrechtliche Regelung der Betreuungszeiten zu treffen. Beim Sorgerecht und dem Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um unterschiedliche Verfahrens- und somit auch um unterschiedliche Beschwerdegegenstände (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 948 ff.). Eine Ermächtigung des Beschwerdegerichts, über die von ihm im Sorgerechtsstreit zu treffende Entscheidung über eine Aufhebung oder Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge hinaus eine Anordnung über die konkrete Aufteilung der Betreuungsanteile beider Eltern zu treffen und damit verbunden, zeitliche Vorgaben für die jeweilige Übergabe des Kindes von einem Elternteil an den anderen zu machen, lässt sich weder dem Wortlaut, noch dem Gesetzeszweck des § 1671 BGB entnehmen. Für die Annahme einer entsprechenden, mit dem Wortlaut des §§ 1671 BGB nicht zu vereinbarenden Anordnungsbefugnis des Gerichts der ersten oder zweiten Instanz im Sorgerechtsstreit besteht zudem auch keine Notwendigkeit, weil § 1684 BGB das Gericht des ersten Rechtszugs zum Erlass entsprechender Anordnungen im Rahmen einer gerichtlichen Regelung des Umgangs ermächtigt. Dem Erlass einer gerichtlichen Umgangsregelung durch das mit einer Beschwerde gegen eine sorgerechtliche Entscheidung befasste Beschwerdegericht steht die funktionale Zuständigkeit des Amtsgerichts als Familiengericht entgegen. Das Beschwerdegericht als Gericht des zweiten Rechtszuges ist - anders als das Amtsgericht - nicht befugt, von Amts wegen ein Umgangsverfahren einzuleiten. Seine Entscheidungsbefugnis ist auf den Gegenstand der Beschwerde beschränkt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.12.2018, Az. 4 UF 167/18, zitiert nach juris). Eine Vermischung der beiden Verfahrensgegenstände hätte zudem zur Folge, dass den antragstellenden Beteiligten eine Instanz genommen wird. Zudem bestünde die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, wenn – wie im vorliegenden Fall - ein erstinstanzliches Umgangsverfahren zwischen den beteiligten Kindeseltern bereits anhängig ist.

    Folglich ist die Klärung der Streitfrage, ob die Kindeseltern künftig ein Residenzmodell mit Schwerpunkt bei der Mutter leben oder T paritätisch betreuen wollen, im derzeit in erster Instanz anhängigen Umgangsverfahren klären. Im vorliegenden Verfahren war hingegen auf die Beschwerde des Kindesvaters die gemeinsame elterliche Sorge bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts wiederherzustellen.

    IV.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Von der Erhebung von Gerichtskosten war aufgrund der uneinheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung abzusehen. Zudem entsprach es der Billigkeit, von der Erstattung außergerichtlicher Auslagen abzusehen.

    Der Beschwerdewert war auf der Grundlage der §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festzusetzen.

    Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG.

    Rechtsmittelbelehrung: …

    Dr. Fritz Kummer-Sicks Sandmüller

    Anmerkung: Rechtsbeschwerde wurde eingelegt und ist beim BGH unter dem AZ XII ZB 87/22 eingetragen.