OLG Frankfurt vom 30.05.2000 (3 UF 329/99)

Stichworte: Vergleich, Auslegung Realsplitting, Vereinbarung, Nachteile Ausgleichspflicht
Normenkette: BGB 1570, 1573, 157, 133
Orientierungssatz: Mit der Vereinbarung der Durchführung des Realsplittings unter Ziff. 1 des gerichtlichen Vergleichs der Parteien vom ....ist automatisch die Verpflichtung des Beklagten zum Ausgleich der der Klägerin durch das Realsplitting entstehenden steuerlichen Nachteile verbunden, es bedarf insoweit keiner ausdrücklichen Formulierung, in der Abrede der Durchführung des Realsplittings ist bereits diese Ausgleichsverpflichtung enthalten (vergl. BGH Urteil vom 9.10.95, in FamRZ 85, 1232 = BGH NJW 86, 254 f).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Remlinger und die Richter am Oberlandesgericht Kirschbaum und Ostermöller als Beisitzer für Recht erkannt:

Das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Wetzlar vom 26.10.1999 ( 6 F 415/99) wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.674,56 DM nebst 4% Zinsen seit dem 25.6.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Wetzlar vom 26.10.1999 hat im wesentlichen Erfolg, der Beklagte schuldet der Klägerin wegen der dieser entstandener Steuerbelastungen für die von ihr im Jahre 1996 versteuerten Unterhaltszahlungen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 9.674,56 DM (§§ 242 BGB, 1569 ff BGB). Im Rahmen des von den Parteien für das Jahr 1996 durchgeführten Realsplittings schuldet der Beklagte der Klägerin die vorgenannte Ausgleichszahlung. Mit der Vereinbarung der Durchführung des Realsplittings unter Ziff. 1 des gerichtlichen Vergleichs der Parteien vom 5.6.1996 (25 F 394/96 Amtsgericht -Familiengericht- Gießen; Bl. 5 - 8 d. Akten) ist automatisch die Verpflichtung des Beklagten zum Ausgleich der der Klägerin durch das Realsplitting entstehenden steuerlichen Nachteile verbunden, es bedarf insoweit keiner ausdrücklichen Formulierung, in der Abrede der Durchführung des Realsplittings ist bereits diese Ausgleichsverpflichtung enthalten (vergl. BGH Urteil vom 9.10.95, in FamRZ 85, 1232 = BGH NJW 86, 254 f). Die weitere Abrede der Parteien im vorgenannten Vergleich unter Ziffer 3 konnte sich daher nicht auf das bereits unter Ziffer 1 des Vergleichs von den Parteien Geregelte beziehen, das heißt die Abgeltungsklausel der Ziffer 3 des Vergleichs konnte sich nur noch auf nicht mit dem Vergleich, also auch dem Realsplitting zusammenhängende unterhaltsrechtliche Beziehungen erstrecken.

Eine Auslegung von Ziffer 1 u. 3 des obengenannten Vergleiches dahin, daß keine Ausgleichszahlung im Rahmen des Realsplittings mehr erfolgen sollte, ist aus dem Gesamtzusammenhang nicht möglich. Zwar sind grundsätzlich Willenserklärungen auslegungsfähig, eine Auslegung im Sinne des Ausschlusses der Ausgleichszahlungsverpflichtungen ist jedoch nicht möglich. Mit notarieller Urkunde des Notars J. R. in Wetzlar vom 17.6.1992 (URNr. 79 S/1992) hatte sich der Beklagte unter anderem verpflichtet, an die Klägerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 2.822,58 DM (vergl. auch die not. Urkunde vom 27.11.1991 -URNR. 250 S/1991 Notar J. R. Wetzlar; Bl. 6 ff, der Beiakten 35 F 394/96 AG Gießen d. Akten) zu zahlen, daneben sollte die Klägerin weitere 1.200,- DM netto monatlich ohne Anrechnung hinzu verdienen können. Aus dieser Zahlungsverpflichtung ergibt sich, daß die Parteien ursprünglich von einem monatlichen Unterhaltsbedarf der Klägerin von ca. 4.000,- DM ausgegangen sind. In 1996 hatte die Klägerin ausweislich des von ihr vorgelegten Steuerbescheides (vergl. Bl. 10, 11 d. Akten) ein Bruttoarbeitseinkommen in Höhe von 43.402,- DM; dieses Bruttoeinkommen stellt sich ohne Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen auf monatlich ca. 2.420,- DM dar (Berechnung nach dem Rechenprogramm von Gut- deutsch "Brutto-Netto-Rechnung"-Steuertabelle 1996). Unter Berücksichtigung eines derartigen Nettoeinkommens und des ehebezogenen vorgenannten monatlichen Unterhaltsbedarfs von ca. 4.000,- DM ist eine Unterhaltsabfindung durch die Zahlung von 71.400,- DM (vergl. den Vergleich) unter Übernahme der Steuerbelastung nicht nachvollziehbar. Der Klägerin stand zur damaligen Zeit jedenfalls noch dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch sowohl gemäß § 1570 BGB als auch gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu. Eine Versteuerung des Abfindungsbetrages im Zeitraum von 3 Jahren (vergl. den Vergleich) die zu einer Steuerbelastung von ca. 3 X 9.000,- DM führen würde, hätte zur Folge, daß der Klägerin statt der vereinbarten 71.400,- DM nur 44.400,- DM zur Verfügung gestanden hätten, das heißt, daß selbst bei einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von nur 1.200,- DM (vergl. das Klageziel des Klägers im Verfahren 25 F 394/96 Amtsgericht -Familiengericht- Gießen) der "Nettoabfindungsbetrag" nur einen Zeitraum von 37 Monaten abgedeckt hätte, das heißt maximal einen Zeitraum bis einschließlich Juli 1999. Zu diesem Zeitpunkt wäre der gemeinsame Sohn der Parteien (Alexander, geb. 22.9.1995) etwa 14 Jahre alt gewesen: selbst falls zu diesem Zeitpunkt kein Unterhaltsanspruch gemäß § 1570 BGB mehr bestanden hätte, wäre nicht auszuschließen gewesen, daß noch ein Differenzunterhaltsanspruch gemäß § 1573 Abs. 2 BGB bestanden hätte. Allein die aufgezeigte Diskrepanz zwischen Eigenverdienst, Abfindungsbetrag und eventuell anfallender Steuerbelastung führt nach Auffassung des Senates dazu, daß unter Ziffer 1 + 3 des obengenannten Vergleichs vom Juni 1996 nur dahin ausgelegt werden können, daß die Zahlungsverpflichtung zu Ziff. 1 die Abrede einer Ausgleichsverpflichtung enthält, daß Ziffer 3 des Vergleiches sich nur auf darüber hinaus gehende unterhaltsrechtliche Beziehungen erstreckt.

Die Klägerin kann somit die ihr durch das Realsplitting entstandenen steuerlichen Nachteile vom Beklagten ersetzt verlangen, jedoch nicht die ihr durch eigenen steuerrechtlichen Verzug entstanden zusätzlichen Kosten. Ausweislich der Klageschrift hat die Klägerin insoweit einen Ausgleich in Höhe von 308,- DM gefordert (vergl. Bl. 2, 9,10 d. Akte), das heißt insoweit hat ihre Berufung keinen Erfolg. Ebenfalls kann die Klägerin nur eine Verzinsung des ihr zustehenden Anspruchs ab Klagezustellung (25.6.1999) fordern, ihr Aufforderungsschreiben vom 16.7.1998 (vergl. Bl. 13f d. Akten) reicht als den Beklagten in Verzug setzende Mahnung nicht aus, es ist nicht ausreichend konkret.

Die Kostenentscheidung folgt aus dem §§ 97, 91, 92 ZPO, das Unterliegen der Klägerin ist im Rahmen des gesamten Rechtsstreits unbedeutend.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, die hier getroffene Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Remlinger Ostermöller Kirschbaum