OLG Frankfurt vom 04.04.2012 (3 UF 423/11)

Stichworte: Versorgungsausgleich, Anpassung, Unterhalt, Selbstbehalt, Tenor dynamisch; Anpassung Versorgungsausgleich; Unterhalt Versorgungsausgleich; Tenor dynamisch;
Normenkette: VersAusglG 33
Orientierungssatz:
  • Die Aussetzung der Kürzung gemäß § 33 VersAusglG erfolgt auch dann, wenn nach Kürzung und Unterhaltszahlung der eheangemessene Selbstbehalt des Verpflichteten nicht unterschritten wird.
  • Zur Ermittlung des Anpassungsbetrages kann der Tenor "dynamisch" gefasst werden (Entgeltpunkte x aktueller Rentenwert x persönlicher Zugangsfaktor), wenn der Unterhaltsanspruch als Höchstbetrag gemäß § 33 Abs. 3 VersAusglG mit aufgenommen wird.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers vom 07. 10. 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - U vom 26. 08. 2011 am 04. 04. 2012 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

    Die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengerichts - U vom 20. 11. 2007, Az. 4 F 186/03 S, wird hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich dahingehend angepasst, dass die Kürzung des Anrechts des (jetzigen) Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Versicherungsnummer 52 080547 J 009, ab dem 01. 10. 2010 in Höhe von 8,1717 Entgeltpunkten, multipliziert mit dem jeweiligen aktuellen Rentenwert und mit dem Zugangsfaktor 0,928, höchstens jedoch in Höhe von 650,- Euro, ausgesetzt wird. Dies entspricht für die Zeit vom 01. 10. 2010 bis zum 30. 06. 2011 monatlich 206, 27 Euro, ab dem 01. 07. 2011 bis zur nächsten Änderung des aktuellen Rentenwerts monatlich 208,31 Euro.

    Von der Erhebung der Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Kosten hat jeder der Beteiligten selbst zu tragen.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.537,40 Euro festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    Mit rechtskräftigem Urteil vom 20. 11. 2007 hat das Amtsgericht U die am 27. 07. 1979 geschlossene Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden unter Einbeziehung der betrieblichen Anwartschaften des Antragstellers auf Altersversorgung Versorgungsanrechte in Höhe von 163,72 Euro und 47,60 Euro auf das Versicherungskonto der Beteiligten zu 2 übertragen.
    BR Mit Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Antragsteller, an die Beteiligte zu 2 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 650,- Euro zu zahlen.
    BR Im Rahmen eines vom Antragsteller eingeleiteten Abänderungsverfahrens schlossen die Beteiligten zu 1 und 2 am 04. 11. 2009 einen Vergleich (Az. 4 F 189/09 Amtsgericht U), nach dem der Antragsteller an die Beteiligte zu 2 den mit Vereinbarung vom 20. 11. 2007 vereinbarten Unterhalt bis zum Renteneintritt der Beteiligten zu 2 weiter zahlt. Außerdem heißt es in Ziff. 2 des Vergleichs:
    BR " Die Parteien sind weiterhin darüber einig, dass der titulierte nacheheliche Unterhalt gemäß der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 20. 11. 2007 für beide Parteien bis zum Eintritt der Beklagten in die Regelaltersgrenze unabänderbar ist bzw. des Erhaltes der Altersrente oder des Altersruhegeldes."

    Seit dem 01. 06. 2010 erhält der Antragsteller von der Beteiligten zu 3 eine vorgezogene Altersrente in Höhe von 1.459,27 Euro brutto, seit dem 01. 07. 2011 in Höhe von 1. 473,76 Euro brutto, wobei die Abzüge durch den Versorgungsausgleich bereits berücksichtigt sind. Ohne diese Abzüge beliefe sich die Bruttorente auf 1.665,54 Euro bzw. 1.682,07 Euro. Außerdem erhält er noch Betriebsrenten, sodass ihm nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung, der Einkommenssteuer und des Ausgleichs an die Beteiligte zu 2 wegen des begrenzten Realsplittings rd. 2.400,- Euro verbleiben.
    BR Er ist wieder verheiratet und hat aus dieser Ehe einen am 09. 07. 2009 geborenen Sohn.
    BR Die Beteiligte zu 2 bezieht wegen Erwerbsunfähigkeit eine Pension nach beamtenrechtlichen Grundsätzen und hat Kapitaleinkünfte; Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält sie noch nicht.
    BR Mit Antrag vom 17. 09. 2010 begehrte der Antragsteller die Aussetzung der Kürzung seiner Rente bis zur Verrentung der Beteiligten zu 2, da er ihr weiterhin den vereinbarten Unterhalt zahle.

    Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da der Antragsteller trotz der Verringerung seiner Einkünfte für den Unterhalt leistungsfähig sei, ohne dass sein eheangemessener Selbstbehalt in Höhe von 975,- Euro erreicht werde. Es fehle daher an der Kausalität der Rentenkürzung durch den Versorgungsausgleich für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch.

    Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
    BR Er trägt vor, dass er außer der Beteiligten zu 2 seinem minderjährigen Sohn sowie seiner jetzigen Ehefrau, die Erwerbsminderungsrente beziehe, zum Unterhalt verpflichtet sei. Selbst ohne Berücksichtigung seiner jetzigen Ehefrau ergebe sich für die Beteiligte zu 2 rechnerisch lediglich ein Unterhaltsanspruch von rd. 200,- Euro.

    Die Beteiligte zu 2 hat sich der Begründung angeschlossen, die Beteiligte zu 3 hat im Beschwerdeverfahren Auskünfte erteilt, sich aber sonst nicht geäußert.

    Die gemäß §§ 58, 59, 63, 228 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

    Die Voraussetzungen für eine Anpassung der Versorgungsausgleichsentscheidung gem. § 33 VersAusglG liegen vor.
    BR Die Beteiligte zu 2 bezieht noch keine Altersrente und die Kürzung des Anrechts des Beteiligten zu 1 aufgrund des Versorgungsausgleichs übersteigt sowohl als Rechenwert 2 % der monatlichen Bezugsgröße als auch als Kapitalwert 240 % der monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV (in den Jahren 2010 und 2011 den Betrag von monatlich 51,10 Euro bzw. Kapitalbetrag von 6.132,- Euro), § 33 Abs. 2 VersAusglG.
    BR Der Beteiligte zu 1 ist aufgrund des am 04. 11. 2009 geschlossenen Vergleichs verpflichtet, der Beteiligten zu 2 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 650,- Euro zu zahlen.
    BR Maßgebend ist damit grundsätzlich, ob der Beteiligte zu 1 ohne die Rentenkürzung verpflichtet wäre, zumindest Unterhalt in der titulierten Höhe zu zahlen und falls nicht, ob er aufgrund des Rentenbezuges eine Abänderung der Vereinbarung zu seinen Gunsten erlangen könnte.
    BR Im vorliegenden Fall ist aber eine derartige Überprüfung nicht vorzunehmen, da der Vergleich für beide (frühere) Eheleute bis zum Renteneintritt der Beteiligten zu 2 unabänderbar ist. Der Beteiligte zu 1 hat damit keine Möglichkeit, die Unterhaltsverpflichtung zu reduzieren. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Vergleich um einen Titel handeln könnte, der nicht den gesetzlich geschuldeten Unterhalt konkretisiert. Die Beteiligten haben sich sowohl im Scheidungs- als auch im Abänderungsverfahren intensiv über die Höhe des Unterhalts auseinandergesetzt (vgl. auch OLG Hamm, 5 UF 20/10, FamRZ 2011, 815 ff).
    BR Bereits eine überschlägige Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Beteiligten zu 2 nach dem Renteneintritt des Beteiligten zu 1 zeigt, dass ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 650,- Euro nicht mehr gegeben wäre.
    BR Dem Beteiligten zu 1 verbleiben unter Berücksichtigung des Unterhalts für sein minderjähriges Kind rd. 2.127,- Euro; die Beteiligte zu 2 verfügt - unter Einbeziehung eines im Vergleich festgelegten fiktiven Einkommens von 200,- Euro - über rd. 1.713,- Euro. Hieraus würde sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 207,- Euro errechnen.

    Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann es auch nicht darauf ankommen, ob dem Verpflichteten noch der eheangemessene Selbstbehalt verbleibt. Der Gesetzgeber hat bei Einführung von § 33 VersAusglG dem möglichen Missbrauch von Unterhaltsansprüchen bei gleichzeitigem Rentenbezug begegnen wollen, ohne den Anwendungsbereich der aus § 5 VAHRG übernommenen Anpassungsregelung weiter einzuschränken (OLG Frankfurt, Az. 2 UF 317/10, m.w.N., FamRZ 2011, 2741 ff; OLG Karlsruhe, 2 UF 227/10, zitiert nach juris).
    BR Würde man nur die generelle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten als Maßstab nehmen, könnte es - wie im vorliegenden Fall - dazu kommen, dass die Berechtigte unter Berücksichtigung des (unabänderbaren) Unterhalts ein deutlich höheres Einkommen hat als der Verpflichtete. Dies wäre weder mit Sinn und Zweck des § 33 VersAusglG noch mit dem Unterhaltsrecht vereinbar.

    Gem. § 33 Abs. 3 VersAusglG ist die Aussetzung der Höhe nach begrenzt auf die Differenz zwischen der ungekürzten und der gekürzten Bruttorente.
    BR Diese Differenz beträgt ab dem 01. 06. 2010 206,27 Euro (8,1717 x 27,20 x 0,928) und ab dem 01. 07. 2011 208,31 Euro (8,1717 x 27,47 x 0,928). Sie ändert sich immer dann, wenn sich der aktuelle Rentenwert ändert, da sich der Kürzungsbetrag aus der Multiplikation von übertragenen Entgeltpunkten, dem aktuellen Rentenwert und dem persönlichen Zugangsfaktor errechnet.
    BR Nach Auffassung des Senats ist es daher sachgerecht, den Tenor ebenfalls "dynamisch" zu formulieren, um den Anpassungsbetrag in der jeweils korrekten Höhe zu ermitteln. Die Bedenken, die seitens des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit einer "dynamischen" Tenorierung beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich geäußert wurden (BGH, Az. XII ZB 177/04, FamRZ 2007, 2055 ff), greifen nicht ein, da der Titel genügend bestimmt ist.
    BR Sowohl die Entgeltpunkte als auch der persönliche Zugangsfaktor stehen fest; der aktuelle Rentenwert ist eine allgemein zugängliche normative Grundlage (BGH a.a.O.), sodass es für die Rentenversicherung zumutbar und möglich ist, den auszusetzenden Betrag zu errechnen. Der Höchstbetrag der Aussetzung ergibt sich aus dem titulierten Unterhaltsbetrag (§ 33 Abs. 3 VersAusglG).

    Die Anpassung wirkt ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt (§ 34 Abs. 3 VersAusglG), dies ist hier der 01. 10. 2010.

    Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 81 FamFG, 20 FamGKG.

    Der Beschwerdewert wurde gem. § 50 Abs. 1 FamGKG festgesetzt (2.716,- + 1.513,- = 4.229,- x 3 = 12.687,- x 20% = 2.537,40).

    Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, § 70 Abs. 2 FamFG. Die Frage, ob die Aussetzung der Kürzung ausscheidet, wenn ein Unterhaltsanspruch auch nach Kürzung der Rente noch erfüllt werden kann, hat grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch für die Frage, ob der Tenor "dynamisch" gefasst werden kann.
    BR

    Menz Reitzmann Knauth