OLG Frankfurt vom 27.05.2003 (3 UF 335/02)

Stichworte: türkisches IPR, Rückverweisung auf das (deutsche) Recht des Aufenthalts Rückverweisung, türkisches IPR türkisches Scheidungsrecht, Widerspruchsrecht des Ehegatten.
Normenkette: ZEGBGB 17, 14 türkisches IPR, 13
Orientierungssatz: 1) Ist nach Art. 17, 14 Ziff. 1 EGBGB materielles türkisches Recht anzuwenden, gilt damit auch Art. 13 türk. IPR und damit die Verweisung auf das Recht des Aufenthalts. 2) Zum Widerspruchsrecht gegen den Scheidungsantrag nach türkischem Recht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Antragsgegners gegen da Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Friedberg vom 03.12.2002 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2003 durch Richter am Oberlandesgericht Kirschbaum als Einzelrichter gem. § 526 ZPO für Rechterkannt:

Die Berufung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Auf die Berufungsbeschwerde der BfA wird die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Von dem Versicherugnskonto der Antragstellerin bei der BfA, Vers.-Nr. xxx, werden monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 8,87 Euro bezogen auf den 31.1.2002 auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der LVA Hessen, Vers.-Nr. xxxx übertragen.Die Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte (West) umzurechnen. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert wird auf 5.500,-- Euro (5.200,-- Euro für die Scheidung; 500,-- Euro für den Versorgungsausgleich) festgesetzt.

Gründe:

Die verheirateten Parteien haben keine gemeinsamen Kinder, zum Zeitpunkt ihrer Heirat am 08.02.1999 waren sie beide türkische Staatsangehörige. Seit dem 13.09.2000 ist die Antragstellerin Deutsche, sie ist aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen; der Antragsgegner besitzt nur die türkische Staatsangehörigkeit.

Der Scheidungsantrag der Antragstellerin vom 08.06.2001 wurde dem Antragsgegner am 21.02.2002 (vgl. Bl. 42 d.A.) zugestellt. Mit dem hier angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen ihnen durchgeführt; auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen (vgl. Bl. 74 ff. d.A.). Das Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg hat vor seiner angefochtenen Entscheidung die Antragstellerin persönlich angehört, der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, krankheitsbedingt war er im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Friedberg nicht anwesend. Der Senat hat beide Parteien im Termin vom 28.03.2003 persönlich angehört. Die Antragstellerin hat erneut betont, dass sie die Ehe für endgültig gescheitert ansieht, dass sie nicht bereit ist, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner wieder aufzunehmen. In seiner Anhörung durch den Senat hat der Antragsgegner die Meinung vertreten, dass er durchaus noch eine Chance für die Ehe sehe. Beide Parteien haben in ihrer vorgenannten Anhörung allerdings bestätigt, dass seit Mai 2001 keinerlei Kontakte mehr zwischen ihnen bestanden haben.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Antragsgegners war zurückzuweisen, die Ehe der Parteien ist gescheitert, sie war zu scheiden.

Auf den Scheidungsantrag der Antragstellerin ist materielles deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Artikel 17, 14 Ziff. 1 EGBGB wird hinsichtlich der Anwendung des materiellen Rechts zunächst auf das Recht hingewiesen, nach dem sich die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten, d.h. nach dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, d.h. hier auf das materielle türkische Recht, der Antragsgegner ist türkischer Staatsangehöriger, beide Parteien waren es bis zum September 2000.

Mit der Verweisung auf das materielle türkische Recht gemäß der vorgenannten Bestimmungen des EGBGB wird auch auf das türkische internationale Privatrecht und damit auf dessen Artikel 13 verwiesen. Gemäß Artikel 13 des türkischen internationalen Privatrecht ist das materielle Recht des Aufenthalts der Parteien anzuwenden, d.h. durch Art. 13 türkisches internationales Privatrecht erfolgt eine Rückverweisung auf das materielle deutsche Recht (vgl. Turan-Schnieders/Finger in FamRB 2002, 187 ff., 213 ff. - 215 -; Bilge-Öztan in Hohlloch "Internationales Privatrecht des Scheidungs- und Scheidungsfolgerechts" Türkei, Rdnr. 16; vgl. bereits Ansay "Das Standesamt 83,29 ff.; vgl. auch OLG Frankfurt Beschluß vom 31.03.2003 - 3 WF 76/03).

Aus dem Gesagten folgt, dass gemäß § 1565 BGB die Ehe der Parteien zu scheiden ist, wenn sie entgültig gescheitert ist und die Parteien 1 Jahr getrennt leben (Art. 17, 14 Ziff. 1 EGBGB i.V.m. Art. 13 türkisches internationales Privatrecht, § 1565 BGB). Die Ehe der Parteien ist entgültig gescheitert. Im Hinblick auf die eindeutigen Angaben der Antragstellerin in ihren beiden richterlichen Anhörungen vor dem Familiengericht Friedberg und dem erkennenden Senat seht fest, dass die Ehe der Parteien entgültig zerrüttet ist, dass sie nicht wiederhergestellt werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Bereitschaft erklärt hat, die Fortsetzung der Ehe nochmals zu versuchen. Die entgültige Weigerung der Antragstellerin lässt für einen solchen Versöhnungsversuch keinen Raum. Dem Antragsgegner ist auch entgegenzuhalten, dass er offensichtlich seit Mai 2001 nicht mehr versucht hat, die Ehe wiederherzustellen, alleine sein Vortrag im Rahmen dieses Scheidungsverfahrens reicht für derartige Versuche jedenfalls nicht aus. Da die Parteien unstreitig seit November 2000 getrennt leben (die Antragstellerin ist ausgezogen), sind auch die Voraussetzungen des § 1566 Abs. 2 BGB gegeben (Trennungsjahr). Nach allem war die Ehe der Parteien zu scheiden.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch nach türkischem materiellem Scheidungsrecht die Ehe der Parteien zu scheiden ist. Gemäß Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes Nr. 4721 vom 22.11.2001 erfordert auch das materielle türkische Scheidungsrecht lediglich die Zerrüttung der Ehe. Diese Zerrüttung ist gegeben (siehe oben). Ein Widerspruch des Antragsgegners nach türkischem Recht gemäß Art. 166 Abs. 2 Satz 1 des türkischen ZGB könnte zwar darin zu sehen sein, dass der Antragsgegner dem Scheidungsantrag der Antragstellerin widersprochen hat, der Antragsgegner hat jedoch in keiner Weise substantiiert dargelegt, dass die Antragstellerin an der Zerrüttung der Ehe ein überwiegendes Verschulden trifft. Hier ist vielmehr davon auszugehen, dass die Charaktere der Parteien nicht zusammen passten, dass unter Umständen die grundsätzliche Lebenseinstellungen der in Deutschland aufgewachsenen Antragstellerin und dem in der Türkei aufgewachsenen Antragsgegner nicht übereinstimmten (zur Problematik vgl. Staudinger "Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch" 13. Auflage, Band "Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch/IPR ...", Art. 17. EGBGB Rdnr. 48). Selbst wenn es zutrifft, dass die Antragstellerin - wie vom Antragsgegner behauptet -, sich zu stark von ihren Eltern oder ihrer Familien hat beeinflussen lassen, kann darin kein ausreichendes "überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung" gesehen werden, dass zu einem Widerspruchsrecht im Sinne der oben genanten Bestimmung des türkischen ZGB führen würde (vgl. Staudinger a.a.O. auch Rdnr. 49; vgl. OLG Frankfurt FamRZ 94, 1111, 1112).

Höchst hilfsweise wird noch angefügt, dass ein eventueller Widerspruch des Antragsgegners gegen den Scheidungsantrag der Antragstellerin hier auch als missbräuchlich im Sinne des Art. 166 Abs. 2 türkisches ZGB anzusehen wäre. Der Antragsgegner hat keinerlei Gründe vorgetragen, die ein berechtigtes Interesse am Festhalten an der Ehe darstellen würden, auch hier genügt es nicht, dass der Antragsgegner erklärte, er sehe noch eine Chance für die Ehe, dies um so mehr, da er seit Mai 2001 keinerlei Wiederherstellungsversuche unternommen hat.

Auf die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (vgl. § 621 e BGB) war die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im angefochtenen Urteil neu zu fassen. Gegen die vom Familiengericht ermittelten, in der Ehezeit von den Parteien erworbenen Rentenanwartschaften bestehen rechnerisch keine Bedenken, auch nicht gegen die rechnerische Durchführung des Versorgungsausgleichs. Dieser richtet sich nach § 1587 b Abs. 1 BGB, d.h. es waren Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Unterschiedsbetrags, der von den Parteien in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften hier vom Versicherungskonto der Antragstellerin auf das der Antragsgegnerin zu übertragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, der Antragsgegner hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen, die Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist lediglich neu gefasst, insoweit ist es materiell bei der erstinstanzlichen Entscheidung verblieben. Der Berufungswert folgt aus §§ 12, 17 a GKG.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen, sie hat auch zur Rechtsfortbildung keine grundsätzliche Bedeutung.

Kirschbaum