OLG Frankfurt vom 11.05.1999 (3 UF 395/98)

Stichworte: Abtrennung, Anhörung, Scheidungsverbund
Normenkette: ZPO 628, 613
Orientierungssatz: § 628 Abs. 1 Ziff. 4 trägt die Abtrennung der Folgesache hier nicht. Zum Zeitpunkt der Abtrennung durch das Familiengericht im November 1998 hat noch keine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne des § 628 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO vorgelegen. Als gewöhnliche Dauer eines Verbundverfahrens wird in der Rechtsprechung ein Zeitraum von ca. 2 Jahren angesehen (vgl. BGH FamRZ 86, 898; OLG Frankfurt Urteil vom 21.5.1996 - 3 UF 37/96); .... Nur ausnahmsweise kann ...(von einer Anhörung der Parteien) abgesehen werden, z.B. dann, wenn der Aufenthalt einer der Parteien unbekannt ist (vgl. BGH FamRZ 94, 434; Zöller ZPO 21. Aufl. § 613 Rdnr. 3 und 4).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Friedberg vom 17.11.1998 durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Amthor, Richter am Oberlandesgericht Ostermöller und Richter am Oberlandesgericht Kirschbaum aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.05.1999 für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg zurückverwiesen.

Der Berufungswert wird auf 25.000,-- DM festgesetzt.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verzichtet.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Berufung der Antragsgegnerin muß zur Aufhebung des Verbundurteils und zur Zurückverweisung der Sache führen. Die Antragsgegnerin rügt mit Recht, daß das Amtsgericht unter Verletzung der §§ 623, 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Entscheidungsverbund aufgelöst und die Ehe ohne abschließende Entscheidung in der Folgesache Versorgungsausgleich geschieden hat. Dieser Verfahrensmangel hat zur Folge, daß nach § 539 ZPO das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist, damit im Verbund entschieden wird.

Zur Recht rügt die Antragsgegnerin auch, daß das Amtsgericht unter Verletzung von § 613 ZPO entschieden hat. Auch dieser Mangel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung.

Die Parteien, die am 21.5.1976 die Ehe geschlossen hatten, leben nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers seit dem 15.1.1997 getrennt (vgl. die Angaben des Antragstellers in seiner Anhörung vom 17.11.1998 - Bl. 24 ff. d.A.). Der Scheidungsantrag des Antragstellers vom 13.11.1997 war der Antragsgegnerin am 21.11.1997 zugestellt worden, also noch vor Ablauf einer einjährigen Trennung. In der Folgezeit ergaben sich hinsichtlich der Ermittlung der von der Antragsgegnerin in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften Rückfragen. Mit Beschluß des Familiengerichts vom 29.5.1998 wurde die Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung verpflichtet. Zwischenzeitlich hat sie die Auskünfte erteilt; die zuständige LVA Hessen hat jedoch noch Rückfragen (vgl. die Anfrage der LVA vom 2.11.1998 Bl. 44 VA-Heft).

Das Familiengericht hat lediglich eine mündliche Verhandlung im vorliegenden Verfahren durchgeführt, und zwar am 17.11.1998. Am Schluß dieser Verhandlung, bei der die Antragsgegnerin nicht zugegen war, wurde das angefochtene Urteil verkündet.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Antragsgegnerin gegen den Ausspruch der Ehescheidung vor Erledigung der Verbundsache Versorgungsausgleich, sie wendet sich auch gegen eine Scheidung bevor sie vom Familiengericht angehört worden sei.

Grundsätzlich ist gem. § 629 Abs. 1 ZPO gleichzeitig über den Scheidungsausspruch und jedenfalls alle Folgesachen, über die von Amts wegen zu befinden ist, zu entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. OLG Frankfurt Urteil vom 21.5.1996 - 3 UF 37/96, OLG Frankfurt Urteil vom 17.6.1997 - 3 UF 162/96). Eine Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich wäre also nur im Rahmen des § 628 ZPO zulässig gewesen.

§ 628 Abs. 1 Ziff. 4 trägt die Abtrennung der Folgesache hier nicht. Zum Zeitpunkt der Abtrennung durch das Familiengericht im November 1998 hat noch keine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne des § 628 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO vorgelegen. Als gewöhnliche Dauer eines Verbundverfahrens wird in der Rechtsprechung ein Zeitraum von ca. 2 Jahren angesehen (vgl. BGH FamRZ 86, 898; OLG Frankfurt Urteil vom 21.5.1996 - 3 UF 37/96); das angefochtene Urteil erging ca. 12 Monate nach Zustellung des Scheidungsantrages. - Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Scheidungsantrag bereits zwei Monate vor Ablauf des in § 1566 Abs. 1 BGB geforderten Trennungsjahres (Unbilligkeitsgründe im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB sind nicht vorgetragen worden) anhängig gemacht worden ist; auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann nicht von einer außergewöhnlichen Verzögerung im Sinne des § 628 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO gesprochen werden.

Neben einer außergewöhnlichen Verzögerung, hätte zur Abtrennung gem. § 628 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO auch gehört, daß diese zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte für den Antragsteller erforderlich gewesen wäre. Das Vorliegen einer solchen Härte wird von dem Antragsteller weder substantiiert behauptet noch belegt, sie ist für den Senat nicht erkennbar.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat auch zu Unrecht auf eine persönliche Anhörung der Antragsgegnerin verzichtet. § 613 ZPO normiert eine Anhörungspflicht des Familiengerichts in Ehesachen. Nur ausnahmsweise kann hiervon abgesehen werden, z.B. dann, wenn der Aufenthalt einer der Parteien unbekannt ist (vgl. BGH FamRZ 94, 434; Zöller ZPO 21. Aufl. § 613 Rdnr. 3 und 4). Im vorliegenden Verfahren hat die Antragsgegnerin mit Attest vom 13.11.1998 (vgl. Bl. 19 d.A.) dargelegt, daß sie am 16.11.1998 stationär im Krankenhaus aufgenommen werde. Eine krankheitsbedingte Verhinderung ihrer Anhörung im anberaumten Termin vom 17.11.1998 genügt nicht, auf die nach § 613 Abs. 1 ZPO gebotene Anhörung einer Partei zu verzichten. Dies gilt hier um so mehr, da keinerlei konkrete Ausführungen zur Zerrüttung der Ehe vorgetragen waren, mit Ausnahme des Trennungsdatums 15.1.1997; auch die im Protokoll vom 17.11.1998 festgehaltenen Angaben des Antragsgegners sprechen nur allgemein von einem Auseinanderleben der Parteien.

Nach allem war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg zurückzuverweisen.

Amthor Ostermöller Kirschbaum