OLG Frankfurt vom 14.05.1999 (3 UF 46/99)

Stichworte: Ehewohnung, Zuweisung, unbillige Härte, Eigentum an der Ehewohnung, Räumungsanordnung
Normenkette: HausrVO 1, 2, 3, 15
Orientierungssatz: Eine unbillige Härte i. S. des § 3 HausrVO liegt indessen nur vor, wenn die Zuweisung an den Ehegatten, der Alleineigentümer der Wohnung ist, für den anderen Ehegatten eine ungewöhnlich schwere Beeinträchtigung bedeutet ( vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 171; 1978, 604, 605; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 1978, 53; OLG Köln FamRZ 1992, 322 = NJW-RR 1992, 1155, 1156; OLG München FamRZ 1995, 1205 ).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellersgegen die Regelung der Rechte an der Ehewohnung in dem Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Usingen vom 27. 1. 1999 am 14.5.1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird das Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Usingen vom 27. 1. 1999 im Ausspruch zur Wohnungszuweisung abgeändert.

Die Ehewohnung im Hause x. in B. wird dem Antragsteller zugewiesen.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wohnung und das Grundstück bis zum 30. 9. 1999 zu räumen und an den Antragsteller herauszugeben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben ( § 93a ZPO ).

Beschwerdewert: ( 1.800 x 12 = ) 21.600 DM.

G r ü n d e :

Der am 6. 12. 1954 geborene Antragsteller und die am 20. 6. 1955 geborene Antragsgegnerin haben am 16. 11. 1974 die Ehe geschlossen, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, nämlich die bereits volljährige Tochter M., der am 17. 12. 1985 geborene C. und die am 11. 8. 1991 geborene F.. Im Zuge einer Erbauseinandersetzung erwarb der Antragsteller 1983 das Haus in B. zu Alleineigentum, das die Familie fortan bewohnte und dessen Einliegerwohnung von 73 qm bis Herbst 1998 vermietet war.

Auf seinen Antrag vom 31. 3. 1995 hat der Antragsteller mit dem angefochtenen Verbundurteil die Scheidung erwirkt. Einvernehmen besteht zwischen den Parteien darüber, daß die Antragsgegnerin das Sorgerecht für die beiden minderjährigen Kinder erhalten soll. Streit herrscht über den Zugewinnausgleich, den das Amtsgericht abgetrennt hat, und die Ehewohnung.

Deren Alleinzuweisung hatte der Antragsteller bereits unter dem 12. 9. 1995 beantragt. Dem ist die Antragsgegnerin unter dem 13. 11. 1998 mit einem eigenen Antrag entgegengetreten. An einer in einer Besprechung vom 9. 3. 1998 angeblich erzielten Einigung darüber, daß der Antragsteller das Haus verkaufen und sie ausziehen werde, will sie sich nicht festhalten lassen.

Das Amtsgericht hat die Ehewohnung der Antragsgegnerin ohne zeitliche Begrenzung zugewiesen und eine unbillige Härte deswegen angenommen, weil diese sonst bei einem Einkommen von 1.800 DM Miete zahlen müsse. Der Antragsteller könne seinerseits die freigewordene Einliegewohnung beziehen. Von der Festsetzung einer Nutzungsentschädigung hat es abgesehen, zumal der Antragsteller keinen Unterhalt zahle. Auf das Urteil wird im übrigen Bezug genommen.

Gegen die ihm am 2. 2. 1999 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 18. 2. 1999 Berufungsbeschwerde eingelegt, die er am 2. 3. 1999 begründet hat. Er sieht auf Seiten der Antragsgegnerin keine unbillige Härte und will ihr 60 Tage Räumungsfrist ab rechtskräftiger Entscheidung einräumen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil, weil sie nicht die geringste Chance sehe, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung für sich und die Kinder zu finden, zumal der Antragsteller keinen Zugewinnausgleich zahlen wolle.

Das gem. §§ 629a, 621e ZPO an sich statthafte Rechtsmittel wahrt alle Form- und Fristerfordernisse und ist damit zulässig. Es hat auch in der Sache Erfolg.

Einer gerichtlichen Regelung gem. § 1 I HausRVO steht eine Einigung der Parteien über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung ab Scheidung nicht entgegen. Insbesondere ist eine solche nicht im März 1998 zustandegekommen, weil es sich seinerzeit nur um eine nicht konkretisierte Absichtsbekundung gehandelt hat. Keinesfalls hat die Antragsgegnerin ihre Nutzungsrechte an der Ehewohnung bereits verbindlich und endgültig aufgegeben.

Zutreffend ist das Amtsgericht alsdann davon ausgegangen, daß die Zuweisung einer im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Ehewohnung an den anderen nur zulässig ist, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden ( § 3 I HausrVO ). Eine unbillige Härte i. S. des § 3 HausrVO liegt indessen nur vor, wenn die Zuweisung an den Ehegatten, der Alleineigentümer der Wohnung ist, für den anderen Ehegatten eine ungewöhnlich schwere Beeinträchtigung bedeutet ( vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 171; 1978, 604, 605; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 1978, 53; OLG Köln FamRZ 1992, 322 = NJW-RR 1992, 1155, 1156; OLG München FamRZ 1995, 1205 ). Für eine solche reichen weder umzugsbedingte Unbequemlichkeiten noch etwa schlechtere Unterbringung in einer neuen Wohnung wegen fehlender oder nur notdürftiger Unterhaltszahlungen aus ( vgl. OLG München a.a.O. ). Der dem Richter in § 2 HausrVO eingeräumte Ermessensspielraum besteht hier nicht (Johannsen/Henrich/Voelskow, Eherecht, 2. Aufl., § 3 HausrVO Rz. 3 und amtliche Begründung in DJ 1944, 278, 279). § 3 HausrVO trägt mithin Ausnahmecharakter (OLG Stuttgart, OLGZ 1968, 126, 128).

Daß in diesem Sinne eine unbillige Härte für die Antragsgegnerin gegeben wäre, hat das Amtsgericht zu Unrecht angenommen. Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob eine Korrektur der angefochtenen Entscheidung jedenfalls deswegen erforderlich erschiene, weil weder die Zuweisungsdauer unter Festsetzung eines Nutzungsentgelts (BayObLG FamRZ 1974, 22, 24) noch die Begründung eines zeitlich etwa auf die Dauer der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder begrenzten Mietverhältnisses (vgl. BayObLG FamRZ 1965, 513 und Johannsen/Henrich, a.a.O., § 3 HausrVO Rz. 8) geregelt sind.

Zwar ist der Antragsteller auf die Nutzung der Ehewohnung nicht persönlich angewiesen. Indessen ist bei den beiderseitigen Verhältnissen der Parteien mit einer wirtschaftlich sinnvollen güterrechtlichen Auseinandersetzung nur zu rechnen, wenn der Antragsteller in die Lage versetzt wird, das Objekt alsbald zu veräußern. Dies ist im Falle der Teilnutzung durch die Antragsgegnerin erfahrungsgemäß ausgeschlossen oder jedenfalls unzumutbar erschwert.

Daß die Antragsgegnerin nach ihrer Darstellung für sich und die Kinder keine Ersatzwohnung finden können will, ist in Anbetracht der entspannten Wohnungsmarktlage nicht nachvollziehbar. Sie trägt auch nicht etwa vor, vergebliche Versuche hierfür unternommen zu haben. Ihre gegenwärtige Einkommenssituation ist zudem subsidiär. Denn die Zuweisung der Ehewohnung soll nicht zu einer Art Naturalunterhalt führen, der die Unterhaltslücke schließt (BayObLG, FamRZ 1965, 513 ff.; Erman/ Dieckmann, BGB, 9. Aufl., § 3 HausrVO Rz. 3). Daß sie sich mit dem Antragsteller auf die Verrechnung der nach langer Trennungszeit nicht unangemessen hohen Nutzungsentschädigung mit Kindesunterhalt geeinigt hat, läßt zudem erwarten, daß der Antragsteller unverzüglich nach Auszug der Antragsgegnerin mit der Zahlung von Kindesunterhalt beginnen wird.

Die wirtschaftliche Lage der Antragsgegnerin ist auch um deswillen besser als in dem angefochtenen Urteil zugrundegelegt, weil sie noch über Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verfügt. Ob daneben noch ein Aufstockungsunterhalt in Betracht kommt, muß dahinstehen. Die Antragsgegnerin kann ggfls. Wohngeld oder andere Sozialleistungen in Anspruch nehmen, wenn ihre Mittel auch noch nach Abschluß der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht ausreichen sollten.

Letztendlich beklagt die Antragsgegnerin die ungünstige Lage der Ehewohnung. Dies wird sie bei Wahl ihrer neuen Wohnung korrigieren können.

Die Räumungsanordnung und die Festsetzung der Räumungsfrist mit dem 30. 9. 1999 beruhen auf §§ 2, 15 HausrVO und orientieren sich am Beschwerdeantrag. Die Antragsgegnerin sollte aber zusehen, den Umzug bis zum Ende der hessischen Schulferien bewerkstelligt zu haben.

Amthor Diehl Remlinger