OLG Frankfurt vom 05.05.2010 (3 UF 3/10)

Stichworte: Wiedereinsetzung, Rechtsmittelbelehrung; Rechtsmittelbelehrung, Wiedereinsetzung;
Normenkette: FamFG 17 Abs. 2, 39, FGG 22 aF; FGG 22 aF, FamFG 17 Abs. 2, 39; FamFG 17 Abs. 2, 39, FGG 22 aF; FGG 22 aF, FamFG 17 Abs. 2, 39;
Orientierungssatz:
  • Unter Berücksichtigung der Rspr des BGH (BGHST 50, 40 = NJW 2005, 1440) greift § 17 Abs. 2 FamFG nur ein, wenn die mangelnde Belehrung den Antragsteller an der Fristwahrung hindert
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts - Frankfurt am Main, vom 26.11.2009 sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung vom 09.02.2010 am 05.05.2010 beschlossen:

    Der Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.

    Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den angefochtenen Beschluss wird als unzulässig verworfen.

    Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Der Beschwerdewert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Parteien sind miteinander verheiratet.

    Die Antragstellerin hat am 29.09.2009 bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main den Erlass eine einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt, aufgrund derer dem Antragsgegner untersagt werden sollte, die gemeinsame Wohnung ...... zu betreten und sich dort aufzuhalten, sowie sich der Antragstellerin mehr als 50 m anzunähern. Ferner hat die Antragstellerin beantragt, ihr die Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Mit Beschluss vom 30.09.2009 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main den Antrag der Antragstellerin wegen fehlender Glaubhaftmachung der konkreten Handlungen des Antragsgegners zurückgewiesen.

    Hiergegen hat sich die Antragstellerin mit dem Antrag ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.10.2009 auf Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gewandt.

    Die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hat ihrerseits beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen und dem Antragsgegner die alleinige Nutzung der Wohnung zusammen mit den Kindern zuzuweisen.

    Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2009 hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.11.2009 dem Antragsgegner befristet bis 31.05.2010 untersagt, die Wohnung X-Straße in Y. zu betreten und sich dort aufzuhalten. Ferner hat das Amtsgericht der Antragstellerin die alleinige Nutzung der Wohnung überlassen und den Antrag des Antragsgegners auf Zuweisung der Wohnung zur alleinigen Nutzung ebenso wie die übrigen Anträge der Parteien zurückgewiesen.

    Der Beschluss des Amtsgerichts vom 26.11.2009 enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: "Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb eines Monats bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main einzulegen....."

    Gegen den, der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners am 01.12.2009 zugestellten Beschluss, hat die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit einem am 23.12.2009 bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt sowie mit Schriftsatz vom 04.01.2010 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt und die Beschwerde begründet.

    Auf entsprechenden Hinweis des Senats vom 21.01.2010 im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist, hat die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit dem am 09.02.2010 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung beruft sich der Antragsgegner darauf, die Rechtsmittelbelehrung in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 26.11.2009 sei falsch und von der erstinstanzlichen Richterin fehlerhaft beurteilt worden.

    II.

    Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG unzulässig.

    Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 26.11.2009 aufgrund mündlicher Erörterung gemäß §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes unterliegt der Anfechtung gemäß § 57 Nr. 4 FamFG. Rechtsmittel ist die Beschwerde im Sinne der §§ 58 ff. FamFG. Die Beschwerdefrist beträgt, da es sich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt, gemäß § 63 Abs. Nr. 1 FamFG zwei Wochen. Der Antragsgegner hat die Beschwerde nicht innerhalb der Zwei- Wochenfrist eingelegt. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 26.11.2009 wurde der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners am 01.12.2009 zugestellt. Die sich hiergegen wendende Beschwerde ging erst nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist, die am 15. Dezember 2009 endete, nämlich am 23.12.2009 beim Amtsgericht Frankfurt am Main ein.

    Dem Antragsgegner kann auch nicht gemäß § 17 Abs. 1 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

    Zwar findet § 17 FamFG - im Gegensatz zu der ursprünglichen Regelung in § 22 FGG, der die Wiedereinsetzung ausdrücklich nur im Fall der Versäumung der Frist für die sofortige Beschwerde vorgesehen hat (§ 22 Abs. 2 FGG) - auf alle Verfahren nach § 1 FamFG mit Ausnahme der Ehesachen (§ 121 FamFG) und der Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) und ausdrücklich auf die Säumnis aller gesetzlichen Fristen Anwendung. Diese Anknüpfung an die Versäumung einer gesetzlichen Frist entspricht insofern den Regelungen in anderen Verfahrensordnungen, etwa in § 60 VwGO und § 56 FGO.

    § 17 FamFG greift jedoch nicht ein, weil der Antragsgegner nicht ohne Verschulden daran gehindert war, die Beschwerde fristgemäß einzureichen.

    Der Antragsgegner beruft sich zur Begründung seiner nicht rechtzeitigen Beschwerdeeinlegung auf die falsche Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Amtsgerichts vom 26.11.2009. Die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts war auch falsch, da die Beschwerdefrist mit einem Monat und nicht mit zwei Wochen angegeben war.

    Trotz dieser falschen Rechtsmittelbelehrung kommt eine Wiedereinsetzung auch gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 FamFG nicht in Betracht.

    Zwar wird gemäß § 17 Abs. 2 FamFG das Fehlen eines Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist.

    Die Vermutung des fehlenden Verschuldens greift jedoch nicht ein, wenn der Beschwerdeführer - wie vorliegend - anwaltlich vertreten ist.

    Mit der Regelung in § 39 FamFG hat der Gesetzgeber in den nach dem FamFG ergehenden Beschlüssen eine Belehrung über das zulässige Rechtsmittel oder den ordentlichen Rechtsbehelf eingeführt. Die unterbliebene oder unrichtige Belehrung hindert grundsätzlich den Eintritt der Rechtskraft nicht. Gemäß § 17 Abs. 2 FamFG wird jedoch vermutet, dass derjenige Beteiligte, der keine Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat, ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder des Rechtsbehelfs einzuhalten. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs (BT- Drs. 16/6308 S. 183) ergibt sich, dass mit dieser Lösung dem Interesse der Beteiligten an einem möglichst raschen, rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens Rechnung getragen werden soll, ohne dass dem Beteiligten, der eine Belehrung nicht erhalten hat, die Einlegung des Rechtsmittels oder des Rechtsbehelfs unzumutbar erschwert wird. Diese Lösung greift die Rechtsprechung des BGH zur ungeschriebenen Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen (BGHZ 150, 390, 403) auf. Der BGH hat im Hinblick auf § 45 Abs. 1 WEG das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung aus verfassungsrechtlichen Gründen gesehen und entschieden, dass ein nicht anwaltlich vertretener Beteiligter beim Fehlen dieser Rechtsmittelbelehrung ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde zu wahren, ein Wiedereinsetzungsgrund also vorlag (Beschluss vom 02.05.2002, V ZB 36/01, BGHZ 150,390 = NJW 2002, 2171 = MDR 2002,1140). Ähnlich hat der der BGH in einem Beschluss vom 26.03.2009 (V ZB 174/08, BGHZ 180 = NJW-RR 2009, 890 = MDR 2009, 829) zu der Versäumung von befristeten Rechtsmittel in Zwangsversteigerungsverfahren (§§ 869, § 793 ZPO) durch die nicht anwaltlich vertretene Partei entschieden.

    Der BGH hat jedoch bereits in den angeführten Entscheidungen auf die Rechtsprechung zu § 44 Abs. 2 StPO, die in jedem Fall auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristsäumnis fordert, hingewiesen. Hieraus ergibt sich, dass eine Wiedereinsetzung in denjenigen Fällen ausgeschlossen ist, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keine Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf. Auf diese Weise wird vor allem der geringeren Schutzbedürftigkeit anwaltlich vertretener Beteiligter Rechnung getragen. So führt der BGH in einer Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 03.03.2005 (GSSt 1/04, BGHST 50, 40 = NJW 2005, 1440) zu § 44 S. 1 StPO an, dass eine Wiedereinsetzung gemäß § 44 S. 1, § 45 Abs. 2 StPO nur gewährt werden kann, wenn derjenigen, der auf Rechtsmittel verzichtet, glaubhaft machen kann, aufgrund unstatthafter Einwirkungen - etwa weil er entgegen bestehender Informationspflichten, gar wider besseres Wissen, zumal vom Gericht - von der Beschreitung des von ihm gewünschten Rechtswegs abgebracht worden ist (vgl. dazu BGHSt 45, 227; 47, 238) und das Rechtsmittel folglich nicht fristgerecht einreicht, weil er sich unverschuldet zu Unrecht daran gebunden hielt. Der BGH hat insofern in der Unkenntnis des Angeklagten oder seines Verteidigers von der bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder von der vorliegenden Entscheidung keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO gesehen (vgl. BGH 1. Strafsenat 1 StR 210/01; BGH 1. Strafsenat 1 StR 574/00; BGH 1. Strafsenat 1 StR 410/00; BGH 1. Strafsenat 1 StR 90/01; BGH 3. Strafsenat 3 StR 91/01; BGH 1. Strafsenat 1 StR 272/03; BGH 5. Strafsenat 5 StR 103/03 BGH NStZ 2004, 162).

    Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung greift § 17 Abs. 2 FamFG nur ein, wenn die mangelnde Belehrung den Antragsteller an der Fristwahrung hindert (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 16. Auflage, § 17 Rn. 37). Insofern bedarf es eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung. Allerdings dürfen die Anforderungen an dieses Kausalitätserfordernis auch nicht überspannt werden. Durch eine unrichtige gerichtliche Rechtsmittelbelehrung, wird nämlich auch bei anwaltlicher Vertretung ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigen kann, sofern die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 16. Auflage, § 17 Rn. 37).

    Der BGH hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 11.06.1996 (VI ZB 10/96, VersR 1996, 1522) darauf hingewiesen, dass eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung nur dann rechtfertigt, wenn sie zu einem unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum geführt hat. Von einem Rechtsanwalt muss nämlich die Kenntnis des Rechtsmittelsystems der Zivilprozessordnung erwartet werden. Entsprechend können auch systemwidrige Äußerungen von Richtern einen Irrtum des Anwalts nur entschuldigen, wenn der vom Gericht mitverursachte Irrtum nachvollziehbar und daher verständlich erscheint, also beispielsweise in ungewöhnlichen verfahrensrechtlichen Situationen, die nicht sicher zu beantwortende rechtliche Zweifelsfragen aufwerfen oder in Fällen, in denen die Rechtsmittelzuständigkeit fraglich sein kann und das Gericht sie selbst unzutreffend beurteilt hat.

    Da vorliegend der Antragsgegner anwaltlich vertreten war, kam unter diesen Gesichtspunkten eine Wiedereinsetzung gemäß § 17 FamFG nur in Betracht, wenn die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts einen zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum hervorgerufen hätte, etwa weil man in Anbetracht der neuen Rechtslage durch Einführung des FamFG ab 01.09.2001 davon ausgehen müsste, dass eine verfahrensrechtlich ungewöhnliche Situation vorlag.

    Dieser Fall ist jedoch nicht gegeben.

    Zwar war zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung im November 2009 das FamFG erst seit knapp drei Monaten für die ab 01.09.2009 anhängig gewordenen Verfahren in Kraft. Dem gegenüber steht jedoch, dass sich an dem Rechtsmittelsystem im einstweiligen Anordnungsverfahren insofern nichts geändert hat, als auch für die vor dem 01.09.2009 anhängig gewordenen Gewaltschutzverfahren bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz aufgrund mündlicher Verhandlung die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 620 c S. 1 ZPO alte Fassung in Verbindung § 569 ZPO galt. § 57 FamFG entspricht insofern § 620 c S. 1 ZPO alte Fassung. In beiden Normen ist geregelt, dass im Verfahren über einen Antrag gemäß §§ 1und 2 des Gewaltschutzgesetzes Entscheidungen der Anfechtung unterliegen, wenn sie aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen sind. In diesem Sinne fehlt es jedoch an einer verfahrensrechtlich ungewöhnlichen Situation. Da es sich bei der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners darüber hinaus um eine Fachanwältin für Familienrecht handelt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie über Kenntnisse der Rechtsmittel sowohl nach altem als auch nach neuem Recht gemäß Art. 111 FGG-RG verfügt. Sonstige Umstände, aus denen sich entnehmen ließe, dass sich die Prozessbevollmächtigte in einem entschuldbaren Irrtum befunden hat, sind weder vorgetragen und glaubhaft gemacht, noch sonst ersichtlich.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

    Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 41, 49 Abs. 1 FamGKG.

    Grabowski Menz Fambach